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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

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und Schwestern gemacht hatte, verloren für sie, welche bei ihrem Nahen die Erscheinung eines Engels segnen sollten.

Und es war nicht so! Sie war nicht ihm verloren, nicht ihnen! Sie hatte ihm auf's Neue die Hand zu diesem schönen Bunde gegeben.

Wer weiß? sagte er sich hoffend. Sie ist noch nicht lange hier und schon sind viele Thränen getrocknet worden und Manches ist besser geworden, als es jemals war. wer weiß, ob nicht, wenn sie länger hier weilt, noch bessere Zeiten kommen! Ob sie nicht auch ihren Vater zu milderen Gesinnungen zu stimmen vermag und nicht nur die Wunden heilt, die seine Härte schlägt, sondern seine Härte schwinden macht, daß Alles besser wird!

Als er eben so zukunftsfreudig vor sich hinging, kam Wilhelm ihm entgegen. Er rief:

"Da hat man mir einen Brief an Dich gegeben -- es ist nicht die Hand Deiner Brüder auf der Aufschrift -- auch lautet sie nicht wie gewöhnlich, >an den Fabrikarbeiter Franz Thalheim,< sondern dem Namen ist noch beigefügt: >Verfasser der Erzählungen aus dem armen Volke.< Sieh' einmal, wie schön sich das ausnimmt; ich glaube, Du hast einen Namen -- nun man merkt es doch, daß Deine Eltern gute Bürgersleute waren und Du nicht im Straßenkoth geboren bist, wie unser einer."

und Schwestern gemacht hatte, verloren für sie, welche bei ihrem Nahen die Erscheinung eines Engels segnen sollten.

Und es war nicht so! Sie war nicht ihm verloren, nicht ihnen! Sie hatte ihm auf’s Neue die Hand zu diesem schönen Bunde gegeben.

Wer weiß? sagte er sich hoffend. Sie ist noch nicht lange hier und schon sind viele Thränen getrocknet worden und Manches ist besser geworden, als es jemals war. wer weiß, ob nicht, wenn sie länger hier weilt, noch bessere Zeiten kommen! Ob sie nicht auch ihren Vater zu milderen Gesinnungen zu stimmen vermag und nicht nur die Wunden heilt, die seine Härte schlägt, sondern seine Härte schwinden macht, daß Alles besser wird!

Als er eben so zukunftsfreudig vor sich hinging, kam Wilhelm ihm entgegen. Er rief:

„Da hat man mir einen Brief an Dich gegeben — es ist nicht die Hand Deiner Brüder auf der Aufschrift — auch lautet sie nicht wie gewöhnlich, ›an den Fabrikarbeiter Franz Thalheim,‹ sondern dem Namen ist noch beigefügt: ›Verfasser der Erzählungen aus dem armen Volke.‹ Sieh’ einmal, wie schön sich das ausnimmt; ich glaube, Du hast einen Namen — nun man merkt es doch, daß Deine Eltern gute Bürgersleute waren und Du nicht im Straßenkoth geboren bist, wie unser einer.“

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[77/0083] und Schwestern gemacht hatte, verloren für sie, welche bei ihrem Nahen die Erscheinung eines Engels segnen sollten. Und es war nicht so! Sie war nicht ihm verloren, nicht ihnen! Sie hatte ihm auf’s Neue die Hand zu diesem schönen Bunde gegeben. Wer weiß? sagte er sich hoffend. Sie ist noch nicht lange hier und schon sind viele Thränen getrocknet worden und Manches ist besser geworden, als es jemals war. wer weiß, ob nicht, wenn sie länger hier weilt, noch bessere Zeiten kommen! Ob sie nicht auch ihren Vater zu milderen Gesinnungen zu stimmen vermag und nicht nur die Wunden heilt, die seine Härte schlägt, sondern seine Härte schwinden macht, daß Alles besser wird! Als er eben so zukunftsfreudig vor sich hinging, kam Wilhelm ihm entgegen. Er rief: „Da hat man mir einen Brief an Dich gegeben — es ist nicht die Hand Deiner Brüder auf der Aufschrift — auch lautet sie nicht wie gewöhnlich, ›an den Fabrikarbeiter Franz Thalheim,‹ sondern dem Namen ist noch beigefügt: ›Verfasser der Erzählungen aus dem armen Volke.‹ Sieh’ einmal, wie schön sich das ausnimmt; ich glaube, Du hast einen Namen — nun man merkt es doch, daß Deine Eltern gute Bürgersleute waren und Du nicht im Straßenkoth geboren bist, wie unser einer.“

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/83>, abgerufen am 14.05.2024.