Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

früh und schnell, so daß die, welche ihre Erziehung leiteten, dies Geschäft dennoch belohnend fanden, obwohl Elisabeth immer eigenwillig, oft herrisch sich gegen sie zeigte und zeigen durfte. So war sie siebzehn Jahr alt geworden, als eine Verwandte ihrer Mutter, Baronin von Treffurth, mit ihrer Tochter Aurelie auf einige Zeit nach Hohenthal zu Besuch kam. Aurelie war zwei Jahr jünger als Elisabeth, weniger schön, weniger talentvoll und lernbegierig als diese -- aber lebendiger, kindlicher, heitrer. Frau von Treffurth bewohnte ebenfalls ein einsames Landgut und hatte deshalb beschlossen, die Erziehung ihrer ältesten Tochter in dem ersten Institut der Residenz vollenden zu lassen. Aureliens Abgang dahin war bereits bestimmt, und da sie und Elisabeth einander liebgewonnen hatten, so gab die Letztere bald den Wunsch zu erkennen, das elterliche Schloß auf einige Zeit mit jenem Institut zu vertauschen. Gräfin Hohenthal vernahm dies mit Freuden, denn sie hoffte auf diese Weise vielleicht den stolzen Eigenwillen ihrer Tochter brechen und im Kreise gleichfühlender Gespielinnen sie sanfter und zufriedener werden zu sehen, wie sie bis jetzt war.

So kam es, daß Elisabeth und Aurelie in Nollins Institut zusammen waren.

Als Elisabeth bei ihrer Ankunft sich die Namen ihrer Gefährtinnen hatte nennen lassen, ward bei jedem derselben ein "Comtesse" -- "Baronesse" u.s.w. vorgesetzt, nur

früh und schnell, so daß die, welche ihre Erziehung leiteten, dies Geschäft dennoch belohnend fanden, obwohl Elisabeth immer eigenwillig, oft herrisch sich gegen sie zeigte und zeigen durfte. So war sie siebzehn Jahr alt geworden, als eine Verwandte ihrer Mutter, Baronin von Treffurth, mit ihrer Tochter Aurelie auf einige Zeit nach Hohenthal zu Besuch kam. Aurelie war zwei Jahr jünger als Elisabeth, weniger schön, weniger talentvoll und lernbegierig als diese — aber lebendiger, kindlicher, heitrer. Frau von Treffurth bewohnte ebenfalls ein einsames Landgut und hatte deshalb beschlossen, die Erziehung ihrer ältesten Tochter in dem ersten Institut der Residenz vollenden zu lassen. Aureliens Abgang dahin war bereits bestimmt, und da sie und Elisabeth einander liebgewonnen hatten, so gab die Letztere bald den Wunsch zu erkennen, das elterliche Schloß auf einige Zeit mit jenem Institut zu vertauschen. Gräfin Hohenthal vernahm dies mit Freuden, denn sie hoffte auf diese Weise vielleicht den stolzen Eigenwillen ihrer Tochter brechen und im Kreise gleichfühlender Gespielinnen sie sanfter und zufriedener werden zu sehen, wie sie bis jetzt war.

So kam es, daß Elisabeth und Aurelie in Nollins Institut zusammen waren.

Als Elisabeth bei ihrer Ankunft sich die Namen ihrer Gefährtinnen hatte nennen lassen, ward bei jedem derselben ein „Comtesse“ — „Baronesse“ u.s.w. vorgesetzt, nur

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0025" n="15"/>
früh und schnell, so daß die, welche ihre Erziehung leiteten, dies Geschäft dennoch belohnend fanden, obwohl Elisabeth immer eigenwillig, oft herrisch sich gegen sie zeigte und zeigen durfte. So war sie siebzehn Jahr alt geworden, als eine Verwandte ihrer Mutter, Baronin von Treffurth, mit ihrer Tochter Aurelie auf einige Zeit nach Hohenthal zu Besuch kam. Aurelie war zwei Jahr jünger als Elisabeth, weniger schön, weniger talentvoll und lernbegierig als diese &#x2014; aber lebendiger, kindlicher, heitrer. Frau von Treffurth bewohnte ebenfalls ein einsames Landgut und hatte deshalb beschlossen, die Erziehung ihrer ältesten Tochter in dem ersten Institut der Residenz vollenden zu lassen. Aureliens Abgang dahin war bereits bestimmt, und da sie und Elisabeth einander liebgewonnen hatten, so gab die Letztere bald den Wunsch zu erkennen, das elterliche Schloß auf einige Zeit mit jenem Institut zu vertauschen. Gräfin Hohenthal vernahm dies mit Freuden, denn sie hoffte auf diese Weise vielleicht den stolzen Eigenwillen ihrer Tochter brechen und im Kreise gleichfühlender Gespielinnen sie sanfter und zufriedener werden zu sehen, wie sie bis jetzt war.</p>
        <p>So kam es, daß Elisabeth und Aurelie in Nollins Institut zusammen waren.</p>
        <p>Als Elisabeth bei ihrer Ankunft sich die Namen ihrer Gefährtinnen hatte nennen lassen, ward bei jedem derselben ein &#x201E;Comtesse&#x201C; &#x2014; &#x201E;Baronesse&#x201C; u.s.w. vorgesetzt, nur
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0025] früh und schnell, so daß die, welche ihre Erziehung leiteten, dies Geschäft dennoch belohnend fanden, obwohl Elisabeth immer eigenwillig, oft herrisch sich gegen sie zeigte und zeigen durfte. So war sie siebzehn Jahr alt geworden, als eine Verwandte ihrer Mutter, Baronin von Treffurth, mit ihrer Tochter Aurelie auf einige Zeit nach Hohenthal zu Besuch kam. Aurelie war zwei Jahr jünger als Elisabeth, weniger schön, weniger talentvoll und lernbegierig als diese — aber lebendiger, kindlicher, heitrer. Frau von Treffurth bewohnte ebenfalls ein einsames Landgut und hatte deshalb beschlossen, die Erziehung ihrer ältesten Tochter in dem ersten Institut der Residenz vollenden zu lassen. Aureliens Abgang dahin war bereits bestimmt, und da sie und Elisabeth einander liebgewonnen hatten, so gab die Letztere bald den Wunsch zu erkennen, das elterliche Schloß auf einige Zeit mit jenem Institut zu vertauschen. Gräfin Hohenthal vernahm dies mit Freuden, denn sie hoffte auf diese Weise vielleicht den stolzen Eigenwillen ihrer Tochter brechen und im Kreise gleichfühlender Gespielinnen sie sanfter und zufriedener werden zu sehen, wie sie bis jetzt war. So kam es, daß Elisabeth und Aurelie in Nollins Institut zusammen waren. Als Elisabeth bei ihrer Ankunft sich die Namen ihrer Gefährtinnen hatte nennen lassen, ward bei jedem derselben ein „Comtesse“ — „Baronesse“ u.s.w. vorgesetzt, nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-23T11:52:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-23T11:52:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/25
Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/25>, abgerufen am 23.11.2024.