Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.Zwar sahen Elisabeths Eltern diese Freundschaft so ungern, als Paulinens Vater sie gern sah, weil es ihm immer Freude machte, wo er die Aristokratie der Geburt sich vor der seinen, vor der des Geldes, demüthigen sah. Aber wie oft auch Anfangs die Gräfin sanfte Vorstellungen an Elisabeth versuchte, in welchen sie Pauline als einen unpassenden Umgang schilderte -- Elisabeth erklärte fest und bestimmt, daß sie dieser Freundin nie entsagen werde -- und so war Pauline auf Schloß Hohenthal vorgestellt und hatte immer freien Zutritt. Die Gräfin war zu hoch und fein gebildet, um je dem bürgerlichen Mädchen merken zu lassen, daß seine Gegenwart ihr unangenehm sei -- sie behandelte es immer mit zuvorkommender Herablassung, aber zugleich mit kalter Förmlichkeit. Von dem Grafen galt dasselbe. Uebrigens hatte man im Schloß den Winter ganz einsam verlebt. Nur Rittmeister von Waldow war mit seiner Gattin öfter gekommen -- ein langweiliges, unbedeutendes, langsam alterndes Ehepaar -- und einige andere alte aristokratische Herren, welche in der Nähe lebten, und an einem bestimmten Abend zum Spiel mit dem Grafen kamen. Unter diesen langweiligen Verhältnissen, fühlte die Gräfin selbst, wäre es Grausamkeit gewesen, Elisabeth Paulinens Umgang zu entziehen -- allein das Frühjahr brachte die ebenbürtigen Nachbarn zurück, welche im Winter die Einsamkeit ihrer Landgüter mit dem Leben in der Residenz vertauscht hatten. Zwar sahen Elisabeths Eltern diese Freundschaft so ungern, als Paulinens Vater sie gern sah, weil es ihm immer Freude machte, wo er die Aristokratie der Geburt sich vor der seinen, vor der des Geldes, demüthigen sah. Aber wie oft auch Anfangs die Gräfin sanfte Vorstellungen an Elisabeth versuchte, in welchen sie Pauline als einen unpassenden Umgang schilderte — Elisabeth erklärte fest und bestimmt, daß sie dieser Freundin nie entsagen werde — und so war Pauline auf Schloß Hohenthal vorgestellt und hatte immer freien Zutritt. Die Gräfin war zu hoch und fein gebildet, um je dem bürgerlichen Mädchen merken zu lassen, daß seine Gegenwart ihr unangenehm sei — sie behandelte es immer mit zuvorkommender Herablassung, aber zugleich mit kalter Förmlichkeit. Von dem Grafen galt dasselbe. Uebrigens hatte man im Schloß den Winter ganz einsam verlebt. Nur Rittmeister von Waldow war mit seiner Gattin öfter gekommen — ein langweiliges, unbedeutendes, langsam alterndes Ehepaar — und einige andere alte aristokratische Herren, welche in der Nähe lebten, und an einem bestimmten Abend zum Spiel mit dem Grafen kamen. Unter diesen langweiligen Verhältnissen, fühlte die Gräfin selbst, wäre es Grausamkeit gewesen, Elisabeth Paulinens Umgang zu entziehen — allein das Frühjahr brachte die ebenbürtigen Nachbarn zurück, welche im Winter die Einsamkeit ihrer Landgüter mit dem Leben in der Residenz vertauscht hatten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0173" n="163"/> <p> Zwar sahen Elisabeths Eltern diese Freundschaft so ungern, als Paulinens Vater sie gern sah, weil es ihm immer Freude machte, wo er die Aristokratie der Geburt sich vor der seinen, vor der des Geldes, demüthigen sah. Aber wie oft auch Anfangs die Gräfin sanfte Vorstellungen an Elisabeth versuchte, in welchen sie Pauline als einen unpassenden Umgang schilderte — Elisabeth erklärte fest und bestimmt, daß sie dieser Freundin nie entsagen werde — und so war Pauline auf Schloß Hohenthal vorgestellt und hatte immer freien Zutritt. Die Gräfin war zu hoch und fein gebildet, um je dem bürgerlichen Mädchen merken zu lassen, daß seine Gegenwart ihr unangenehm sei — sie behandelte es immer mit zuvorkommender Herablassung, aber zugleich mit kalter Förmlichkeit. Von dem Grafen galt dasselbe.</p> <p>Uebrigens hatte man im Schloß den Winter ganz einsam verlebt. Nur Rittmeister von Waldow war mit seiner Gattin öfter gekommen — ein langweiliges, unbedeutendes, langsam alterndes Ehepaar — und einige andere alte aristokratische Herren, welche in der Nähe lebten, und an einem bestimmten Abend zum Spiel mit dem Grafen kamen. Unter diesen langweiligen Verhältnissen, fühlte die Gräfin selbst, wäre es Grausamkeit gewesen, Elisabeth Paulinens Umgang zu entziehen — allein das Frühjahr brachte die ebenbürtigen Nachbarn zurück, welche im Winter die Einsamkeit ihrer Landgüter mit dem Leben in der Residenz vertauscht hatten.</p> </div> </body> </text> </TEI> [163/0173]
Zwar sahen Elisabeths Eltern diese Freundschaft so ungern, als Paulinens Vater sie gern sah, weil es ihm immer Freude machte, wo er die Aristokratie der Geburt sich vor der seinen, vor der des Geldes, demüthigen sah. Aber wie oft auch Anfangs die Gräfin sanfte Vorstellungen an Elisabeth versuchte, in welchen sie Pauline als einen unpassenden Umgang schilderte — Elisabeth erklärte fest und bestimmt, daß sie dieser Freundin nie entsagen werde — und so war Pauline auf Schloß Hohenthal vorgestellt und hatte immer freien Zutritt. Die Gräfin war zu hoch und fein gebildet, um je dem bürgerlichen Mädchen merken zu lassen, daß seine Gegenwart ihr unangenehm sei — sie behandelte es immer mit zuvorkommender Herablassung, aber zugleich mit kalter Förmlichkeit. Von dem Grafen galt dasselbe.
Uebrigens hatte man im Schloß den Winter ganz einsam verlebt. Nur Rittmeister von Waldow war mit seiner Gattin öfter gekommen — ein langweiliges, unbedeutendes, langsam alterndes Ehepaar — und einige andere alte aristokratische Herren, welche in der Nähe lebten, und an einem bestimmten Abend zum Spiel mit dem Grafen kamen. Unter diesen langweiligen Verhältnissen, fühlte die Gräfin selbst, wäre es Grausamkeit gewesen, Elisabeth Paulinens Umgang zu entziehen — allein das Frühjahr brachte die ebenbürtigen Nachbarn zurück, welche im Winter die Einsamkeit ihrer Landgüter mit dem Leben in der Residenz vertauscht hatten.
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