den Händen wüthender Verfolger zu befreien -- sowie das Huhn ängstlich und lärmend schreit nach dem Küch- lein, daß die Katze mit ihren Krallen erfaßt hat. Es war ein Jammer, das so mit anzuhören wie Suschen und Nichts sagen zu können, als immer die unge- wisse Hoffnung: "Seid nur ruhig, morgen kommt Euer Johannes bestimmt wieder, der Herr Pfarr' wird ihn wohl selber holen!" --
Als es Tag ward, kam Käthe auch wieder mit hinzu. Suschen erzählte, wie sie die Nacht zugebracht und wie- derholte: "Mutter Eva kann nicht ruhig ersterben, wenn sie den Johannes nicht wieder sieht! O wenn ich's nur den gestrengen Herrn in dem Amt so recht erzählen könnte, was das für ein Jammer ist, sie müßten sich doch bewe- gen lassen und ihn herschicken. Das wären doch Unmen- schen, die eine Mutter könnten so sterben lassen, wenn es ihnen nur ein Wort kostet, das den Sohn an ihr Ster- bebette führte -- wenn sie ihn nachher auch gleich wie- der mit sich nehmen! -- Ob nur der Herr Pfarr' schon in die Stadt ist, sonst lauf' ich doch noch selber hinein!"
Jndem sie so sprach, kam auch Laura, nach Mutter Eva zu fragen.
"Wo ist Dein Bruder?" fragte sie Suschen ängst- lich und erröthend.
"Der muß thun, was seines Amts ist," antwortete
den Haͤnden wuͤthender Verfolger zu befreien — ſowie das Huhn aͤngſtlich und laͤrmend ſchreit nach dem Kuͤch- lein, daß die Katze mit ihren Krallen erfaßt hat. Es war ein Jammer, das ſo mit anzuhoͤren wie Suschen und Nichts ſagen zu koͤnnen, als immer die unge- wiſſe Hoffnung: „Seid nur ruhig, morgen kommt Euer Johannes beſtimmt wieder, der Herr Pfarr’ wird ihn wohl ſelber holen!“ —
Als es Tag ward, kam Kaͤthe auch wieder mit hinzu. Suschen erzaͤhlte, wie ſie die Nacht zugebracht und wie- derholte: „Mutter Eva kann nicht ruhig erſterben, wenn ſie den Johannes nicht wieder ſieht! O wenn ich’s nur den geſtrengen Herrn in dem Amt ſo recht erzaͤhlen koͤnnte, was das fuͤr ein Jammer iſt, ſie muͤßten ſich doch bewe- gen laſſen und ihn herſchicken. Das waͤren doch Unmen- ſchen, die eine Mutter koͤnnten ſo ſterben laſſen, wenn es ihnen nur ein Wort koſtet, das den Sohn an ihr Ster- bebette fuͤhrte — wenn ſie ihn nachher auch gleich wie- der mit ſich nehmen! — Ob nur der Herr Pfarr’ ſchon in die Stadt iſt, ſonſt lauf’ ich doch noch ſelber hinein!“
Jndem ſie ſo ſprach, kam auch Laura, nach Mutter Eva zu fragen.
„Wo iſt Dein Bruder?“ fragte ſie Suschen aͤngſt- lich und erroͤthend.
„Der muß thun, was ſeines Amts iſt,“ antwortete
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0307"n="299"/>
den Haͤnden wuͤthender Verfolger zu befreien —ſowie<lb/>
das Huhn aͤngſtlich und laͤrmend ſchreit nach dem Kuͤch-<lb/>
lein, daß die Katze mit ihren Krallen erfaßt hat. Es<lb/>
war ein Jammer, das ſo mit anzuhoͤren wie Suschen<lb/>
und Nichts ſagen zu koͤnnen, als immer die unge-<lb/>
wiſſe Hoffnung: „Seid nur ruhig, morgen kommt Euer<lb/>
Johannes beſtimmt wieder, der Herr Pfarr’ wird ihn wohl<lb/>ſelber holen!“—</p><lb/><p>Als es Tag ward, kam Kaͤthe auch wieder mit hinzu.<lb/>
Suschen erzaͤhlte, wie ſie die Nacht zugebracht und wie-<lb/>
derholte: „Mutter Eva kann nicht ruhig erſterben, wenn<lb/>ſie den Johannes nicht wieder ſieht! O wenn ich’s nur<lb/>
den geſtrengen Herrn in dem Amt ſo recht erzaͤhlen koͤnnte,<lb/>
was das fuͤr ein Jammer iſt, ſie muͤßten ſich doch bewe-<lb/>
gen laſſen und ihn herſchicken. Das waͤren doch Unmen-<lb/>ſchen, die eine Mutter koͤnnten ſo ſterben laſſen, wenn es<lb/>
ihnen nur ein Wort koſtet, das den Sohn an ihr Ster-<lb/>
bebette fuͤhrte — wenn ſie ihn nachher auch gleich wie-<lb/>
der mit ſich nehmen! — Ob nur der Herr Pfarr’ſchon<lb/>
in die Stadt iſt, ſonſt lauf’ ich doch noch ſelber hinein!“</p><lb/><p>Jndem ſie ſo ſprach, kam auch Laura, nach Mutter<lb/>
Eva zu fragen.</p><lb/><p>„Wo iſt Dein Bruder?“ fragte ſie Suschen aͤngſt-<lb/>
lich und erroͤthend.</p><lb/><p>„Der muß thun, was ſeines Amts iſt,“ antwortete<lb/></p></div></body></text></TEI>
[299/0307]
den Haͤnden wuͤthender Verfolger zu befreien — ſowie
das Huhn aͤngſtlich und laͤrmend ſchreit nach dem Kuͤch-
lein, daß die Katze mit ihren Krallen erfaßt hat. Es
war ein Jammer, das ſo mit anzuhoͤren wie Suschen
und Nichts ſagen zu koͤnnen, als immer die unge-
wiſſe Hoffnung: „Seid nur ruhig, morgen kommt Euer
Johannes beſtimmt wieder, der Herr Pfarr’ wird ihn wohl
ſelber holen!“ —
Als es Tag ward, kam Kaͤthe auch wieder mit hinzu.
Suschen erzaͤhlte, wie ſie die Nacht zugebracht und wie-
derholte: „Mutter Eva kann nicht ruhig erſterben, wenn
ſie den Johannes nicht wieder ſieht! O wenn ich’s nur
den geſtrengen Herrn in dem Amt ſo recht erzaͤhlen koͤnnte,
was das fuͤr ein Jammer iſt, ſie muͤßten ſich doch bewe-
gen laſſen und ihn herſchicken. Das waͤren doch Unmen-
ſchen, die eine Mutter koͤnnten ſo ſterben laſſen, wenn es
ihnen nur ein Wort koſtet, das den Sohn an ihr Ster-
bebette fuͤhrte — wenn ſie ihn nachher auch gleich wie-
der mit ſich nehmen! — Ob nur der Herr Pfarr’ ſchon
in die Stadt iſt, ſonſt lauf’ ich doch noch ſelber hinein!“
Jndem ſie ſo ſprach, kam auch Laura, nach Mutter
Eva zu fragen.
„Wo iſt Dein Bruder?“ fragte ſie Suschen aͤngſt-
lich und erroͤthend.
„Der muß thun, was ſeines Amts iſt,“ antwortete
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/307>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.