Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.Nachdem er eine Weile still und sinnend am Fenster gestanden, stumm in die Nacht hinaus und empor zu den Sternen geschaut hatte, trat er wieder zurück an den kleinen Tisch, auf dem die verlöschte Lampe stand. Er zündete sie wieder an, setzte sich nieder, nahm Feder und Papier zur Hand und begann zu schreiben. Er wußte es: wenn so in ihm alle Gefühle in Aufruhr waren, wie jetzt, dann kam der Gott des Liedes über ihn. In Versen versuchte er es, den gewaltigen Sturm seines Herzens ausrasen zu lassen, indem er ihn durch die Worte und Töne, welche er ihm gab, zwar noch vermehrte und erhöhte, aber ihn so auch wohlthuend und weihevoll für seine Seele machte. So schrieb er jetzt: Es zieht ein Ahnen durch die Menschenseelen In banger Lust, in des Verlangens Pein, Als könnten Erd' und Himmel sich vermählen, Als könnte auch die Menschheit glücklich sein. Doch alles Leben ist ein dumpfes Quälen, Vergeblich Jagen nach des Glückes Schein, Es ist ein Ringen ohne Rast und Frieden, Denn alle Ruh ist aus der Welt geschieden. Und ob auch ringsum Freudenblumen blühen -- Wer ist, der sie zum Heil der Menschheit bricht? Die Menschheit ringt im Staub, in dumpfem Mühen, Der Arme weiß von anderm Ziele nicht, Nachdem er eine Weile still und sinnend am Fenster gestanden, stumm in die Nacht hinaus und empor zu den Sternen geschaut hatte, trat er wieder zurück an den kleinen Tisch, auf dem die verlöschte Lampe stand. Er zündete sie wieder an, setzte sich nieder, nahm Feder und Papier zur Hand und begann zu schreiben. Er wußte es: wenn so in ihm alle Gefühle in Aufruhr waren, wie jetzt, dann kam der Gott des Liedes über ihn. In Versen versuchte er es, den gewaltigen Sturm seines Herzens ausrasen zu lassen, indem er ihn durch die Worte und Töne, welche er ihm gab, zwar noch vermehrte und erhöhte, aber ihn so auch wohlthuend und weihevoll für seine Seele machte. So schrieb er jetzt: Es zieht ein Ahnen durch die Menschenseelen In banger Lust, in des Verlangens Pein, Als könnten Erd’ und Himmel sich vermählen, Als könnte auch die Menschheit glücklich sein. Doch alles Leben ist ein dumpfes Quälen, Vergeblich Jagen nach des Glückes Schein, Es ist ein Ringen ohne Rast und Frieden, Denn alle Ruh ist aus der Welt geschieden. Und ob auch ringsum Freudenblumen blühen — Wer ist, der sie zum Heil der Menschheit bricht? Die Menschheit ringt im Staub, in dumpfem Mühen, Der Arme weiß von anderm Ziele nicht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0098" n="92"/> <p> Nachdem er eine Weile still und sinnend am Fenster gestanden, stumm in die Nacht hinaus und empor zu den Sternen geschaut hatte, trat er wieder zurück an den kleinen Tisch, auf dem die verlöschte Lampe stand. Er zündete sie wieder an, setzte sich nieder, nahm Feder und Papier zur Hand und begann zu schreiben. Er wußte es: wenn so in ihm alle Gefühle in Aufruhr waren, wie jetzt, dann kam der Gott des Liedes über ihn. In Versen versuchte er es, den gewaltigen Sturm seines Herzens ausrasen zu lassen, indem er ihn durch die Worte und Töne, welche er ihm gab, zwar noch vermehrte und erhöhte, aber ihn so auch wohlthuend und weihevoll für seine Seele machte.</p> <p>So schrieb er jetzt:</p><lb/> <lg> <l>Es zieht ein Ahnen durch die Menschenseelen</l> <l>In banger Lust, in des Verlangens Pein,</l> <l>Als könnten Erd’ und Himmel sich vermählen,</l> <l>Als könnte auch die Menschheit glücklich sein.</l> <l>Doch alles Leben ist ein dumpfes Quälen,</l> <l>Vergeblich Jagen nach des Glückes Schein,</l> <l>Es ist ein Ringen ohne Rast und Frieden,</l> <l>Denn alle Ruh ist aus der Welt geschieden.</l> </lg> <lg><lb/> <l>Und ob auch ringsum Freudenblumen blühen —</l> <l>Wer ist, der sie zum Heil der Menschheit bricht?</l> <l>Die Menschheit ringt im Staub, in dumpfem Mühen,</l> <l>Der Arme weiß von anderm Ziele nicht,</l> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [92/0098]
Nachdem er eine Weile still und sinnend am Fenster gestanden, stumm in die Nacht hinaus und empor zu den Sternen geschaut hatte, trat er wieder zurück an den kleinen Tisch, auf dem die verlöschte Lampe stand. Er zündete sie wieder an, setzte sich nieder, nahm Feder und Papier zur Hand und begann zu schreiben. Er wußte es: wenn so in ihm alle Gefühle in Aufruhr waren, wie jetzt, dann kam der Gott des Liedes über ihn. In Versen versuchte er es, den gewaltigen Sturm seines Herzens ausrasen zu lassen, indem er ihn durch die Worte und Töne, welche er ihm gab, zwar noch vermehrte und erhöhte, aber ihn so auch wohlthuend und weihevoll für seine Seele machte.
So schrieb er jetzt:
Es zieht ein Ahnen durch die Menschenseelen In banger Lust, in des Verlangens Pein, Als könnten Erd’ und Himmel sich vermählen, Als könnte auch die Menschheit glücklich sein. Doch alles Leben ist ein dumpfes Quälen, Vergeblich Jagen nach des Glückes Schein, Es ist ein Ringen ohne Rast und Frieden, Denn alle Ruh ist aus der Welt geschieden.
Und ob auch ringsum Freudenblumen blühen — Wer ist, der sie zum Heil der Menschheit bricht? Die Menschheit ringt im Staub, in dumpfem Mühen, Der Arme weiß von anderm Ziele nicht,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-08-23T11:52:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-08-23T11:52:15Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |