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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.

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Da schrie der Gemißhandelte laut aus Leibeskräften nach Franz Thalheim.

Das rettete ihn, denn Franz war in der Nähe und nahm ihm den Brief ab. Er bat die Andern, den Diener laufen zu lassen, er möge es den Leuten immer erzählen, was hier vorgehe, verborgen könne es doch nicht bleiben. Von Mehreren wie ein Wild gehetzt entfloh der Befreite.

Unterdeß hatte Franz den Brief seines Bruders gelesen -- erst leuchteten seine Augen -- denn es war ihm, als griffen erbarmungslose Hände in sein Herz und rissen es in Tausend Stücke -- und um die innere Empfindung im Aeußern nachzuahmen, zerriß er den Brief und streute die Blättchen rings um sich. Noch gestern -- wenn er da den Brief erhalten, hätte er seiner Mahnung folgen, fortgehen und irgendwo eine andre Heimath suchen können -- für die Kameraden hier konnt' er ja doch Nichts mehr thun, sein Werk hatte man ihm zerstört und gewehrt und die Kameraden liebten ihn und trauten ihm nicht mehr -- hier war sein Geschäft aus.

Aber heute konnte er nicht gehen, heute nicht! Das wäre feige Flucht gewesen! -- Man hatte ihn einkerkern wollen und die Kameraden hatten ihn befreit, das mußte er ihnen vergelten. Jetzt waren sie aufgestanden in wilder, zerstörender Wuth -- sie hatten das Entsetzliche gethan und jede nächste Stunde konnte für sie eine entsetzlichere

Da schrie der Gemißhandelte laut aus Leibeskräften nach Franz Thalheim.

Das rettete ihn, denn Franz war in der Nähe und nahm ihm den Brief ab. Er bat die Andern, den Diener laufen zu lassen, er möge es den Leuten immer erzählen, was hier vorgehe, verborgen könne es doch nicht bleiben. Von Mehreren wie ein Wild gehetzt entfloh der Befreite.

Unterdeß hatte Franz den Brief seines Bruders gelesen — erst leuchteten seine Augen — denn es war ihm, als griffen erbarmungslose Hände in sein Herz und rissen es in Tausend Stücke — und um die innere Empfindung im Aeußern nachzuahmen, zerriß er den Brief und streute die Blättchen rings um sich. Noch gestern — wenn er da den Brief erhalten, hätte er seiner Mahnung folgen, fortgehen und irgendwo eine andre Heimath suchen können — für die Kameraden hier konnt’ er ja doch Nichts mehr thun, sein Werk hatte man ihm zerstört und gewehrt und die Kameraden liebten ihn und trauten ihm nicht mehr — hier war sein Geschäft aus.

Aber heute konnte er nicht gehen, heute nicht! Das wäre feige Flucht gewesen! — Man hatte ihn einkerkern wollen und die Kameraden hatten ihn befreit, das mußte er ihnen vergelten. Jetzt waren sie aufgestanden in wilder, zerstörender Wuth — sie hatten das Entsetzliche gethan und jede nächste Stunde konnte für sie eine entsetzlichere

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[155/0159] Da schrie der Gemißhandelte laut aus Leibeskräften nach Franz Thalheim. Das rettete ihn, denn Franz war in der Nähe und nahm ihm den Brief ab. Er bat die Andern, den Diener laufen zu lassen, er möge es den Leuten immer erzählen, was hier vorgehe, verborgen könne es doch nicht bleiben. Von Mehreren wie ein Wild gehetzt entfloh der Befreite. Unterdeß hatte Franz den Brief seines Bruders gelesen — erst leuchteten seine Augen — denn es war ihm, als griffen erbarmungslose Hände in sein Herz und rissen es in Tausend Stücke — und um die innere Empfindung im Aeußern nachzuahmen, zerriß er den Brief und streute die Blättchen rings um sich. Noch gestern — wenn er da den Brief erhalten, hätte er seiner Mahnung folgen, fortgehen und irgendwo eine andre Heimath suchen können — für die Kameraden hier konnt’ er ja doch Nichts mehr thun, sein Werk hatte man ihm zerstört und gewehrt und die Kameraden liebten ihn und trauten ihm nicht mehr — hier war sein Geschäft aus. Aber heute konnte er nicht gehen, heute nicht! Das wäre feige Flucht gewesen! — Man hatte ihn einkerkern wollen und die Kameraden hatten ihn befreit, das mußte er ihnen vergelten. Jetzt waren sie aufgestanden in wilder, zerstörender Wuth — sie hatten das Entsetzliche gethan und jede nächste Stunde konnte für sie eine entsetzlichere

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846/159>, abgerufen am 21.11.2024.