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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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er sah sie zärtlich an und hatte unvermerkt ihre Hand
in die seinige genommen, sie innig drückend. Aber
Suschen zog ihre Hand rasch weg, ward über und über
roth und sprang schnell einige Schritte fort unter eine
Gruppe anderer Mädchen. Er hatte die Worte leise zu
ihr gesagt, Niemand weiter hatte sie hören können, das
war noch ihr einziger Trost, sonst hätte sie sich wer
weiß wie sehr geschämt -- nicht nur über die Rede,
sondern eben auch darüber, daß sie roth ward und da-
durch am Ende gar etwas merken ließ, daß keine Men-
schenseele merken durfte, am wenigsten der Schullehrer
selbst, der ihr mit seinen blauen Augen noch so lange
und innig nachsah, daß sie's fühlte, obwohl sie kein
einziges Blickchen wieder zu ihm wagte.

Mit Sang und Klang zogen dann Alle wieder in
ihr Dorf zurück heiter plaudernd, einander noch fragend
und erklärend über das Staunenswürdige, das sie heute
gesehen und erlebt.



er ſah ſie zaͤrtlich an und hatte unvermerkt ihre Hand
in die ſeinige genommen, ſie innig druͤckend. Aber
Suschen zog ihre Hand raſch weg, ward uͤber und uͤber
roth und ſprang ſchnell einige Schritte fort unter eine
Gruppe anderer Maͤdchen. Er hatte die Worte leiſe zu
ihr geſagt, Niemand weiter hatte ſie hoͤren koͤnnen, das
war noch ihr einziger Troſt, ſonſt haͤtte ſie ſich wer
weiß wie ſehr geſchaͤmt — nicht nur uͤber die Rede,
ſondern eben auch daruͤber, daß ſie roth ward und da-
durch am Ende gar etwas merken ließ, daß keine Men-
ſchenſeele merken durfte, am wenigſten der Schullehrer
ſelbſt, der ihr mit ſeinen blauen Augen noch ſo lange
und innig nachſah, daß ſie’s fuͤhlte, obwohl ſie kein
einziges Blickchen wieder zu ihm wagte.

Mit Sang und Klang zogen dann Alle wieder in
ihr Dorf zuruͤck heiter plaudernd, einander noch fragend
und erklaͤrend uͤber das Staunenswuͤrdige, das ſie heute
geſehen und erlebt.



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[30/0038] er ſah ſie zaͤrtlich an und hatte unvermerkt ihre Hand in die ſeinige genommen, ſie innig druͤckend. Aber Suschen zog ihre Hand raſch weg, ward uͤber und uͤber roth und ſprang ſchnell einige Schritte fort unter eine Gruppe anderer Maͤdchen. Er hatte die Worte leiſe zu ihr geſagt, Niemand weiter hatte ſie hoͤren koͤnnen, das war noch ihr einziger Troſt, ſonſt haͤtte ſie ſich wer weiß wie ſehr geſchaͤmt — nicht nur uͤber die Rede, ſondern eben auch daruͤber, daß ſie roth ward und da- durch am Ende gar etwas merken ließ, daß keine Men- ſchenſeele merken durfte, am wenigſten der Schullehrer ſelbſt, der ihr mit ſeinen blauen Augen noch ſo lange und innig nachſah, daß ſie’s fuͤhlte, obwohl ſie kein einziges Blickchen wieder zu ihm wagte. Mit Sang und Klang zogen dann Alle wieder in ihr Dorf zuruͤck heiter plaudernd, einander noch fragend und erklaͤrend uͤber das Staunenswuͤrdige, das ſie heute geſehen und erlebt.

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/38>, abgerufen am 21.11.2024.