Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.Von diesem einen Augenblick an war ihre Liebe zu Jaromir in Haß umgewandelt. Sie war es zufrieden, ja sie war froh darüber, daß sich Thalheim von ihr trennen wollte. Für sie sorgen würde er, das wußte sie -- seine Gegenwart aber, seine Nähe vermogte sie, wie nun sich Alles vor ihren Blicken enthüllt hatte, noch weniger ohne Scham zu ertragen, als selbst damals, wo sie ihm das Geständniß gemacht hatte, ihn nicht zu lieben. Denn wie sich jetzt Amalie in ihren eignen Augen gedemüthigt fühlte, so fühlte sie sich es noch um so mehr ihrem Gatten gegenüber. Konnte er es nicht schon vielleicht längst wissen, daß Szariny Bellas Geliebter sei, daß er niemals mehr der einstigen Braut gedacht habe, welche ihm die Treue gebrochen? -- Amalie fühlte, daß das, was ihr ihre heiligsten Gefühle geboten hatten -- ohne daß sie selbst es geahnt, sie zu einer Lächerlichkeit geführt hatte -- und man weiß, wie eher ein Unrecht Vergebung findet, als eine Lächerlichkeit; darum konnte Amalie jetzt um dieser willen am Meisten mit sich zerfallen. Von einer zu bereuenden That sich wieder zu erheben, würde sie Kraft gefunden haben -- aber von einer Handlung, welche sie nicht als eine unbesonnen Fehlende, sondern als eine eitle Thörin erscheinen ließ, vermogte sie nicht, ihre niedergeworfenen Gefühle wieder aufzurichten. -- Sie fühlte das Alles schon in dieser ersten Minute der bittern Enttäuschung, und Von diesem einen Augenblick an war ihre Liebe zu Jaromir in Haß umgewandelt. Sie war es zufrieden, ja sie war froh darüber, daß sich Thalheim von ihr trennen wollte. Für sie sorgen würde er, das wußte sie — seine Gegenwart aber, seine Nähe vermogte sie, wie nun sich Alles vor ihren Blicken enthüllt hatte, noch weniger ohne Scham zu ertragen, als selbst damals, wo sie ihm das Geständniß gemacht hatte, ihn nicht zu lieben. Denn wie sich jetzt Amalie in ihren eignen Augen gedemüthigt fühlte, so fühlte sie sich es noch um so mehr ihrem Gatten gegenüber. Konnte er es nicht schon vielleicht längst wissen, daß Szariny Bellas Geliebter sei, daß er niemals mehr der einstigen Braut gedacht habe, welche ihm die Treue gebrochen? — Amalie fühlte, daß das, was ihr ihre heiligsten Gefühle geboten hatten — ohne daß sie selbst es geahnt, sie zu einer Lächerlichkeit geführt hatte — und man weiß, wie eher ein Unrecht Vergebung findet, als eine Lächerlichkeit; darum konnte Amalie jetzt um dieser willen am Meisten mit sich zerfallen. Von einer zu bereuenden That sich wieder zu erheben, würde sie Kraft gefunden haben — aber von einer Handlung, welche sie nicht als eine unbesonnen Fehlende, sondern als eine eitle Thörin erscheinen ließ, vermogte sie nicht, ihre niedergeworfenen Gefühle wieder aufzurichten. — Sie fühlte das Alles schon in dieser ersten Minute der bittern Enttäuschung, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0103" n="93"/> <p> Von diesem einen Augenblick an war ihre Liebe zu Jaromir in Haß umgewandelt.</p> <p>Sie war es zufrieden, ja sie war froh darüber, daß sich Thalheim von ihr trennen wollte. Für sie sorgen würde er, das wußte sie — seine Gegenwart aber, seine Nähe vermogte sie, wie nun sich Alles vor ihren Blicken enthüllt hatte, noch weniger ohne Scham zu ertragen, als selbst damals, wo sie ihm das Geständniß gemacht hatte, ihn nicht zu lieben. Denn wie sich jetzt Amalie in ihren eignen Augen gedemüthigt fühlte, so fühlte sie sich es noch um so mehr ihrem Gatten gegenüber. Konnte er es nicht schon vielleicht längst wissen, daß Szariny Bellas Geliebter sei, daß er niemals mehr der einstigen Braut gedacht habe, welche ihm die Treue gebrochen? — Amalie fühlte, daß das, was ihr ihre heiligsten Gefühle geboten hatten — ohne daß sie selbst es geahnt, sie zu einer Lächerlichkeit geführt hatte — und man weiß, wie eher ein Unrecht Vergebung findet, als eine Lächerlichkeit; darum konnte Amalie jetzt um dieser willen am Meisten mit sich zerfallen. Von einer zu bereuenden That sich wieder zu erheben, würde sie Kraft gefunden haben — aber von einer Handlung, welche sie nicht als eine unbesonnen Fehlende, sondern als eine eitle Thörin erscheinen ließ, vermogte sie nicht, ihre niedergeworfenen Gefühle wieder aufzurichten. — Sie fühlte das Alles schon in dieser ersten Minute der bittern Enttäuschung, und </p> </div> </body> </text> </TEI> [93/0103]
Von diesem einen Augenblick an war ihre Liebe zu Jaromir in Haß umgewandelt.
Sie war es zufrieden, ja sie war froh darüber, daß sich Thalheim von ihr trennen wollte. Für sie sorgen würde er, das wußte sie — seine Gegenwart aber, seine Nähe vermogte sie, wie nun sich Alles vor ihren Blicken enthüllt hatte, noch weniger ohne Scham zu ertragen, als selbst damals, wo sie ihm das Geständniß gemacht hatte, ihn nicht zu lieben. Denn wie sich jetzt Amalie in ihren eignen Augen gedemüthigt fühlte, so fühlte sie sich es noch um so mehr ihrem Gatten gegenüber. Konnte er es nicht schon vielleicht längst wissen, daß Szariny Bellas Geliebter sei, daß er niemals mehr der einstigen Braut gedacht habe, welche ihm die Treue gebrochen? — Amalie fühlte, daß das, was ihr ihre heiligsten Gefühle geboten hatten — ohne daß sie selbst es geahnt, sie zu einer Lächerlichkeit geführt hatte — und man weiß, wie eher ein Unrecht Vergebung findet, als eine Lächerlichkeit; darum konnte Amalie jetzt um dieser willen am Meisten mit sich zerfallen. Von einer zu bereuenden That sich wieder zu erheben, würde sie Kraft gefunden haben — aber von einer Handlung, welche sie nicht als eine unbesonnen Fehlende, sondern als eine eitle Thörin erscheinen ließ, vermogte sie nicht, ihre niedergeworfenen Gefühle wieder aufzurichten. — Sie fühlte das Alles schon in dieser ersten Minute der bittern Enttäuschung, und
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