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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

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so wird wohl auch unsere gerichtliche Scheidung kein Hinderniß finden -- wäre es dennoch, so will ich kein Mittel scheuen und jedes Opfer bringen, das im Stande ist, sie zu bewerkstelligen -- und müßt' ich mich selbst -- ehrlos nennen. Nur in diesem Falle suche meinen Aufenthalt zu erfahren -- außerdem, dies Versprechen nehm ich Dir ab: frage niemals nach mir."

Noch ein Mal brachen alle Wunden seines Herzens auf -- zwar hatte er nie mehr an eine Widervereinigung mit Amalien gedacht, zwar hatte er gestrebt, die Liebe zu ihr aus seinem Herzen zu reißen, seitdem er wußte, daß sie sein innigstes Gefühl niemals wahrhaft erwidert hatte -- aber noch oft war sein lang und treugehegtes Gefühl stärker gewesen, als sein männlich stolzer Wille, und oft noch hatte er jenes als Sieger gefunden. So begann jetzt in ihm ein neuer Sturm -- ihm war zu Muthe wie einem Schiffbrüchigen, der das Schiff, auf dem er bisher heimisch durch die wechselnd trübe und klare Fluth des Lebens gesteuert, unter sich zerkrachen sieht und Weib und Kind und all' seine Habe von den wilden Wogen verschlungen und da und dorthin getrieben. -- Alles ist untergegangen, begraben, hinweggespült -- und nur obenauf schwimmt die schöne blasse Leiche eines Kindes -- die gebrochenen Augen, die staaren weißen Händchen nach der Stelle zu gerichtet,

so wird wohl auch unsere gerichtliche Scheidung kein Hinderniß finden — wäre es dennoch, so will ich kein Mittel scheuen und jedes Opfer bringen, das im Stande ist, sie zu bewerkstelligen — und müßt’ ich mich selbst — ehrlos nennen. Nur in diesem Falle suche meinen Aufenthalt zu erfahren — außerdem, dies Versprechen nehm ich Dir ab: frage niemals nach mir.“

Noch ein Mal brachen alle Wunden seines Herzens auf — zwar hatte er nie mehr an eine Widervereinigung mit Amalien gedacht, zwar hatte er gestrebt, die Liebe zu ihr aus seinem Herzen zu reißen, seitdem er wußte, daß sie sein innigstes Gefühl niemals wahrhaft erwidert hatte — aber noch oft war sein lang und treugehegtes Gefühl stärker gewesen, als sein männlich stolzer Wille, und oft noch hatte er jenes als Sieger gefunden. So begann jetzt in ihm ein neuer Sturm — ihm war zu Muthe wie einem Schiffbrüchigen, der das Schiff, auf dem er bisher heimisch durch die wechselnd trübe und klare Fluth des Lebens gesteuert, unter sich zerkrachen sieht und Weib und Kind und all’ seine Habe von den wilden Wogen verschlungen und da und dorthin getrieben. — Alles ist untergegangen, begraben, hinweggespült — und nur obenauf schwimmt die schöne blasse Leiche eines Kindes — die gebrochenen Augen, die staaren weißen Händchen nach der Stelle zu gerichtet,

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[149/0155] so wird wohl auch unsere gerichtliche Scheidung kein Hinderniß finden — wäre es dennoch, so will ich kein Mittel scheuen und jedes Opfer bringen, das im Stande ist, sie zu bewerkstelligen — und müßt’ ich mich selbst — ehrlos nennen. Nur in diesem Falle suche meinen Aufenthalt zu erfahren — außerdem, dies Versprechen nehm ich Dir ab: frage niemals nach mir.“ Noch ein Mal brachen alle Wunden seines Herzens auf — zwar hatte er nie mehr an eine Widervereinigung mit Amalien gedacht, zwar hatte er gestrebt, die Liebe zu ihr aus seinem Herzen zu reißen, seitdem er wußte, daß sie sein innigstes Gefühl niemals wahrhaft erwidert hatte — aber noch oft war sein lang und treugehegtes Gefühl stärker gewesen, als sein männlich stolzer Wille, und oft noch hatte er jenes als Sieger gefunden. So begann jetzt in ihm ein neuer Sturm — ihm war zu Muthe wie einem Schiffbrüchigen, der das Schiff, auf dem er bisher heimisch durch die wechselnd trübe und klare Fluth des Lebens gesteuert, unter sich zerkrachen sieht und Weib und Kind und all’ seine Habe von den wilden Wogen verschlungen und da und dorthin getrieben. — Alles ist untergegangen, begraben, hinweggespült — und nur obenauf schwimmt die schöne blasse Leiche eines Kindes — die gebrochenen Augen, die staaren weißen Händchen nach der Stelle zu gerichtet,

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/155>, abgerufen am 14.05.2024.