Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.Dann käm' der Himmel zu der Erde nieder, Dann wär' gelöst der Fluch von Arm und Reich, Und Millionen sänken Brust an Brust Und würden sich des Daseins Glück bewußt! O daß er käme zu der armen Erde In dieser bösen unglücksel'gen Zeit -- Auf daß es Frieden bei den Menschen werde, Auf daß er sie aus ihrer Schmach befreit' Und durch die Liebe alles Sein verklärte, Das jetzt durch Druck und Selaverei entweiht. O daß ein Gott zu uns herniederkäme Mit unserm Wahn auch unser Leid uns nähme! -- Er stand auf, legte die Feder weg, trat an's Fenster und faltete seine Hände. "Schöner Traum," sprach er wieder, seine sinnende Stirn in die rechte Hand drückend: "vielleicht erfüllbar auf einem schönern Sterne! -- Vielleicht, daß da oben unter diesen Tausenden strahlender Kugeln, auch eine solche Erde ihre ewigen Bahnen zieht, auf der alle Wesen in brüderlich heiliger Eintracht vereint leben -- vielleicht, daß dort dieser Traum mehr ist, als ein müssiges Spiel der Phantasie -- aber hier kann er nimmer zur Wirklichkeit werden, auf dieser unfähigen Erde mit diesen schwachen Wesen, die sich Menschen nennen. Wir haben ja mit uns selbst nie Frieden im Innern -- wir können nicht, wir Dann käm’ der Himmel zu der Erde nieder, Dann wär’ gelöst der Fluch von Arm und Reich, Und Millionen sänken Brust an Brust Und würden sich des Daseins Glück bewußt! O daß er käme zu der armen Erde In dieser bösen unglücksel’gen Zeit — Auf daß es Frieden bei den Menschen werde, Auf daß er sie aus ihrer Schmach befreit’ Und durch die Liebe alles Sein verklärte, Das jetzt durch Druck und Selaverei entweiht. O daß ein Gott zu uns herniederkäme Mit unserm Wahn auch unser Leid uns nähme! — Er stand auf, legte die Feder weg, trat an’s Fenster und faltete seine Hände. „Schöner Traum,“ sprach er wieder, seine sinnende Stirn in die rechte Hand drückend: „vielleicht erfüllbar auf einem schönern Sterne! — Vielleicht, daß da oben unter diesen Tausenden strahlender Kugeln, auch eine solche Erde ihre ewigen Bahnen zieht, auf der alle Wesen in brüderlich heiliger Eintracht vereint leben — vielleicht, daß dort dieser Traum mehr ist, als ein müssiges Spiel der Phantasie — aber hier kann er nimmer zur Wirklichkeit werden, auf dieser unfähigen Erde mit diesen schwachen Wesen, die sich Menschen nennen. Wir haben ja mit uns selbst nie Frieden im Innern — wir können nicht, wir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg> <pb facs="#f0100" n="94"/> <l>Dann käm’ der Himmel zu der Erde nieder,</l> <l>Dann wär’ gelöst der Fluch von Arm und Reich,</l> <l>Und Millionen sänken Brust an Brust</l> <l>Und würden sich des Daseins Glück bewußt!</l> </lg> <lg><lb/> <l>O daß er käme zu der armen Erde</l> <l>In dieser bösen unglücksel’gen Zeit —</l> <l>Auf daß es Frieden bei den Menschen werde,</l> <l>Auf daß er sie aus ihrer Schmach befreit’</l> <l>Und durch die Liebe alles Sein verklärte,</l> <l>Das jetzt durch Druck und Selaverei entweiht.</l> <l>O daß ein Gott zu uns herniederkäme</l> <l>Mit unserm Wahn auch unser Leid uns nähme! —</l> </lg><lb/> <p>Er stand auf, legte die Feder weg, trat an’s Fenster und faltete seine Hände.</p> <p>„Schöner Traum,“ sprach er wieder, seine sinnende Stirn in die rechte Hand drückend: „vielleicht erfüllbar auf einem schönern Sterne! — Vielleicht, daß da oben unter diesen Tausenden strahlender Kugeln, auch eine solche Erde ihre ewigen Bahnen zieht, auf der alle Wesen in brüderlich heiliger Eintracht vereint leben — vielleicht, daß dort dieser Traum mehr ist, als ein müssiges Spiel der Phantasie — aber hier kann er nimmer zur Wirklichkeit werden, auf dieser unfähigen Erde mit diesen schwachen Wesen, die sich Menschen nennen. Wir haben ja mit uns selbst nie Frieden im Innern — wir können nicht, wir </p> </div> </body> </text> </TEI> [94/0100]
Dann käm’ der Himmel zu der Erde nieder, Dann wär’ gelöst der Fluch von Arm und Reich, Und Millionen sänken Brust an Brust Und würden sich des Daseins Glück bewußt!
O daß er käme zu der armen Erde In dieser bösen unglücksel’gen Zeit — Auf daß es Frieden bei den Menschen werde, Auf daß er sie aus ihrer Schmach befreit’ Und durch die Liebe alles Sein verklärte, Das jetzt durch Druck und Selaverei entweiht. O daß ein Gott zu uns herniederkäme Mit unserm Wahn auch unser Leid uns nähme! —
Er stand auf, legte die Feder weg, trat an’s Fenster und faltete seine Hände.
„Schöner Traum,“ sprach er wieder, seine sinnende Stirn in die rechte Hand drückend: „vielleicht erfüllbar auf einem schönern Sterne! — Vielleicht, daß da oben unter diesen Tausenden strahlender Kugeln, auch eine solche Erde ihre ewigen Bahnen zieht, auf der alle Wesen in brüderlich heiliger Eintracht vereint leben — vielleicht, daß dort dieser Traum mehr ist, als ein müssiges Spiel der Phantasie — aber hier kann er nimmer zur Wirklichkeit werden, auf dieser unfähigen Erde mit diesen schwachen Wesen, die sich Menschen nennen. Wir haben ja mit uns selbst nie Frieden im Innern — wir können nicht, wir
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