doch alle jungen Männer so! -- aber noch immer kann man sie zählen."
"O es ist weiter kein Verdienst bei mir," sagte unser Schulmeister vor sich niederblickend, "wenn man mit dem Leben und seinen gewöhnlichen Freuden abgeschlossen hat, so ist es leicht. Vielleicht aber muß man dies vorher haben."
Johannes sah den Freund verwundert an. Nach ei- ner Pause sagte er: "Jch nehme das Leben auch ernst, aber doch nicht so traurig. Man braucht ja deshalb nicht freiwillig auf alle Freuden zu verzichten, wenn man auch bereit ist, sie alle freudig zu opfern, wenn die gute Sache es so gebieten sollte."
Unser Schulmeister schwieg immer fort, denn er fand in diesen Worten eine neue Bestätigung seines Argwohns. Er glaubte nun um so sicherer, Johannes gehöre wirklich zu den leichtsinnigen Männern, die auch die Liebe eines Mädchens hinnehmen, wie jede andre Freude des Augen- blickes, ohne an die Zukunft zu denken und namentlich, ohne um die des Mädchens sich zu bekümmern. Er meinte, Johannes wolle sich mit diesen Worten vor ihm rechtfertigen, wohl gar ihn veranlassen, sich seine leichtsin- nige Weise auch zum Muster zu nehmen. Aber wie es ihm schon immer ging, so ging es unserm Schulmeister auch diesmal, er seufzte wieder nur und konnte sich nicht
doch alle jungen Maͤnner ſo! — aber noch immer kann man ſie zaͤhlen.“
„O es iſt weiter kein Verdienſt bei mir,“ ſagte unſer Schulmeiſter vor ſich niederblickend, „wenn man mit dem Leben und ſeinen gewoͤhnlichen Freuden abgeſchloſſen hat, ſo iſt es leicht. Vielleicht aber muß man dies vorher haben.“
Johannes ſah den Freund verwundert an. Nach ei- ner Pauſe ſagte er: „Jch nehme das Leben auch ernſt, aber doch nicht ſo traurig. Man braucht ja deshalb nicht freiwillig auf alle Freuden zu verzichten, wenn man auch bereit iſt, ſie alle freudig zu opfern, wenn die gute Sache es ſo gebieten ſollte.“
Unſer Schulmeiſter ſchwieg immer fort, denn er fand in dieſen Worten eine neue Beſtaͤtigung ſeines Argwohns. Er glaubte nun um ſo ſicherer, Johannes gehoͤre wirklich zu den leichtſinnigen Maͤnnern, die auch die Liebe eines Maͤdchens hinnehmen, wie jede andre Freude des Augen- blickes, ohne an die Zukunft zu denken und namentlich, ohne um die des Maͤdchens ſich zu bekuͤmmern. Er meinte, Johannes wolle ſich mit dieſen Worten vor ihm rechtfertigen, wohl gar ihn veranlaſſen, ſich ſeine leichtſin- nige Weiſe auch zum Muſter zu nehmen. Aber wie es ihm ſchon immer ging, ſo ging es unſerm Schulmeiſter auch diesmal, er ſeufzte wieder nur und konnte ſich nicht
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doch alle jungen Maͤnner ſo! — aber noch immer kann
man ſie zaͤhlen.“
„O es iſt weiter kein Verdienſt bei mir,“ ſagte unſer
Schulmeiſter vor ſich niederblickend, „wenn man mit dem
Leben und ſeinen gewoͤhnlichen Freuden abgeſchloſſen hat,
ſo iſt es leicht. Vielleicht aber muß man dies vorher
haben.“
Johannes ſah den Freund verwundert an. Nach ei-
ner Pauſe ſagte er: „Jch nehme das Leben auch ernſt,
aber doch nicht ſo traurig. Man braucht ja deshalb
nicht freiwillig auf alle Freuden zu verzichten, wenn man
auch bereit iſt, ſie alle freudig zu opfern, wenn die gute
Sache es ſo gebieten ſollte.“
Unſer Schulmeiſter ſchwieg immer fort, denn er fand
in dieſen Worten eine neue Beſtaͤtigung ſeines Argwohns.
Er glaubte nun um ſo ſicherer, Johannes gehoͤre wirklich
zu den leichtſinnigen Maͤnnern, die auch die Liebe eines
Maͤdchens hinnehmen, wie jede andre Freude des Augen-
blickes, ohne an die Zukunft zu denken und namentlich,
ohne um die des Maͤdchens ſich zu bekuͤmmern. Er
meinte, Johannes wolle ſich mit dieſen Worten vor ihm
rechtfertigen, wohl gar ihn veranlaſſen, ſich ſeine leichtſin-
nige Weiſe auch zum Muſter zu nehmen. Aber wie es
ihm ſchon immer ging, ſo ging es unſerm Schulmeiſter
auch diesmal, er ſeufzte wieder nur und konnte ſich nicht
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/250>, abgerufen am 22.11.2024.
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