Wenn Jhr Rache nehmen wollt an irgend einem meiner Gegner, so wird die Schuld davon auf mich zurückfallen -- oder wenn ihr, nachdem Jhr eine edle That gethan, mit einer unedlen den Tag beenden wollt, so müßtet Jhr Euch ja vor Euch selber schämen und ich mich solcher Befreier! Wer mich lieb hat und mir wohl will, der gehe nach Hause -- nur wer mein Verderben will, kann einen Frevel begehen und sagen, es sei aus Liebe zu mir! Solchen würd' ich nicht für meine Freiheit danken, von tobsüchtigen Straßenlärmern möcht' ich sie gar nicht an- nehmen!"
Alle standen lauschend still, wie er sprach. Dann riefen sie wieder: "Johannes lebe!" murmelten noch mit einander und folgten seinen Worten. Einer war unter ihnen, der nicht nachlassen wollte und die um ihn Stehenden immer aufstachelte, dem Amtmann die Fenster einzuwerfen, aus Liebe zu Johannes und Rache für ihn, wie er sagte. Aber der Knecht Jacob riß diesem Einen den verhüllenden Hut ab und schrie: "Seht da Christlieb -- der es erst dahin brachte, daß der Johannes einge- steckt ward, sein erbittertster Gegner. Was so ein Kerl wie der uns räth, muß eine schlechte Sache sein und eine hinterlistige Falle, drum wollen wir ruhig nach Hause gehen."
Und so zerstreute sich die Masse.
Wenn Jhr Rache nehmen wollt an irgend einem meiner Gegner, ſo wird die Schuld davon auf mich zuruͤckfallen — oder wenn ihr, nachdem Jhr eine edle That gethan, mit einer unedlen den Tag beenden wollt, ſo muͤßtet Jhr Euch ja vor Euch ſelber ſchaͤmen und ich mich ſolcher Befreier! Wer mich lieb hat und mir wohl will, der gehe nach Hauſe — nur wer mein Verderben will, kann einen Frevel begehen und ſagen, es ſei aus Liebe zu mir! Solchen wuͤrd’ ich nicht fuͤr meine Freiheit danken, von tobſuͤchtigen Straßenlaͤrmern moͤcht’ ich ſie gar nicht an- nehmen!“
Alle ſtanden lauſchend ſtill, wie er ſprach. Dann riefen ſie wieder: „Johannes lebe!“ murmelten noch mit einander und folgten ſeinen Worten. Einer war unter ihnen, der nicht nachlaſſen wollte und die um ihn Stehenden immer aufſtachelte, dem Amtmann die Fenſter einzuwerfen, aus Liebe zu Johannes und Rache fuͤr ihn, wie er ſagte. Aber der Knecht Jacob riß dieſem Einen den verhuͤllenden Hut ab und ſchrie: „Seht da Chriſtlieb — der es erſt dahin brachte, daß der Johannes einge- ſteckt ward, ſein erbittertſter Gegner. Was ſo ein Kerl wie der uns raͤth, muß eine ſchlechte Sache ſein und eine hinterliſtige Falle, drum wollen wir ruhig nach Hauſe gehen.“
Und ſo zerſtreute ſich die Maſſe.
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Wenn Jhr Rache nehmen wollt an irgend einem meiner
Gegner, ſo wird die Schuld davon auf mich zuruͤckfallen
— oder wenn ihr, nachdem Jhr eine edle That gethan,
mit einer unedlen den Tag beenden wollt, ſo muͤßtet Jhr
Euch ja vor Euch ſelber ſchaͤmen und ich mich ſolcher
Befreier! Wer mich lieb hat und mir wohl will, der
gehe nach Hauſe — nur wer mein Verderben will, kann
einen Frevel begehen und ſagen, es ſei aus Liebe zu mir!
Solchen wuͤrd’ ich nicht fuͤr meine Freiheit danken, von
tobſuͤchtigen Straßenlaͤrmern moͤcht’ ich ſie gar nicht an-
nehmen!“
Alle ſtanden lauſchend ſtill, wie er ſprach. Dann
riefen ſie wieder: „Johannes lebe!“ murmelten noch
mit einander und folgten ſeinen Worten. Einer war
unter ihnen, der nicht nachlaſſen wollte und die um ihn
Stehenden immer aufſtachelte, dem Amtmann die Fenſter
einzuwerfen, aus Liebe zu Johannes und Rache fuͤr ihn,
wie er ſagte. Aber der Knecht Jacob riß dieſem Einen
den verhuͤllenden Hut ab und ſchrie: „Seht da Chriſtlieb
— der es erſt dahin brachte, daß der Johannes einge-
ſteckt ward, ſein erbittertſter Gegner. Was ſo ein Kerl
wie der uns raͤth, muß eine ſchlechte Sache ſein und
eine hinterliſtige Falle, drum wollen wir ruhig nach
Hauſe gehen.“
Und ſo zerſtreute ſich die Maſſe.
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/346>, abgerufen am 22.11.2024.
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