"Sie denken, weil ich immer nicht zu reden weiß und auch immer eine rechte Scheu habe vor allen Amts- und Gerichtsleuten?" antwortete Suschen, "aber wenn es sein muß, will ich mein Heil schon versuchen, ich weiß: der liebe Gott wird mir bei einer ernsten Sache Muth geben und mich nicht verlassen! Jch will es ihnen sagen: seine Mutter ist vor Schreck über die Gerichtsmänner, die ihren Sohn so roh von ihrer Seite gerissen haben, vom Schlage gerührt worden -- nun liegt sie auf dem Sterbebette und kann doch nicht ruhig sterben, bis sie den Sohn nicht noch einmal gesehen, er ist ihr einziges Kind und es ist schrecklich, wenn eine Mutter, von ihrem Kinde verlassen, sterben muß -- der Johannes kann auch nichts so Schlechtes verbrochen haben, daß ihm zur Strafe auch der letzte Segen der Mutter entzogen werden sollte und daß er ihr nicht die Augen zudrücken dürfte!"
"Ja Suschen, so würde ich gerade auch sprechen," sagte der Schulmeister, "und so kann ich ja auch hin- gehen" --
"Nein, nein!" fiel ihm Suschen ein, "Sie dürfen nicht."
Der Schulmeister erwiderte mit niedergeschlagenen Au- gen und mit noch leiserer Stimme, als sie ohnehin um der Kranken willen schon war: "Suschen, wenn Sie auch gingen -- ich glaube nicht, daß den armen Johan- nes irgend Jemand sehen darf" --
„Sie denken, weil ich immer nicht zu reden weiß und auch immer eine rechte Scheu habe vor allen Amts- und Gerichtsleuten?“ antwortete Suschen, „aber wenn es ſein muß, will ich mein Heil ſchon verſuchen, ich weiß: der liebe Gott wird mir bei einer ernſten Sache Muth geben und mich nicht verlaſſen! Jch will es ihnen ſagen: ſeine Mutter iſt vor Schreck uͤber die Gerichtsmaͤnner, die ihren Sohn ſo roh von ihrer Seite geriſſen haben, vom Schlage geruͤhrt worden — nun liegt ſie auf dem Sterbebette und kann doch nicht ruhig ſterben, bis ſie den Sohn nicht noch einmal geſehen, er iſt ihr einziges Kind und es iſt ſchrecklich, wenn eine Mutter, von ihrem Kinde verlaſſen, ſterben muß — der Johannes kann auch nichts ſo Schlechtes verbrochen haben, daß ihm zur Strafe auch der letzte Segen der Mutter entzogen werden ſollte und daß er ihr nicht die Augen zudruͤcken duͤrfte!“
„Ja Suschen, ſo wuͤrde ich gerade auch ſprechen,“ ſagte der Schulmeiſter, „und ſo kann ich ja auch hin- gehen“ —
„Nein, nein!“ fiel ihm Suschen ein, „Sie duͤrfen nicht.“
Der Schulmeiſter erwiderte mit niedergeſchlagenen Au- gen und mit noch leiſerer Stimme, als ſie ohnehin um der Kranken willen ſchon war: „Suschen, wenn Sie auch gingen — ich glaube nicht, daß den armen Johan- nes irgend Jemand ſehen darf“ —
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„Sie denken, weil ich immer nicht zu reden weiß
und auch immer eine rechte Scheu habe vor allen Amts-
und Gerichtsleuten?“ antwortete Suschen, „aber wenn
es ſein muß, will ich mein Heil ſchon verſuchen, ich weiß:
der liebe Gott wird mir bei einer ernſten Sache Muth
geben und mich nicht verlaſſen! Jch will es ihnen ſagen:
ſeine Mutter iſt vor Schreck uͤber die Gerichtsmaͤnner,
die ihren Sohn ſo roh von ihrer Seite geriſſen haben,
vom Schlage geruͤhrt worden — nun liegt ſie auf dem
Sterbebette und kann doch nicht ruhig ſterben, bis ſie den
Sohn nicht noch einmal geſehen, er iſt ihr einziges Kind
und es iſt ſchrecklich, wenn eine Mutter, von ihrem Kinde
verlaſſen, ſterben muß — der Johannes kann auch nichts
ſo Schlechtes verbrochen haben, daß ihm zur Strafe auch
der letzte Segen der Mutter entzogen werden ſollte und
daß er ihr nicht die Augen zudruͤcken duͤrfte!“
„Ja Suschen, ſo wuͤrde ich gerade auch ſprechen,“
ſagte der Schulmeiſter, „und ſo kann ich ja auch hin-
gehen“ —
„Nein, nein!“ fiel ihm Suschen ein, „Sie duͤrfen nicht.“
Der Schulmeiſter erwiderte mit niedergeſchlagenen Au-
gen und mit noch leiſerer Stimme, als ſie ohnehin um
der Kranken willen ſchon war: „Suschen, wenn Sie
auch gingen — ich glaube nicht, daß den armen Johan-
nes irgend Jemand ſehen darf“ —
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/300>, abgerufen am 24.11.2024.
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