niemals aufdrang, wo er nicht am Orte war oder nicht gefordert ward. Dadurch kam es von selbst, daß ihn Alle mit Zutrauen und Liebe behandelten und nie Etwas im Dorfe geschah, ohne daß man zuvor die Zustimmung des Herrn Pfarres eingeholt. Er hatte es aber auch durch sein wahrhaft segensreiches Wirken für alles Gute und Große -- was zugleich das wahr- haft Christliche ist -- verdient, daß ihm Jung und Alt mit so großem Vertrauen entgegenkam. --
Zu ihm nun war unser Schullehrer zuerst gegangen und hatte ihm vorgestellt, ob nicht die ganze Kirchfahrt den Tag, an welchem die Eisenbahn eröffnet werde, feier- lich begehen wolle, da es doch eines der größten Ereig- nisse sei, die man seit Langem hier in der Gegend er- lebt. Unser Pfarrer war gleich dabei und wie nun die Sache im Gemeinderath zur Sprache gebracht ward, so gab es gar kein langes Streiten darüber, man war einig, den ersten Pfingstfeiertag diesmal noch zu einem ganz besondern Festtag zu machen; nur über das Wie berieth man sich noch lange. --
Der Bote Martin aber und der Schenkenwirth saßen nicht mit im Gemeinderath, die würden sonst schon da- gegen aufgetreten sein. Durchsetzen hätten sie ihre An- sicht aber doch nicht können, denn sie waren die beiden Einzigen im ganzen Dorf, die gegen die Eisenbahn wa-
niemals aufdrang, wo er nicht am Orte war oder nicht gefordert ward. Dadurch kam es von ſelbſt, daß ihn Alle mit Zutrauen und Liebe behandelten und nie Etwas im Dorfe geſchah, ohne daß man zuvor die Zuſtimmung des Herrn Pfarres eingeholt. Er hatte es aber auch durch ſein wahrhaft ſegensreiches Wirken fuͤr alles Gute und Große — was zugleich das wahr- haft Chriſtliche iſt — verdient, daß ihm Jung und Alt mit ſo großem Vertrauen entgegenkam. —
Zu ihm nun war unſer Schullehrer zuerſt gegangen und hatte ihm vorgeſtellt, ob nicht die ganze Kirchfahrt den Tag, an welchem die Eiſenbahn eröffnet werde, feier- lich begehen wolle, da es doch eines der groͤßten Ereig- niſſe ſei, die man ſeit Langem hier in der Gegend er- lebt. Unſer Pfarrer war gleich dabei und wie nun die Sache im Gemeinderath zur Sprache gebracht ward, ſo gab es gar kein langes Streiten daruͤber, man war einig, den erſten Pfingſtfeiertag diesmal noch zu einem ganz beſondern Feſttag zu machen; nur uͤber das Wie berieth man ſich noch lange. —
Der Bote Martin aber und der Schenkenwirth ſaßen nicht mit im Gemeinderath, die wuͤrden ſonſt ſchon da- gegen aufgetreten ſein. Durchſetzen haͤtten ſie ihre An- ſicht aber doch nicht koͤnnen, denn ſie waren die beiden Einzigen im ganzen Dorf, die gegen die Eiſenbahn wa-
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niemals aufdrang, wo er nicht am Orte war oder
nicht gefordert ward. Dadurch kam es von ſelbſt, daß
ihn Alle mit Zutrauen und Liebe behandelten und
nie Etwas im Dorfe geſchah, ohne daß man zuvor
die Zuſtimmung des Herrn Pfarres eingeholt. Er hatte
es aber auch durch ſein wahrhaft ſegensreiches Wirken
fuͤr alles Gute und Große — was zugleich das wahr-
haft Chriſtliche iſt — verdient, daß ihm Jung und
Alt mit ſo großem Vertrauen entgegenkam. —
Zu ihm nun war unſer Schullehrer zuerſt gegangen
und hatte ihm vorgeſtellt, ob nicht die ganze Kirchfahrt
den Tag, an welchem die Eiſenbahn eröffnet werde, feier-
lich begehen wolle, da es doch eines der groͤßten Ereig-
niſſe ſei, die man ſeit Langem hier in der Gegend er-
lebt. Unſer Pfarrer war gleich dabei und wie nun die
Sache im Gemeinderath zur Sprache gebracht ward, ſo
gab es gar kein langes Streiten daruͤber, man war einig,
den erſten Pfingſtfeiertag diesmal noch zu einem ganz
beſondern Feſttag zu machen; nur uͤber das Wie berieth
man ſich noch lange. —
Der Bote Martin aber und der Schenkenwirth ſaßen
nicht mit im Gemeinderath, die wuͤrden ſonſt ſchon da-
gegen aufgetreten ſein. Durchſetzen haͤtten ſie ihre An-
ſicht aber doch nicht koͤnnen, denn ſie waren die beiden
Einzigen im ganzen Dorf, die gegen die Eiſenbahn wa-
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/22>, abgerufen am 23.11.2024.
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