Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

als ihre Arbeitskraft eben so viel werth als die Reichen
und Besitzenden, (ja eigentlich mehr als diese -- doch
davon ein andermal) die nur mit ihrem Capital arbeiten,
darum sind sie auch eben so viel werth als der Gelehrte,
der Denker, der Erfinder, der seine großen und schönen
Jdeen wohl zu Papier bringen, aber nicht verwirklichen
kann ohne die Arbeiter.

Unser ländlicher Zug ward, als er auf dem Bahn-
hofe anlangte, dort von Allen fröhlich willkommen ge-
heißen. Auch die, welche einander noch fremd waren,
drückten sich die Hände wie alte Bekannte, weil jetzt
ein und dieselbe Freude sie an diesen Ort geführt hatte.
Viele der Landleute hatten noch keine Locomotive gesehen,
hörten staunend den Beschreibungen der Arbeiter zu,
welche schon oft dergleichen gesehen und harrten der
Wunderdinge, die da kommen sollten. Jetzt begannen die
Telegraphen, die an der ganzen Linie aufgestellt waren,
zu spielen und ihre bunten Scheiben, die erst am Bo-
den gesessen, schwirrten mit Eins bis zur höchsten
Spitze der Stange empor. Das war das Zeichen, daß
nun der Zug in einer Viertelstunde da sein müsse. Alle
gingen nun auf ihre Plätze zu beiden Seiten der Bahn,
jenseit der Gruben, die neben dieser hinliefen, stellten sie
sich auf und aller Augen schauten nach rechts, von wo-
her der Zug kommen mußte. Jetzt stiegen dort auch

als ihre Arbeitskraft eben ſo viel werth als die Reichen
und Beſitzenden, (ja eigentlich mehr als dieſe — doch
davon ein andermal) die nur mit ihrem Capital arbeiten,
darum ſind ſie auch eben ſo viel werth als der Gelehrte,
der Denker, der Erfinder, der ſeine großen und ſchoͤnen
Jdeen wohl zu Papier bringen, aber nicht verwirklichen
kann ohne die Arbeiter.

Unſer laͤndlicher Zug ward, als er auf dem Bahn-
hofe anlangte, dort von Allen froͤhlich willkommen ge-
heißen. Auch die, welche einander noch fremd waren,
druͤckten ſich die Haͤnde wie alte Bekannte, weil jetzt
ein und dieſelbe Freude ſie an dieſen Ort gefuͤhrt hatte.
Viele der Landleute hatten noch keine Locomotive geſehen,
hoͤrten ſtaunend den Beſchreibungen der Arbeiter zu,
welche ſchon oft dergleichen geſehen und harrten der
Wunderdinge, die da kommen ſollten. Jetzt begannen die
Telegraphen, die an der ganzen Linie aufgeſtellt waren,
zu ſpielen und ihre bunten Scheiben, die erſt am Bo-
den geſeſſen, ſchwirrten mit Eins bis zur hoͤchſten
Spitze der Stange empor. Das war das Zeichen, daß
nun der Zug in einer Viertelſtunde da ſein muͤſſe. Alle
gingen nun auf ihre Plaͤtze zu beiden Seiten der Bahn,
jenſeit der Gruben, die neben dieſer hinliefen, ſtellten ſie
ſich auf und aller Augen ſchauten nach rechts, von wo-
her der Zug kommen mußte. Jetzt ſtiegen dort auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0034" n="26"/>
als ihre Arbeitskraft eben &#x017F;o viel werth als die Reichen<lb/>
und Be&#x017F;itzenden, (ja eigentlich mehr als die&#x017F;e &#x2014; doch<lb/>
davon ein andermal) die nur mit ihrem Capital arbeiten,<lb/>
darum &#x017F;ind &#x017F;ie auch eben &#x017F;o viel werth als der Gelehrte,<lb/>
der Denker, der Erfinder, der &#x017F;eine großen und &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Jdeen wohl zu Papier bringen, aber nicht verwirklichen<lb/>
kann ohne die Arbeiter.</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;er la&#x0364;ndlicher Zug ward, als er auf dem Bahn-<lb/>
hofe anlangte, dort von Allen fro&#x0364;hlich willkommen ge-<lb/>
heißen. Auch die, welche einander noch fremd waren,<lb/>
dru&#x0364;ckten &#x017F;ich die Ha&#x0364;nde wie alte Bekannte, weil jetzt<lb/>
ein und die&#x017F;elbe Freude &#x017F;ie an die&#x017F;en Ort gefu&#x0364;hrt hatte.<lb/>
Viele der Landleute hatten noch keine Locomotive ge&#x017F;ehen,<lb/>
ho&#x0364;rten &#x017F;taunend den Be&#x017F;chreibungen der Arbeiter zu,<lb/>
welche &#x017F;chon oft dergleichen ge&#x017F;ehen und harrten der<lb/>
Wunderdinge, die da kommen &#x017F;ollten. Jetzt begannen die<lb/>
Telegraphen, die an der ganzen Linie aufge&#x017F;tellt waren,<lb/>
zu &#x017F;pielen und ihre bunten Scheiben, die er&#x017F;t am Bo-<lb/>
den ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;chwirrten mit Eins bis zur ho&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Spitze der Stange empor. Das war das Zeichen, daß<lb/>
nun der Zug in einer Viertel&#x017F;tunde da &#x017F;ein mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Alle<lb/>
gingen nun auf ihre Pla&#x0364;tze zu beiden Seiten der Bahn,<lb/>
jen&#x017F;eit der Gruben, die neben die&#x017F;er hinliefen, &#x017F;tellten &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich auf und aller Augen &#x017F;chauten nach rechts, von wo-<lb/>
her der Zug kommen mußte. Jetzt &#x017F;tiegen dort auch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0034] als ihre Arbeitskraft eben ſo viel werth als die Reichen und Beſitzenden, (ja eigentlich mehr als dieſe — doch davon ein andermal) die nur mit ihrem Capital arbeiten, darum ſind ſie auch eben ſo viel werth als der Gelehrte, der Denker, der Erfinder, der ſeine großen und ſchoͤnen Jdeen wohl zu Papier bringen, aber nicht verwirklichen kann ohne die Arbeiter. Unſer laͤndlicher Zug ward, als er auf dem Bahn- hofe anlangte, dort von Allen froͤhlich willkommen ge- heißen. Auch die, welche einander noch fremd waren, druͤckten ſich die Haͤnde wie alte Bekannte, weil jetzt ein und dieſelbe Freude ſie an dieſen Ort gefuͤhrt hatte. Viele der Landleute hatten noch keine Locomotive geſehen, hoͤrten ſtaunend den Beſchreibungen der Arbeiter zu, welche ſchon oft dergleichen geſehen und harrten der Wunderdinge, die da kommen ſollten. Jetzt begannen die Telegraphen, die an der ganzen Linie aufgeſtellt waren, zu ſpielen und ihre bunten Scheiben, die erſt am Bo- den geſeſſen, ſchwirrten mit Eins bis zur hoͤchſten Spitze der Stange empor. Das war das Zeichen, daß nun der Zug in einer Viertelſtunde da ſein muͤſſe. Alle gingen nun auf ihre Plaͤtze zu beiden Seiten der Bahn, jenſeit der Gruben, die neben dieſer hinliefen, ſtellten ſie ſich auf und aller Augen ſchauten nach rechts, von wo- her der Zug kommen mußte. Jetzt ſtiegen dort auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/34
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/34>, abgerufen am 03.12.2024.