Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.eine eingetretene Kammerfrau sich um die Ohnmächtige beschäftigte. "Warum wollen Sie nun plötzlich fort?" fragte Bella. "Es ist besser, ich gehe jetzt, fragen Sie weiter nicht," antwortete Jaromir in einem sanften Tone, aber mit jenem eigenthümlichen entschiedenen Ausdruck der Stimme, welcher keinen Widerspruch gestattet. Er warf noch einen Blick zurück auf Amalie und ging. Dieser Blick brachte sie wieder zum Bewußtsein. Sie schlug in demselben Moment die Augen auf, als er die seinen eben wegwandte, und hastig das Zimmer verließ. "Er geht," flüsterte sie leise, dann suchte sie sich zu fassen, und stand auf. "Ist Ihnen schon besser?" fragte Bella, indem sie sich wieder nach ihr umgewandt hatte. "Ich bitte um Vergebung, daß ich gestört habe -- man wieß mich sogleich in dieses Zimmer, es war nicht meine Schuld, daß ich eintrat -- ich wußte nicht, daß ich noch so schwach war." Amalie sagte dies mit zitternder Stimme, aber nicht ohne leise Bitterkeit, welche der Sängerin nicht entging. Sie konnte aber eher dazu jeden anderen Grund vermuthen, als den wahren, denn wie hätte sie je glauben können, daß Jaromir, um dessen freundliches Lächeln sich so manches schöne Weib umsonst bemühte, er, der in den höchsten Zirkeln eine eingetretene Kammerfrau sich um die Ohnmächtige beschäftigte. „Warum wollen Sie nun plötzlich fort?“ fragte Bella. „Es ist besser, ich gehe jetzt, fragen Sie weiter nicht,“ antwortete Jaromir in einem sanften Tone, aber mit jenem eigenthümlichen entschiedenen Ausdruck der Stimme, welcher keinen Widerspruch gestattet. Er warf noch einen Blick zurück auf Amalie und ging. Dieser Blick brachte sie wieder zum Bewußtsein. Sie schlug in demselben Moment die Augen auf, als er die seinen eben wegwandte, und hastig das Zimmer verließ. „Er geht,“ flüsterte sie leise, dann suchte sie sich zu fassen, und stand auf. „Ist Ihnen schon besser?“ fragte Bella, indem sie sich wieder nach ihr umgewandt hatte. „Ich bitte um Vergebung, daß ich gestört habe — man wieß mich sogleich in dieses Zimmer, es war nicht meine Schuld, daß ich eintrat — ich wußte nicht, daß ich noch so schwach war.“ Amalie sagte dies mit zitternder Stimme, aber nicht ohne leise Bitterkeit, welche der Sängerin nicht entging. Sie konnte aber eher dazu jeden anderen Grund vermuthen, als den wahren, denn wie hätte sie je glauben können, daß Jaromir, um dessen freundliches Lächeln sich so manches schöne Weib umsonst bemühte, er, der in den höchsten Zirkeln <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0097" n="87"/> eine eingetretene Kammerfrau sich um die Ohnmächtige beschäftigte.</p> <p>„Warum wollen Sie nun plötzlich fort?“ fragte Bella.</p> <p>„Es ist besser, ich gehe jetzt, fragen Sie weiter nicht,“ antwortete Jaromir in einem sanften Tone, aber mit jenem eigenthümlichen entschiedenen Ausdruck der Stimme, welcher keinen Widerspruch gestattet. Er warf noch einen Blick zurück auf Amalie und ging.</p> <p>Dieser Blick brachte sie wieder zum Bewußtsein. Sie schlug in demselben Moment die Augen auf, als er die seinen eben wegwandte, und hastig das Zimmer verließ.</p> <p>„Er geht,“ flüsterte sie leise, dann suchte sie sich zu fassen, und stand auf.</p> <p>„Ist Ihnen schon besser?“ fragte Bella, indem sie sich wieder nach ihr umgewandt hatte.</p> <p>„Ich bitte um Vergebung, daß ich gestört habe — man wieß mich sogleich in dieses Zimmer, es war nicht meine Schuld, daß ich eintrat — ich wußte nicht, daß ich noch so schwach war.“</p> <p>Amalie sagte dies mit zitternder Stimme, aber nicht ohne leise Bitterkeit, welche der Sängerin nicht entging. Sie konnte aber eher dazu jeden anderen Grund vermuthen, als den wahren, denn wie hätte sie je glauben können, daß Jaromir, um dessen freundliches Lächeln sich so manches schöne Weib umsonst bemühte, er, der in den höchsten Zirkeln </p> </div> </body> </text> </TEI> [87/0097]
eine eingetretene Kammerfrau sich um die Ohnmächtige beschäftigte.
„Warum wollen Sie nun plötzlich fort?“ fragte Bella.
„Es ist besser, ich gehe jetzt, fragen Sie weiter nicht,“ antwortete Jaromir in einem sanften Tone, aber mit jenem eigenthümlichen entschiedenen Ausdruck der Stimme, welcher keinen Widerspruch gestattet. Er warf noch einen Blick zurück auf Amalie und ging.
Dieser Blick brachte sie wieder zum Bewußtsein. Sie schlug in demselben Moment die Augen auf, als er die seinen eben wegwandte, und hastig das Zimmer verließ.
„Er geht,“ flüsterte sie leise, dann suchte sie sich zu fassen, und stand auf.
„Ist Ihnen schon besser?“ fragte Bella, indem sie sich wieder nach ihr umgewandt hatte.
„Ich bitte um Vergebung, daß ich gestört habe — man wieß mich sogleich in dieses Zimmer, es war nicht meine Schuld, daß ich eintrat — ich wußte nicht, daß ich noch so schwach war.“
Amalie sagte dies mit zitternder Stimme, aber nicht ohne leise Bitterkeit, welche der Sängerin nicht entging. Sie konnte aber eher dazu jeden anderen Grund vermuthen, als den wahren, denn wie hätte sie je glauben können, daß Jaromir, um dessen freundliches Lächeln sich so manches schöne Weib umsonst bemühte, er, der in den höchsten Zirkeln
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/97>, abgerufen am 16.02.2025. |