Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.der neben ihr wohnenden Blumenfabrikantin den ersten Besuch gemacht hatte, und bei die ser unverholen klagte über die tägliche häusliche Noth, kam die Sängerin Bella auch herab, um für sich selbst einen Blumenschmuck auszuwählen. Henriette Krauß war geschwätzig und gutmüthig zugleich, und erzählte Bella im Nebenzimmer, wie krank Amalie gewesen, und in welche Noth sie dadurch gekommen, und bat zugleich um eine Unterstützung für sie. Bella war leicht gerührt und immer überaus wohlthätig, sobald ihr dies keine große Mühe machte. Ihre Wohlthaten ertheilte sie immer auf eine einfache, vertrauliche und deshalb ungewöhnliche Weise. Sie schrieb einfach an Amalie: "Die Glücksgüter auf der Erde sind ungleich vertheilt. Indem ich mir einen Abend das Vergnügen mache, öffentlich zu singen, verdiene ich zuweilen Hunderte. -- Andere vermögen dies bei angestrengter Arbeit in Jahren nicht. Ich halte es also für meine Pflicht, wenigstens im Kleinen für eine Ausgleichung dieser Ungleichheiten zu sorgen, und da ich gehört habe, daß Sie minder glücklich sind, als ich, bitte ich, die beifolgende Kleinigkeit von meinem Ueberfluß anzunehmen. Lassen Sie aber von dem, was zwei Frauen unter sich ausmachen, keinen Mann etwas wissen, der männliche Stolz hat für mich oft etwas Beleidigendes. Wenn Sie der neben ihr wohnenden Blumenfabrikantin den ersten Besuch gemacht hatte, und bei die ser unverholen klagte über die tägliche häusliche Noth, kam die Sängerin Bella auch herab, um für sich selbst einen Blumenschmuck auszuwählen. Henriette Krauß war geschwätzig und gutmüthig zugleich, und erzählte Bella im Nebenzimmer, wie krank Amalie gewesen, und in welche Noth sie dadurch gekommen, und bat zugleich um eine Unterstützung für sie. Bella war leicht gerührt und immer überaus wohlthätig, sobald ihr dies keine große Mühe machte. Ihre Wohlthaten ertheilte sie immer auf eine einfache, vertrauliche und deshalb ungewöhnliche Weise. Sie schrieb einfach an Amalie: „Die Glücksgüter auf der Erde sind ungleich vertheilt. Indem ich mir einen Abend das Vergnügen mache, öffentlich zu singen, verdiene ich zuweilen Hunderte. — Andere vermögen dies bei angestrengter Arbeit in Jahren nicht. Ich halte es also für meine Pflicht, wenigstens im Kleinen für eine Ausgleichung dieser Ungleichheiten zu sorgen, und da ich gehört habe, daß Sie minder glücklich sind, als ich, bitte ich, die beifolgende Kleinigkeit von meinem Ueberfluß anzunehmen. Lassen Sie aber von dem, was zwei Frauen unter sich ausmachen, keinen Mann etwas wissen, der männliche Stolz hat für mich oft etwas Beleidigendes. Wenn Sie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0094" n="84"/> der neben ihr wohnenden Blumenfabrikantin den ersten Besuch gemacht hatte, und bei die ser unverholen klagte über die tägliche häusliche Noth, kam die Sängerin Bella auch herab, um für sich selbst einen Blumenschmuck auszuwählen.</p> <p>Henriette Krauß war geschwätzig und gutmüthig zugleich, und erzählte Bella im Nebenzimmer, wie krank Amalie gewesen, und in welche Noth sie dadurch gekommen, und bat zugleich um eine Unterstützung für sie. Bella war leicht gerührt und immer überaus wohlthätig, sobald ihr dies keine große Mühe machte. Ihre Wohlthaten ertheilte sie immer auf eine einfache, vertrauliche und deshalb ungewöhnliche Weise. Sie schrieb einfach an Amalie:</p> <p>„Die Glücksgüter auf der Erde sind ungleich vertheilt. Indem ich mir einen Abend das Vergnügen mache, öffentlich zu singen, verdiene ich zuweilen Hunderte. — Andere vermögen dies bei angestrengter Arbeit in Jahren nicht. Ich halte es also für meine Pflicht, wenigstens im Kleinen für eine Ausgleichung dieser Ungleichheiten zu sorgen, und da ich gehört habe, daß Sie minder glücklich sind, als ich, bitte ich, die beifolgende Kleinigkeit von meinem Ueberfluß anzunehmen. Lassen Sie aber von dem, was zwei Frauen unter sich ausmachen, keinen Mann etwas wissen, der männliche Stolz hat für mich oft etwas Beleidigendes. Wenn Sie </p> </div> </body> </text> </TEI> [84/0094]
der neben ihr wohnenden Blumenfabrikantin den ersten Besuch gemacht hatte, und bei die ser unverholen klagte über die tägliche häusliche Noth, kam die Sängerin Bella auch herab, um für sich selbst einen Blumenschmuck auszuwählen.
Henriette Krauß war geschwätzig und gutmüthig zugleich, und erzählte Bella im Nebenzimmer, wie krank Amalie gewesen, und in welche Noth sie dadurch gekommen, und bat zugleich um eine Unterstützung für sie. Bella war leicht gerührt und immer überaus wohlthätig, sobald ihr dies keine große Mühe machte. Ihre Wohlthaten ertheilte sie immer auf eine einfache, vertrauliche und deshalb ungewöhnliche Weise. Sie schrieb einfach an Amalie:
„Die Glücksgüter auf der Erde sind ungleich vertheilt. Indem ich mir einen Abend das Vergnügen mache, öffentlich zu singen, verdiene ich zuweilen Hunderte. — Andere vermögen dies bei angestrengter Arbeit in Jahren nicht. Ich halte es also für meine Pflicht, wenigstens im Kleinen für eine Ausgleichung dieser Ungleichheiten zu sorgen, und da ich gehört habe, daß Sie minder glücklich sind, als ich, bitte ich, die beifolgende Kleinigkeit von meinem Ueberfluß anzunehmen. Lassen Sie aber von dem, was zwei Frauen unter sich ausmachen, keinen Mann etwas wissen, der männliche Stolz hat für mich oft etwas Beleidigendes. Wenn Sie
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