"Nun, Mütterchen, laß nur!" flüsterte er, "nun mach' ich wieder gut, was ich durch jahrelanges Weg- bleiben verschuldet habe und Du darfst nicht mehr daran denken, wenn ich Dir unterdeß Kummer gemacht -- hab' ihn selber ja auch gehabt, denn immer hatt' ich Sehnsucht, wollte reisen und konnte doch nicht."
"Aber wirst auch nicht Langeweile haben?" sagte sie wieder bedenklich --
"Nein, ich darf hier auch nicht müßig gehen, son- dern habe mir viel Arbeit mitgebracht -- deßhalb eben konnt' ich so lange abkommen. Jch hab' ein Buch für das Volk zu schreiben versprochen, das zum Herbst fer- tig sein soll -- das bringt mir genug ein, daß ich ein- mal die Reise machen und den andern Verdienst in der großen Stadt, Zeitschriften und Alles im Stich lassen konnte. Für das Buch wird es gut sein, wenn ich hier in rechter Stille lebe, fern von den Zerstreuungen und dem tobenden Getreibe der Stadt," erklärte Jo- hannes.
Die Leute, die vorhin endlich zutraulich geworden waren, sahen ihn jetzt wieder verdutzt an, erstaunt und bedenklich zugleich. Ein ganzes Buch wollt' er schreiben in ein paar Monaten und gerade mitten unter ihnen, so ganz allein aus sich heraus, ohne andere Bücher und Hülfsmittel -- das erfüllte sie abermals mit einer Art
„Nun, Muͤtterchen, laß nur!“ fluͤſterte er, „nun mach’ ich wieder gut, was ich durch jahrelanges Weg- bleiben verſchuldet habe und Du darfſt nicht mehr daran denken, wenn ich Dir unterdeß Kummer gemacht — hab’ ihn ſelber ja auch gehabt, denn immer hatt’ ich Sehnſucht, wollte reiſen und konnte doch nicht.“
„Aber wirſt auch nicht Langeweile haben?“ ſagte ſie wieder bedenklich —
„Nein, ich darf hier auch nicht muͤßig gehen, ſon- dern habe mir viel Arbeit mitgebracht — deßhalb eben konnt’ ich ſo lange abkommen. Jch hab’ ein Buch fuͤr das Volk zu ſchreiben verſprochen, das zum Herbſt fer- tig ſein ſoll — das bringt mir genug ein, daß ich ein- mal die Reiſe machen und den andern Verdienſt in der großen Stadt, Zeitſchriften und Alles im Stich laſſen konnte. Fuͤr das Buch wird es gut ſein, wenn ich hier in rechter Stille lebe, fern von den Zerſtreuungen und dem tobenden Getreibe der Stadt,“ erklaͤrte Jo- hannes.
Die Leute, die vorhin endlich zutraulich geworden waren, ſahen ihn jetzt wieder verdutzt an, erſtaunt und bedenklich zugleich. Ein ganzes Buch wollt’ er ſchreiben in ein paar Monaten und gerade mitten unter ihnen, ſo ganz allein aus ſich heraus, ohne andere Buͤcher und Huͤlfsmittel — das erfuͤllte ſie abermals mit einer Art
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„Nun, Muͤtterchen, laß nur!“ fluͤſterte er, „nun
mach’ ich wieder gut, was ich durch jahrelanges Weg-
bleiben verſchuldet habe und Du darfſt nicht mehr daran
denken, wenn ich Dir unterdeß Kummer gemacht —
hab’ ihn ſelber ja auch gehabt, denn immer hatt’ ich
Sehnſucht, wollte reiſen und konnte doch nicht.“
„Aber wirſt auch nicht Langeweile haben?“ ſagte ſie
wieder bedenklich —
„Nein, ich darf hier auch nicht muͤßig gehen, ſon-
dern habe mir viel Arbeit mitgebracht — deßhalb eben
konnt’ ich ſo lange abkommen. Jch hab’ ein Buch fuͤr
das Volk zu ſchreiben verſprochen, das zum Herbſt fer-
tig ſein ſoll — das bringt mir genug ein, daß ich ein-
mal die Reiſe machen und den andern Verdienſt in der
großen Stadt, Zeitſchriften und Alles im Stich laſſen
konnte. Fuͤr das Buch wird es gut ſein, wenn ich hier
in rechter Stille lebe, fern von den Zerſtreuungen
und dem tobenden Getreibe der Stadt,“ erklaͤrte Jo-
hannes.
Die Leute, die vorhin endlich zutraulich geworden
waren, ſahen ihn jetzt wieder verdutzt an, erſtaunt und
bedenklich zugleich. Ein ganzes Buch wollt’ er ſchreiben
in ein paar Monaten und gerade mitten unter ihnen,
ſo ganz allein aus ſich heraus, ohne andere Buͤcher und
Huͤlfsmittel — das erfuͤllte ſie abermals mit einer Art
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/63>, abgerufen am 04.12.2024.
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