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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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nicht das Vergnügen lassen, uns zuzusehen? Wir thun
ja Nichts, was nicht die ganze Welt sehen könnte." Die
Burschen lachten und der Gensdarme blieb unangefochten
auf seinem Posten stehen.

Die Mädchen und Frauen des Dorfes hatten auch
dem Turnen zugeschaut. Mutter Eva stand bei der Frau
Pfarrerin und flüsterte dieser leise zu: "Jch hab' ihm
gestern in's Gewissen geredet, und er hat mir versprochen,
nicht mehr zu reden als er eben müßte, ich weiß es, er
ist ein guter Junge und wird Wort halten."

Laura und Suschen standen auch dabei. Laura
freute sich wohl aus Herzens Grunde über jede kühne
Schwenkung, die ihr Friedrich machte, Suschen schrie
aber einmal ganz laut auf, wie unser Schulmeister so
hoch herab sprang, daß man erst nicht wußte, ob es ge-
sprungen oder gefallen war. Er hörte wohl den Angst-
schrei und sah sich um, aber er wußte nicht, woher er
gekommen war. --

Nach beendigtem Turnen zogen Alle paarweis mit
Gesang hinab in die Schenke. Johannes führte den
Vorturner zu Suschen und sagte: "Das ist das Töch-
terlein unsres Richters, der selber so bereitwillig unser Fest
unterstützte. -- Jhr kommt die Ehre zu, an Eurer Hand
hinabzugehen."

Der Turner sagte Suschen allerhand Schönes, aber

nicht das Vergnuͤgen laſſen, uns zuzuſehen? Wir thun
ja Nichts, was nicht die ganze Welt ſehen koͤnnte.“ Die
Burſchen lachten und der Gensdarme blieb unangefochten
auf ſeinem Poſten ſtehen.

Die Maͤdchen und Frauen des Dorfes hatten auch
dem Turnen zugeſchaut. Mutter Eva ſtand bei der Frau
Pfarrerin und fluͤſterte dieſer leiſe zu: „Jch hab’ ihm
geſtern in’s Gewiſſen geredet, und er hat mir verſprochen,
nicht mehr zu reden als er eben muͤßte, ich weiß es, er
iſt ein guter Junge und wird Wort halten.“

Laura und Suschen ſtanden auch dabei. Laura
freute ſich wohl aus Herzens Grunde uͤber jede kuͤhne
Schwenkung, die ihr Friedrich machte, Suschen ſchrie
aber einmal ganz laut auf, wie unſer Schulmeiſter ſo
hoch herab ſprang, daß man erſt nicht wußte, ob es ge-
ſprungen oder gefallen war. Er hoͤrte wohl den Angſt-
ſchrei und ſah ſich um, aber er wußte nicht, woher er
gekommen war. —

Nach beendigtem Turnen zogen Alle paarweis mit
Geſang hinab in die Schenke. Johannes fuͤhrte den
Vorturner zu Suschen und ſagte: „Das iſt das Toͤch-
terlein unſres Richters, der ſelber ſo bereitwillig unſer Feſt
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hinabzugehen.“

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[271/0279] nicht das Vergnuͤgen laſſen, uns zuzuſehen? Wir thun ja Nichts, was nicht die ganze Welt ſehen koͤnnte.“ Die Burſchen lachten und der Gensdarme blieb unangefochten auf ſeinem Poſten ſtehen. Die Maͤdchen und Frauen des Dorfes hatten auch dem Turnen zugeſchaut. Mutter Eva ſtand bei der Frau Pfarrerin und fluͤſterte dieſer leiſe zu: „Jch hab’ ihm geſtern in’s Gewiſſen geredet, und er hat mir verſprochen, nicht mehr zu reden als er eben muͤßte, ich weiß es, er iſt ein guter Junge und wird Wort halten.“ Laura und Suschen ſtanden auch dabei. Laura freute ſich wohl aus Herzens Grunde uͤber jede kuͤhne Schwenkung, die ihr Friedrich machte, Suschen ſchrie aber einmal ganz laut auf, wie unſer Schulmeiſter ſo hoch herab ſprang, daß man erſt nicht wußte, ob es ge- ſprungen oder gefallen war. Er hoͤrte wohl den Angſt- ſchrei und ſah ſich um, aber er wußte nicht, woher er gekommen war. — Nach beendigtem Turnen zogen Alle paarweis mit Geſang hinab in die Schenke. Johannes fuͤhrte den Vorturner zu Suschen und ſagte: „Das iſt das Toͤch- terlein unſres Richters, der ſelber ſo bereitwillig unſer Feſt unterſtuͤtzte. — Jhr kommt die Ehre zu, an Eurer Hand hinabzugehen.“ Der Turner ſagte Suschen allerhand Schoͤnes, aber

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/279>, abgerufen am 22.11.2024.