Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.-- dieses stete Ringen in einem zuckenden Herzen, das es sich selbst nicht einmal wissen lassen will, wie es stündlich kämpft -- dieses Ringen, das vielleicht nur die Frau mit seinen ganzen gräßlichen Qualen ganz verstehen kann, welche selbst an einen Mann gefesselt ist, den sie hochachten muß, aber für den ihr Herz sich vergebens bemüht, Liebe zu empfinden -- vielleicht hatte dieses Ringen Amalien schon vor ihrer Krankheit verändert. Es hatte ihr inneres Leben verbittert -- und dieses Verbittertsein prägte sich deutlich auf ihrem Gesicht aus, ihr Charakter war heftig und herrisch geworden, und dadurch, daß sie für Alles, was sie im Stillen litt, Niemand und nichts Anders verklagen konnte, als sich selbst, so nagte das Bewußtsein, nur selbst verschuldetes Weh zu tragen, und zwar durch Leichtsinn und Unrecht verschuldetes, nur um so zehrender an ihrem Innern. -- Und weder dies Bewußtsein, noch die Reue, die sie verbergen mußte, war geeignet, sie ergeben und friedlich zu machen -- sondern sie ward dadurch nur immer heftiger -- und so war auch aus ihrem Antlitz längst jede Spur von Milde und Friede gewichen -- ein unheimliches Etwas, das immer Unzufriedenheit und Unbehagen ausdrückte, war an dessen Stelle getreten. Anderen Frauen verleiht die Mutterwürde und das Mutterglück einen neuen, oft einen heiligen Zauber, auch dem Aeußeren, besonders dem Ausdruck der Züge -- bei Amalien war das nicht so. Sie liebte ihr — dieses stete Ringen in einem zuckenden Herzen, das es sich selbst nicht einmal wissen lassen will, wie es stündlich kämpft — dieses Ringen, das vielleicht nur die Frau mit seinen ganzen gräßlichen Qualen ganz verstehen kann, welche selbst an einen Mann gefesselt ist, den sie hochachten muß, aber für den ihr Herz sich vergebens bemüht, Liebe zu empfinden — vielleicht hatte dieses Ringen Amalien schon vor ihrer Krankheit verändert. Es hatte ihr inneres Leben verbittert — und dieses Verbittertsein prägte sich deutlich auf ihrem Gesicht aus, ihr Charakter war heftig und herrisch geworden, und dadurch, daß sie für Alles, was sie im Stillen litt, Niemand und nichts Anders verklagen konnte, als sich selbst, so nagte das Bewußtsein, nur selbst verschuldetes Weh zu tragen, und zwar durch Leichtsinn und Unrecht verschuldetes, nur um so zehrender an ihrem Innern. — Und weder dies Bewußtsein, noch die Reue, die sie verbergen mußte, war geeignet, sie ergeben und friedlich zu machen — sondern sie ward dadurch nur immer heftiger — und so war auch aus ihrem Antlitz längst jede Spur von Milde und Friede gewichen — ein unheimliches Etwas, das immer Unzufriedenheit und Unbehagen ausdrückte, war an dessen Stelle getreten. Anderen Frauen verleiht die Mutterwürde und das Mutterglück einen neuen, oft einen heiligen Zauber, auch dem Aeußeren, besonders dem Ausdruck der Züge — bei Amalien war das nicht so. Sie liebte ihr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0082" n="72"/> — dieses stete Ringen in einem zuckenden Herzen, das es sich selbst nicht einmal wissen lassen will, wie es stündlich kämpft — dieses Ringen, das vielleicht nur die Frau mit seinen ganzen gräßlichen Qualen ganz verstehen kann, welche selbst an einen Mann gefesselt ist, den sie hochachten muß, aber für den ihr Herz sich vergebens bemüht, Liebe zu empfinden — vielleicht hatte dieses Ringen Amalien schon vor ihrer Krankheit verändert. Es hatte ihr inneres Leben verbittert — und dieses Verbittertsein prägte sich deutlich auf ihrem Gesicht aus, ihr Charakter war heftig und herrisch geworden, und dadurch, daß sie für Alles, was sie im Stillen litt, Niemand und nichts Anders verklagen konnte, als sich selbst, so nagte das Bewußtsein, nur selbst verschuldetes Weh zu tragen, und zwar durch Leichtsinn und Unrecht verschuldetes, nur um so zehrender an ihrem Innern. — Und weder dies Bewußtsein, noch die Reue, die sie verbergen mußte, war geeignet, sie ergeben und friedlich zu machen — sondern sie ward dadurch nur immer heftiger — und so war auch aus ihrem Antlitz längst jede Spur von Milde und Friede gewichen — ein unheimliches Etwas, das immer Unzufriedenheit und Unbehagen ausdrückte, war an dessen Stelle getreten. Anderen Frauen verleiht die Mutterwürde und das Mutterglück einen neuen, oft einen heiligen Zauber, auch dem Aeußeren, besonders dem Ausdruck der Züge — bei Amalien war das nicht so. Sie liebte ihr </p> </div> </body> </text> </TEI> [72/0082]
— dieses stete Ringen in einem zuckenden Herzen, das es sich selbst nicht einmal wissen lassen will, wie es stündlich kämpft — dieses Ringen, das vielleicht nur die Frau mit seinen ganzen gräßlichen Qualen ganz verstehen kann, welche selbst an einen Mann gefesselt ist, den sie hochachten muß, aber für den ihr Herz sich vergebens bemüht, Liebe zu empfinden — vielleicht hatte dieses Ringen Amalien schon vor ihrer Krankheit verändert. Es hatte ihr inneres Leben verbittert — und dieses Verbittertsein prägte sich deutlich auf ihrem Gesicht aus, ihr Charakter war heftig und herrisch geworden, und dadurch, daß sie für Alles, was sie im Stillen litt, Niemand und nichts Anders verklagen konnte, als sich selbst, so nagte das Bewußtsein, nur selbst verschuldetes Weh zu tragen, und zwar durch Leichtsinn und Unrecht verschuldetes, nur um so zehrender an ihrem Innern. — Und weder dies Bewußtsein, noch die Reue, die sie verbergen mußte, war geeignet, sie ergeben und friedlich zu machen — sondern sie ward dadurch nur immer heftiger — und so war auch aus ihrem Antlitz längst jede Spur von Milde und Friede gewichen — ein unheimliches Etwas, das immer Unzufriedenheit und Unbehagen ausdrückte, war an dessen Stelle getreten. Anderen Frauen verleiht die Mutterwürde und das Mutterglück einen neuen, oft einen heiligen Zauber, auch dem Aeußeren, besonders dem Ausdruck der Züge — bei Amalien war das nicht so. Sie liebte ihr
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-08-23T11:52:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-08-23T11:52:15Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |