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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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und da er den Pfarrer mit der Pfarrerin in so eifrigem
Gespräch gewahrte, so hatte er, neugierig wie er war, auch
gar keine Lust gehabt, sich bemerklich zu machen. Der
alte Schleicher war vielmehr auf einen Seitenweg bis
hinter die Laube gegangen, hatte so Alles, was die Bei-
den mit einander sprachen, behorcht und trat erst jetzt
hervor einen "guten Abend!" sagend, als wäre er nur
eben gekommen.

Der Pfarrer grüßte ihn freudlich und nachdem Mar-
tin seine Meldungen gemacht hatte, ging er wieder, sich
verstohlen in's Fäustchen lachend davon, um sogleich die
wichtige Entdeckung, die er durch das erhorchte Gespräch
gemacht hatte, Christlieb mitzutheilen und mit ihm zu
bereden, was nun weiter zu thun sei. --

Unterdeß turnte unser Johannes mit dem Schul-
meister und noch vielen Burschen nach Herzenslust
droben auf der Burg. Johannes sagte kein Wort da-
von, daß der Pfarrer heute auf ihn und das ganze Turnen
nicht gut zu sprechen gewesen, er dachte: die Jugend kann
das Alter nicht durch Worte, sie muß es durch Thaten
und Leben überzeugen und wo es nöthig, des Besseren
belehren. Er dachte auch überhaupt viel zu billig, als
daß er hätte Nachsicht haben sollen mit dem Alter, wie
er das Gleiche von diesem für die Jugend verlangte.
Schon zu oft hatte er es erfahren, daß die Leute, welche

und da er den Pfarrer mit der Pfarrerin in ſo eifrigem
Geſpraͤch gewahrte, ſo hatte er, neugierig wie er war, auch
gar keine Luſt gehabt, ſich bemerklich zu machen. Der
alte Schleicher war vielmehr auf einen Seitenweg bis
hinter die Laube gegangen, hatte ſo Alles, was die Bei-
den mit einander ſprachen, behorcht und trat erſt jetzt
hervor einen „guten Abend!“ ſagend, als waͤre er nur
eben gekommen.

Der Pfarrer gruͤßte ihn freudlich und nachdem Mar-
tin ſeine Meldungen gemacht hatte, ging er wieder, ſich
verſtohlen in’s Faͤuſtchen lachend davon, um ſogleich die
wichtige Entdeckung, die er durch das erhorchte Geſpraͤch
gemacht hatte, Chriſtlieb mitzutheilen und mit ihm zu
bereden, was nun weiter zu thun ſei. —

Unterdeß turnte unſer Johannes mit dem Schul-
meiſter und noch vielen Burſchen nach Herzensluſt
droben auf der Burg. Johannes ſagte kein Wort da-
von, daß der Pfarrer heute auf ihn und das ganze Turnen
nicht gut zu ſprechen geweſen, er dachte: die Jugend kann
das Alter nicht durch Worte, ſie muß es durch Thaten
und Leben uͤberzeugen und wo es noͤthig, des Beſſeren
belehren. Er dachte auch uͤberhaupt viel zu billig, als
daß er haͤtte Nachſicht haben ſollen mit dem Alter, wie
er das Gleiche von dieſem fuͤr die Jugend verlangte.
Schon zu oft hatte er es erfahren, daß die Leute, welche

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[233/0241] und da er den Pfarrer mit der Pfarrerin in ſo eifrigem Geſpraͤch gewahrte, ſo hatte er, neugierig wie er war, auch gar keine Luſt gehabt, ſich bemerklich zu machen. Der alte Schleicher war vielmehr auf einen Seitenweg bis hinter die Laube gegangen, hatte ſo Alles, was die Bei- den mit einander ſprachen, behorcht und trat erſt jetzt hervor einen „guten Abend!“ ſagend, als waͤre er nur eben gekommen. Der Pfarrer gruͤßte ihn freudlich und nachdem Mar- tin ſeine Meldungen gemacht hatte, ging er wieder, ſich verſtohlen in’s Faͤuſtchen lachend davon, um ſogleich die wichtige Entdeckung, die er durch das erhorchte Geſpraͤch gemacht hatte, Chriſtlieb mitzutheilen und mit ihm zu bereden, was nun weiter zu thun ſei. — Unterdeß turnte unſer Johannes mit dem Schul- meiſter und noch vielen Burſchen nach Herzensluſt droben auf der Burg. Johannes ſagte kein Wort da- von, daß der Pfarrer heute auf ihn und das ganze Turnen nicht gut zu ſprechen geweſen, er dachte: die Jugend kann das Alter nicht durch Worte, ſie muß es durch Thaten und Leben uͤberzeugen und wo es noͤthig, des Beſſeren belehren. Er dachte auch uͤberhaupt viel zu billig, als daß er haͤtte Nachſicht haben ſollen mit dem Alter, wie er das Gleiche von dieſem fuͤr die Jugend verlangte. Schon zu oft hatte er es erfahren, daß die Leute, welche

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/241>, abgerufen am 27.11.2024.