Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.dieses selbst erschien ihm jetzt als nichts Anderes, als eine ungeheure Lüge. Er schickte Amalien ihren Ring wieder, ohne ein Wort des Vorwurfs, ohne irgend eine Erklärung -- sie war seinem stolzen, edlen Herzen plötzlich so verächtlich, als sie ihm erst theuer gewesen. Er suchte jeden Gedanken an sie zu verbannen -- -- aber wie nun die tödtende Leere ausfüllen, die dadurch in seinem Innern, in seinem ganzen Leben entstand? Er stürzte sich in einen Strudel von Zerstreuungen, er trank und spielte, und wenn der Schlaf nach durchschwärmten Nächten auf ihn herabsank, so fand er ihn selten nüchtern. Wenn er schreiben wollte wie sonst, und er allein in seiner stillen Stube saß -- da stand Amaliens Bild plötzlich vor ihm, und er schaute es liebesselig an wie sonst -- aber dann besann er sich, daß das Alles ja vorüber und Nichts gewesen sei, als ein langer Betrug, und sprang auf, floh das Nachdenken, floh die Einsamkeit, um nur auch ihrem Bild zu entrinnen, und suchte wieder den goldnen Stern der Vergessenheit im goldnen Wein, Dies wilde Leben stürzte ihn in Schulden, er hatte bald mit der entsetzlichsten Noth, den peinlichsten Sorgen zu kämpfen. Da erhielt er einen Brief seines Oheims. Ein Verwandter Jaromirs in Rußland hatte diesem geschrieben. Jaromirs Standesherrschaft war der Russischen Krone verfallen, und er selbst durfte nicht wieder dahin zurückkehren, aber der Verwandte, der auf Rassischer Seite dieses selbst erschien ihm jetzt als nichts Anderes, als eine ungeheure Lüge. Er schickte Amalien ihren Ring wieder, ohne ein Wort des Vorwurfs, ohne irgend eine Erklärung — sie war seinem stolzen, edlen Herzen plötzlich so verächtlich, als sie ihm erst theuer gewesen. Er suchte jeden Gedanken an sie zu verbannen — — aber wie nun die tödtende Leere ausfüllen, die dadurch in seinem Innern, in seinem ganzen Leben entstand? Er stürzte sich in einen Strudel von Zerstreuungen, er trank und spielte, und wenn der Schlaf nach durchschwärmten Nächten auf ihn herabsank, so fand er ihn selten nüchtern. Wenn er schreiben wollte wie sonst, und er allein in seiner stillen Stube saß — da stand Amaliens Bild plötzlich vor ihm, und er schaute es liebesselig an wie sonst — aber dann besann er sich, daß das Alles ja vorüber und Nichts gewesen sei, als ein langer Betrug, und sprang auf, floh das Nachdenken, floh die Einsamkeit, um nur auch ihrem Bild zu entrinnen, und suchte wieder den goldnen Stern der Vergessenheit im goldnen Wein, Dies wilde Leben stürzte ihn in Schulden, er hatte bald mit der entsetzlichsten Noth, den peinlichsten Sorgen zu kämpfen. Da erhielt er einen Brief seines Oheims. Ein Verwandter Jaromirs in Rußland hatte diesem geschrieben. Jaromirs Standesherrschaft war der Russischen Krone verfallen, und er selbst durfte nicht wieder dahin zurückkehren, aber der Verwandte, der auf Rassischer Seite <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0059" n="49"/> dieses selbst erschien ihm jetzt als nichts Anderes, als eine ungeheure Lüge. Er schickte Amalien ihren Ring wieder, ohne ein Wort des Vorwurfs, ohne irgend eine Erklärung — sie war seinem stolzen, edlen Herzen plötzlich so verächtlich, als sie ihm erst theuer gewesen. Er suchte jeden Gedanken an sie zu verbannen — — aber wie nun die tödtende Leere ausfüllen, die dadurch in seinem Innern, in seinem ganzen Leben entstand? Er stürzte sich in einen Strudel von Zerstreuungen, er trank und spielte, und wenn der Schlaf nach durchschwärmten Nächten auf ihn herabsank, so fand er ihn selten nüchtern. Wenn er schreiben wollte wie sonst, und er allein in seiner stillen Stube saß — da stand Amaliens Bild plötzlich vor ihm, und er schaute es liebesselig an wie sonst — aber dann besann er sich, daß das Alles ja vorüber und Nichts gewesen sei, als ein langer Betrug, und sprang auf, floh das Nachdenken, floh die Einsamkeit, um nur auch ihrem Bild zu entrinnen, und suchte wieder den goldnen Stern der Vergessenheit im goldnen Wein, Dies wilde Leben stürzte ihn in Schulden, er hatte bald mit der entsetzlichsten Noth, den peinlichsten Sorgen zu kämpfen. Da erhielt er einen Brief seines Oheims. Ein Verwandter Jaromirs in Rußland hatte diesem geschrieben. Jaromirs Standesherrschaft war der Russischen Krone verfallen, und er selbst durfte nicht wieder dahin zurückkehren, aber der Verwandte, der auf Rassischer Seite </p> </div> </body> </text> </TEI> [49/0059]
dieses selbst erschien ihm jetzt als nichts Anderes, als eine ungeheure Lüge. Er schickte Amalien ihren Ring wieder, ohne ein Wort des Vorwurfs, ohne irgend eine Erklärung — sie war seinem stolzen, edlen Herzen plötzlich so verächtlich, als sie ihm erst theuer gewesen. Er suchte jeden Gedanken an sie zu verbannen — — aber wie nun die tödtende Leere ausfüllen, die dadurch in seinem Innern, in seinem ganzen Leben entstand? Er stürzte sich in einen Strudel von Zerstreuungen, er trank und spielte, und wenn der Schlaf nach durchschwärmten Nächten auf ihn herabsank, so fand er ihn selten nüchtern. Wenn er schreiben wollte wie sonst, und er allein in seiner stillen Stube saß — da stand Amaliens Bild plötzlich vor ihm, und er schaute es liebesselig an wie sonst — aber dann besann er sich, daß das Alles ja vorüber und Nichts gewesen sei, als ein langer Betrug, und sprang auf, floh das Nachdenken, floh die Einsamkeit, um nur auch ihrem Bild zu entrinnen, und suchte wieder den goldnen Stern der Vergessenheit im goldnen Wein, Dies wilde Leben stürzte ihn in Schulden, er hatte bald mit der entsetzlichsten Noth, den peinlichsten Sorgen zu kämpfen. Da erhielt er einen Brief seines Oheims. Ein Verwandter Jaromirs in Rußland hatte diesem geschrieben. Jaromirs Standesherrschaft war der Russischen Krone verfallen, und er selbst durfte nicht wieder dahin zurückkehren, aber der Verwandte, der auf Rassischer Seite
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