Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.Hauch der Bewunderung, kein leuchtendes Ziel und kein ehrender Kranz -- kaum daß von ihm die Welt sagt: er thut seine Pflicht; sie sagt entweder: es ist so seine Bestimmung, was kann er Anderes wollen? Oder sie spricht gar nicht von ihm -- denn von dumpfen Maschinen, die man sich nur zu einem bestimmten Gebrauch hält, pflegt man nicht zu sprechen. Wer mogte diese Kämpfe ahnen, in welchen Franz täglich mit sich selber rang? Wer diese Versuchungen, welche gleich der lernäischen Hydra, wenn er sich Sieger wähnte, ihm immer wieder ein neues Haupt züngelnd und gifthauchend entgegenbäumten? Und jetzt rang er wieder. Er hatte sich jenseit des Grabens der Straße, auf welcher er ging, unter einen Baum geworfen und starrte, die Hände krampfhaft vor seine Brust gedrückt, vor sich nieder. Zwei große schwere Thränen rannen ungehemmt über seine bleichen Wangen. "Da ist er ja!" rief plötzlich eine Stimme und ein Mann sprang rasch über den Straßengraben hinweg und stand vor Franz. Der Wandrer glich ihm -- und doch auch wieder nicht. Er war größer als Franz, seine Haare waren von lichterem Braun, seine Augen hatten einen sanfteren und milderen Glanz. Der Schnitt der Gesichter war gleich wie Hauch der Bewunderung, kein leuchtendes Ziel und kein ehrender Kranz — kaum daß von ihm die Welt sagt: er thut seine Pflicht; sie sagt entweder: es ist so seine Bestimmung, was kann er Anderes wollen? Oder sie spricht gar nicht von ihm — denn von dumpfen Maschinen, die man sich nur zu einem bestimmten Gebrauch hält, pflegt man nicht zu sprechen. Wer mogte diese Kämpfe ahnen, in welchen Franz täglich mit sich selber rang? Wer diese Versuchungen, welche gleich der lernäischen Hydra, wenn er sich Sieger wähnte, ihm immer wieder ein neues Haupt züngelnd und gifthauchend entgegenbäumten? Und jetzt rang er wieder. Er hatte sich jenseit des Grabens der Straße, auf welcher er ging, unter einen Baum geworfen und starrte, die Hände krampfhaft vor seine Brust gedrückt, vor sich nieder. Zwei große schwere Thränen rannen ungehemmt über seine bleichen Wangen. „Da ist er ja!“ rief plötzlich eine Stimme und ein Mann sprang rasch über den Straßengraben hinweg und stand vor Franz. Der Wandrer glich ihm — und doch auch wieder nicht. Er war größer als Franz, seine Haare waren von lichterem Braun, seine Augen hatten einen sanfteren und milderen Glanz. Der Schnitt der Gesichter war gleich wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0033" n="29"/> Hauch der Bewunderung, kein leuchtendes Ziel und kein ehrender Kranz — kaum daß von ihm die Welt sagt: er thut seine Pflicht; sie sagt entweder: es ist so seine Bestimmung, was kann er Anderes wollen? Oder sie spricht gar nicht von ihm — denn von dumpfen Maschinen, die man sich nur zu einem bestimmten Gebrauch hält, pflegt man nicht zu sprechen.</p> <p>Wer mogte diese Kämpfe ahnen, in welchen Franz täglich mit sich selber rang? Wer diese Versuchungen, welche gleich der lernäischen Hydra, wenn er sich Sieger wähnte, ihm immer wieder ein neues Haupt züngelnd und gifthauchend entgegenbäumten?</p> <p>Und jetzt rang er wieder.</p> <p>Er hatte sich jenseit des Grabens der Straße, auf welcher er ging, unter einen Baum geworfen und starrte, die Hände krampfhaft vor seine Brust gedrückt, vor sich nieder. Zwei große schwere Thränen rannen ungehemmt über seine bleichen Wangen.</p> <p>„Da ist er ja!“ rief plötzlich eine Stimme und ein Mann sprang rasch über den Straßengraben hinweg und stand vor Franz.</p> <p>Der Wandrer glich ihm — und doch auch wieder nicht. Er war größer als Franz, seine Haare waren von lichterem Braun, seine Augen hatten einen sanfteren und milderen Glanz. Der Schnitt der Gesichter war gleich wie </p> </div> </body> </text> </TEI> [29/0033]
Hauch der Bewunderung, kein leuchtendes Ziel und kein ehrender Kranz — kaum daß von ihm die Welt sagt: er thut seine Pflicht; sie sagt entweder: es ist so seine Bestimmung, was kann er Anderes wollen? Oder sie spricht gar nicht von ihm — denn von dumpfen Maschinen, die man sich nur zu einem bestimmten Gebrauch hält, pflegt man nicht zu sprechen.
Wer mogte diese Kämpfe ahnen, in welchen Franz täglich mit sich selber rang? Wer diese Versuchungen, welche gleich der lernäischen Hydra, wenn er sich Sieger wähnte, ihm immer wieder ein neues Haupt züngelnd und gifthauchend entgegenbäumten?
Und jetzt rang er wieder.
Er hatte sich jenseit des Grabens der Straße, auf welcher er ging, unter einen Baum geworfen und starrte, die Hände krampfhaft vor seine Brust gedrückt, vor sich nieder. Zwei große schwere Thränen rannen ungehemmt über seine bleichen Wangen.
„Da ist er ja!“ rief plötzlich eine Stimme und ein Mann sprang rasch über den Straßengraben hinweg und stand vor Franz.
Der Wandrer glich ihm — und doch auch wieder nicht. Er war größer als Franz, seine Haare waren von lichterem Braun, seine Augen hatten einen sanfteren und milderen Glanz. Der Schnitt der Gesichter war gleich wie
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