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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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den. Unser Schulmeister nahm rasch, als ob er etwas
versäume, eines der jüngsten Dirnlein an die Hand, das
noch bis Ostern zu ihm in die Schule gegangen war
und gar nicht wußte, wie es zu der Ehre kam. Johan-
nes aber nahm richtig Suschens Hand, weil diese sich
ganz in eine Ecke verkrochen hatte und so auch von den
fremden Burschen übersehen worden war, daß sie bald
ganz ohne Begleiter geblieben wäre. Mutter Eva sah
gar bedenklich drein -- unser Schulmeister aber
wandte sich mit purpurrothem Gesichte ab und drückte,
weil es ihm war, als müsse er durch irgend eine Bewe-
gung seinen Schmerz und seinen Zorn auslassen, die
Hand des Dirnleins, die in der seinigen lag, so sehr, daß
dieses, gar nicht wissend, wie ihm geschah, leise aufschrie.
Darüber ward er aber nur noch verlegner und ging nun
immer scheu vor sich nieder blickend ganz still in dem
Zuge mit weiter.

Der Tanz unten dauerte nun eben nicht lange, denn
die fremden Turner wollten heute noch fort und die Jo-
hannisfeuer sollten zugleich als Abschiedsgrüße für sie,
ihnen noch nach von den Bergen lohen. Der Schen-
kenwirth aber freute sich der fremden unerwarteten Gäste
und begann jetzt die Eisenbahn und ihre Nähe zu preisen,
auf die er vorher doch so geschimpft hatte. Gegen Jo-
hannes aber war er heute höflicher als je. Er klopfte

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den. Unſer Schulmeiſter nahm raſch, als ob er etwas
verſaͤume, eines der juͤngſten Dirnlein an die Hand, das
noch bis Oſtern zu ihm in die Schule gegangen war
und gar nicht wußte, wie es zu der Ehre kam. Johan-
nes aber nahm richtig Suschens Hand, weil dieſe ſich
ganz in eine Ecke verkrochen hatte und ſo auch von den
fremden Burſchen uͤberſehen worden war, daß ſie bald
ganz ohne Begleiter geblieben waͤre. Mutter Eva ſah
gar bedenklich drein — unſer Schulmeiſter aber
wandte ſich mit purpurrothem Geſichte ab und druͤckte,
weil es ihm war, als muͤſſe er durch irgend eine Bewe-
gung ſeinen Schmerz und ſeinen Zorn auslaſſen, die
Hand des Dirnleins, die in der ſeinigen lag, ſo ſehr, daß
dieſes, gar nicht wiſſend, wie ihm geſchah, leiſe aufſchrie.
Daruͤber ward er aber nur noch verlegner und ging nun
immer ſcheu vor ſich nieder blickend ganz ſtill in dem
Zuge mit weiter.

Der Tanz unten dauerte nun eben nicht lange, denn
die fremden Turner wollten heute noch fort und die Jo-
hannisfeuer ſollten zugleich als Abſchiedsgruͤße fuͤr ſie,
ihnen noch nach von den Bergen lohen. Der Schen-
kenwirth aber freute ſich der fremden unerwarteten Gaͤſte
und begann jetzt die Eiſenbahn und ihre Naͤhe zu preiſen,
auf die er vorher doch ſo geſchimpft hatte. Gegen Jo-
hannes aber war er heute hoͤflicher als je. Er klopfte

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[211/0219] den. Unſer Schulmeiſter nahm raſch, als ob er etwas verſaͤume, eines der juͤngſten Dirnlein an die Hand, das noch bis Oſtern zu ihm in die Schule gegangen war und gar nicht wußte, wie es zu der Ehre kam. Johan- nes aber nahm richtig Suschens Hand, weil dieſe ſich ganz in eine Ecke verkrochen hatte und ſo auch von den fremden Burſchen uͤberſehen worden war, daß ſie bald ganz ohne Begleiter geblieben waͤre. Mutter Eva ſah gar bedenklich drein — unſer Schulmeiſter aber wandte ſich mit purpurrothem Geſichte ab und druͤckte, weil es ihm war, als muͤſſe er durch irgend eine Bewe- gung ſeinen Schmerz und ſeinen Zorn auslaſſen, die Hand des Dirnleins, die in der ſeinigen lag, ſo ſehr, daß dieſes, gar nicht wiſſend, wie ihm geſchah, leiſe aufſchrie. Daruͤber ward er aber nur noch verlegner und ging nun immer ſcheu vor ſich nieder blickend ganz ſtill in dem Zuge mit weiter. Der Tanz unten dauerte nun eben nicht lange, denn die fremden Turner wollten heute noch fort und die Jo- hannisfeuer ſollten zugleich als Abſchiedsgruͤße fuͤr ſie, ihnen noch nach von den Bergen lohen. Der Schen- kenwirth aber freute ſich der fremden unerwarteten Gaͤſte und begann jetzt die Eiſenbahn und ihre Naͤhe zu preiſen, auf die er vorher doch ſo geſchimpft hatte. Gegen Jo- hannes aber war er heute hoͤflicher als je. Er klopfte 14*

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/219>, abgerufen am 27.11.2024.