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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

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Als sie zur Vorhausthüre heraustraten, kam der Briesträger die Treppe herauf. "Von der Stadtpost," sagte er, und gab Jaromir einen Brief.

"Eine unbekannte Hand und ein T im Siegel --" bemerkte der Empfänger. --

"Eine unbekannte Hand -- das ist in den meisten Fällen interessant, wenn es nicht von einem unsrer Handwerksleute und Lieferanten kommt -- doch die Mahnbriefe sind immer unfrankirt. Es scheint eine niedliche Damenhand zu sein -- so öffnen Sie doch nur, ich bin ungeheuer neugierig."

"Nein, das ist eine Theologenhand," sagte Jaromir, der in Folge eines unerklärlichen Gefühls sich beinahe scheute, den Brief zu öffnen und ihn sinnend in der Hand hielt. Endlich war das Siegel gelös't. Er las:

"Klingt Ihnen der Name Amalie noch bekannt? Amalie, die Sie einst liebten, ist eine Sterbende, und hat auf dieser Welt nur noch den einen Wunsch, sich sterbend mit Ihnen zu versöhnen, Ihre Vergebung zu erlangen. Wenn Ihnen je der letzte Wunsch einer Sterbenden heilig war, so kommen Sie heut' Nachmittag zwischen 4 und 6 Uhr in die Klosterstraße Nr. 18, zwei Treppen, links, wo Sie an der Thüre den Namen finden: Doctor Thalheim."

Eine ganze Vergangenheit wachte plötzlich vor Jaromir auf -- er starrte regungslos auf das Papier, und stand

Als sie zur Vorhausthüre heraustraten, kam der Briesträger die Treppe herauf. „Von der Stadtpost,“ sagte er, und gab Jaromir einen Brief.

„Eine unbekannte Hand und ein T im Siegel —“ bemerkte der Empfänger. —

„Eine unbekannte Hand — das ist in den meisten Fällen interessant, wenn es nicht von einem unsrer Handwerksleute und Lieferanten kommt — doch die Mahnbriefe sind immer unfrankirt. Es scheint eine niedliche Damenhand zu sein — so öffnen Sie doch nur, ich bin ungeheuer neugierig.“

„Nein, das ist eine Theologenhand,“ sagte Jaromir, der in Folge eines unerklärlichen Gefühls sich beinahe scheute, den Brief zu öffnen und ihn sinnend in der Hand hielt. Endlich war das Siegel gelös’t. Er las:

„Klingt Ihnen der Name Amalie noch bekannt? Amalie, die Sie einst liebten, ist eine Sterbende, und hat auf dieser Welt nur noch den einen Wunsch, sich sterbend mit Ihnen zu versöhnen, Ihre Vergebung zu erlangen. Wenn Ihnen je der letzte Wunsch einer Sterbenden heilig war, so kommen Sie heut’ Nachmittag zwischen 4 und 6 Uhr in die Klosterstraße Nr. 18, zwei Treppen, links, wo Sie an der Thüre den Namen finden: Doctor Thalheim.“

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[40/0050] Als sie zur Vorhausthüre heraustraten, kam der Briesträger die Treppe herauf. „Von der Stadtpost,“ sagte er, und gab Jaromir einen Brief. „Eine unbekannte Hand und ein T im Siegel —“ bemerkte der Empfänger. — „Eine unbekannte Hand — das ist in den meisten Fällen interessant, wenn es nicht von einem unsrer Handwerksleute und Lieferanten kommt — doch die Mahnbriefe sind immer unfrankirt. Es scheint eine niedliche Damenhand zu sein — so öffnen Sie doch nur, ich bin ungeheuer neugierig.“ „Nein, das ist eine Theologenhand,“ sagte Jaromir, der in Folge eines unerklärlichen Gefühls sich beinahe scheute, den Brief zu öffnen und ihn sinnend in der Hand hielt. Endlich war das Siegel gelös’t. Er las: „Klingt Ihnen der Name Amalie noch bekannt? Amalie, die Sie einst liebten, ist eine Sterbende, und hat auf dieser Welt nur noch den einen Wunsch, sich sterbend mit Ihnen zu versöhnen, Ihre Vergebung zu erlangen. Wenn Ihnen je der letzte Wunsch einer Sterbenden heilig war, so kommen Sie heut’ Nachmittag zwischen 4 und 6 Uhr in die Klosterstraße Nr. 18, zwei Treppen, links, wo Sie an der Thüre den Namen finden: Doctor Thalheim.“ Eine ganze Vergangenheit wachte plötzlich vor Jaromir auf — er starrte regungslos auf das Papier, und stand

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/50>, abgerufen am 21.11.2024.