Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.jetzt geworden ist? -- So tief kann Armuth allein einen solchen großen Menschen nicht beugen, eher, eher kann dies vielleicht -- unglückliche Liebe." "Kennst Du die Macht der Liebe?" sagte Pauline. "Mir klingt das Wort wie aus einem Mährchenlande, darin es wunderbare Formeln giebt, die man wohl niemals zu lösen vermag, ja, welche vielleicht nicht einmal eine Lösung haben -- aber die Macht der Armuth, der bin ich schon hundertfach im Leben begegnet -- ich glaube, das ist eine furchtbare Gewalt, welche aus guten Menschen Verbrecher machen kann, aus sanften Charakteren wüthende und erbitterte, eine Macht, welche auch die größten Geister so herabdrücken kann, daß sie ganz und gar von dem Staube, der sie wider ihren Willen herabzieht und seine Rechte fordert, bedeckt und überwältigt werden." Es war im Garten, wo die beiden Mädchen so allein in einer Laube sprachen -- sie bemerkten nicht, wie Thalheim während Paulinens Rede sich ihnen genähert hatte; noch verbargen ihn grüne Ranken halb -- auch hatten die Mädchen ihre Augen auf den Boden geheftet, und sahen Beide sinnend nieder. Elisabeth drückte Paulinens Hand, indem sie sagte: "Vielleicht hast Du Recht -- was ich Liebe nenne, muß immer nur erheben können, ja, beseligen, allein durch sich jetzt geworden ist? — So tief kann Armuth allein einen solchen großen Menschen nicht beugen, eher, eher kann dies vielleicht — unglückliche Liebe.“ „Kennst Du die Macht der Liebe?“ sagte Pauline. „Mir klingt das Wort wie aus einem Mährchenlande, darin es wunderbare Formeln giebt, die man wohl niemals zu lösen vermag, ja, welche vielleicht nicht einmal eine Lösung haben — aber die Macht der Armuth, der bin ich schon hundertfach im Leben begegnet — ich glaube, das ist eine furchtbare Gewalt, welche aus guten Menschen Verbrecher machen kann, aus sanften Charakteren wüthende und erbitterte, eine Macht, welche auch die größten Geister so herabdrücken kann, daß sie ganz und gar von dem Staube, der sie wider ihren Willen herabzieht und seine Rechte fordert, bedeckt und überwältigt werden.“ Es war im Garten, wo die beiden Mädchen so allein in einer Laube sprachen — sie bemerkten nicht, wie Thalheim während Paulinens Rede sich ihnen genähert hatte; noch verbargen ihn grüne Ranken halb — auch hatten die Mädchen ihre Augen auf den Boden geheftet, und sahen Beide sinnend nieder. Elisabeth drückte Paulinens Hand, indem sie sagte: „Vielleicht hast Du Recht — was ich Liebe nenne, muß immer nur erheben können, ja, beseligen, allein durch sich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0106" n="96"/> jetzt geworden ist? — So tief kann Armuth allein einen solchen großen Menschen nicht beugen, eher, eher kann dies vielleicht — unglückliche Liebe.“</p> <p>„Kennst Du die Macht der Liebe?“ sagte Pauline. „Mir klingt das Wort wie aus einem Mährchenlande, darin es wunderbare Formeln giebt, die man wohl niemals zu lösen vermag, ja, welche vielleicht nicht einmal eine Lösung haben — aber die Macht der Armuth, der bin ich schon hundertfach im Leben begegnet — ich glaube, das ist eine furchtbare Gewalt, welche aus guten Menschen Verbrecher machen kann, aus sanften Charakteren wüthende und erbitterte, eine Macht, welche auch die größten Geister so herabdrücken kann, daß sie ganz und gar von dem Staube, der sie wider ihren Willen herabzieht und seine Rechte fordert, bedeckt und überwältigt werden.“</p> <p>Es war im Garten, wo die beiden Mädchen so allein in einer Laube sprachen — sie bemerkten nicht, wie Thalheim während Paulinens Rede sich ihnen genähert hatte; noch verbargen ihn grüne Ranken halb — auch hatten die Mädchen ihre Augen auf den Boden geheftet, und sahen Beide sinnend nieder. Elisabeth drückte Paulinens Hand, indem sie sagte:</p> <p>„Vielleicht hast Du Recht — was ich Liebe nenne, muß immer nur erheben können, ja, beseligen, allein durch sich </p> </div> </body> </text> </TEI> [96/0106]
jetzt geworden ist? — So tief kann Armuth allein einen solchen großen Menschen nicht beugen, eher, eher kann dies vielleicht — unglückliche Liebe.“
„Kennst Du die Macht der Liebe?“ sagte Pauline. „Mir klingt das Wort wie aus einem Mährchenlande, darin es wunderbare Formeln giebt, die man wohl niemals zu lösen vermag, ja, welche vielleicht nicht einmal eine Lösung haben — aber die Macht der Armuth, der bin ich schon hundertfach im Leben begegnet — ich glaube, das ist eine furchtbare Gewalt, welche aus guten Menschen Verbrecher machen kann, aus sanften Charakteren wüthende und erbitterte, eine Macht, welche auch die größten Geister so herabdrücken kann, daß sie ganz und gar von dem Staube, der sie wider ihren Willen herabzieht und seine Rechte fordert, bedeckt und überwältigt werden.“
Es war im Garten, wo die beiden Mädchen so allein in einer Laube sprachen — sie bemerkten nicht, wie Thalheim während Paulinens Rede sich ihnen genähert hatte; noch verbargen ihn grüne Ranken halb — auch hatten die Mädchen ihre Augen auf den Boden geheftet, und sahen Beide sinnend nieder. Elisabeth drückte Paulinens Hand, indem sie sagte:
„Vielleicht hast Du Recht — was ich Liebe nenne, muß immer nur erheben können, ja, beseligen, allein durch sich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-08-23T11:52:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-08-23T11:52:15Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |