Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.Sache auf sich beruhen, und vergaß sie bald in den ersten frohen Tagen zärtlichen Wiedersehens. Aber Wochen waren vergangen, und Jaromir erlag wieder dem Dämon, der ihn unaufhörlich verfolgte, seitdem er in der vornehmen Welt lebte: der Langeweile. Auch Bella war ihm langweilig geworden. In solcher Stimmung erhielt er Thalheims Billet. Er las den Namen: Amalie -- und die Erinnerungen seiner frühen Jugend wachten wieder auf. Nicht Amaliens Bild war es, was ihn jetzt am Meisten bewegte, denn er hatte längst aufgehört, sie zu lieben -- ihn bewegte das Bild dessen, der er selbst in jenen Tagen gewesen war: glücklich und zufrieden bei allen Sorgen, denn er nannte ein Herz sein, für das er sich mühen, und an dem er dann ausruhen konnte -- er hatte stolz und selbstbewußt in's Leben schauen können -- er hatte markige Jugend- und Geisteskraft in sich gefühlt, die ganze Welt zu erobern, er hatte sich vertrauend in die Arme des bewegten Lebens geworfen, und fröhlich auf die eigne Kraft gebaut -- er hatte wohl Schmerz und Kümmerniß empfunden -- aber nie Langeweile -- er hatte nie mit seinen Gefühlen gespielt, nie über das eigne Herz sich lustig gemacht, wie er es jetzt so oft that. Und er streckte jetzt sehnend seine Arme aus nach dieser Vergangenheit, und er hatte sie für ewig verloren. Sache auf sich beruhen, und vergaß sie bald in den ersten frohen Tagen zärtlichen Wiedersehens. Aber Wochen waren vergangen, und Jaromir erlag wieder dem Dämon, der ihn unaufhörlich verfolgte, seitdem er in der vornehmen Welt lebte: der Langeweile. Auch Bella war ihm langweilig geworden. In solcher Stimmung erhielt er Thalheims Billet. Er las den Namen: Amalie — und die Erinnerungen seiner frühen Jugend wachten wieder auf. Nicht Amaliens Bild war es, was ihn jetzt am Meisten bewegte, denn er hatte längst aufgehört, sie zu lieben — ihn bewegte das Bild dessen, der er selbst in jenen Tagen gewesen war: glücklich und zufrieden bei allen Sorgen, denn er nannte ein Herz sein, für das er sich mühen, und an dem er dann ausruhen konnte — er hatte stolz und selbstbewußt in’s Leben schauen können — er hatte markige Jugend- und Geisteskraft in sich gefühlt, die ganze Welt zu erobern, er hatte sich vertrauend in die Arme des bewegten Lebens geworfen, und fröhlich auf die eigne Kraft gebaut — er hatte wohl Schmerz und Kümmerniß empfunden — aber nie Langeweile — er hatte nie mit seinen Gefühlen gespielt, nie über das eigne Herz sich lustig gemacht, wie er es jetzt so oft that. Und er streckte jetzt sehnend seine Arme aus nach dieser Vergangenheit, und er hatte sie für ewig verloren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0066" n="56"/> Sache auf sich beruhen, und vergaß sie bald in den ersten frohen Tagen zärtlichen Wiedersehens. Aber Wochen waren vergangen, und Jaromir erlag wieder dem Dämon, der ihn unaufhörlich verfolgte, seitdem er in der vornehmen Welt lebte: der Langeweile. Auch Bella war ihm langweilig geworden.</p> <p>In solcher Stimmung erhielt er Thalheims Billet.</p> <p>Er las den Namen: Amalie — und die Erinnerungen seiner frühen Jugend wachten wieder auf.</p> <p>Nicht Amaliens Bild war es, was ihn jetzt am Meisten bewegte, denn er hatte längst aufgehört, sie zu lieben — ihn bewegte das Bild dessen, der er selbst in jenen Tagen gewesen war: glücklich und zufrieden bei allen Sorgen, denn er nannte ein Herz sein, für das er sich mühen, und an dem er dann ausruhen konnte — er hatte stolz und selbstbewußt in’s Leben schauen können — er hatte markige Jugend- und Geisteskraft in sich gefühlt, die ganze Welt zu erobern, er hatte sich vertrauend in die Arme des bewegten Lebens geworfen, und fröhlich auf die eigne Kraft gebaut — er hatte wohl Schmerz und Kümmerniß empfunden — aber nie Langeweile — er hatte nie mit seinen Gefühlen gespielt, nie über das eigne Herz sich lustig gemacht, wie er es jetzt so oft that.</p> <p>Und er streckte jetzt sehnend seine Arme aus nach dieser Vergangenheit, und er hatte sie für ewig verloren.</p> </div> </body> </text> </TEI> [56/0066]
Sache auf sich beruhen, und vergaß sie bald in den ersten frohen Tagen zärtlichen Wiedersehens. Aber Wochen waren vergangen, und Jaromir erlag wieder dem Dämon, der ihn unaufhörlich verfolgte, seitdem er in der vornehmen Welt lebte: der Langeweile. Auch Bella war ihm langweilig geworden.
In solcher Stimmung erhielt er Thalheims Billet.
Er las den Namen: Amalie — und die Erinnerungen seiner frühen Jugend wachten wieder auf.
Nicht Amaliens Bild war es, was ihn jetzt am Meisten bewegte, denn er hatte längst aufgehört, sie zu lieben — ihn bewegte das Bild dessen, der er selbst in jenen Tagen gewesen war: glücklich und zufrieden bei allen Sorgen, denn er nannte ein Herz sein, für das er sich mühen, und an dem er dann ausruhen konnte — er hatte stolz und selbstbewußt in’s Leben schauen können — er hatte markige Jugend- und Geisteskraft in sich gefühlt, die ganze Welt zu erobern, er hatte sich vertrauend in die Arme des bewegten Lebens geworfen, und fröhlich auf die eigne Kraft gebaut — er hatte wohl Schmerz und Kümmerniß empfunden — aber nie Langeweile — er hatte nie mit seinen Gefühlen gespielt, nie über das eigne Herz sich lustig gemacht, wie er es jetzt so oft that.
Und er streckte jetzt sehnend seine Arme aus nach dieser Vergangenheit, und er hatte sie für ewig verloren.
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