Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.wir aus einer gemeinschaftlichen Casse uns unterstützten, wenn Einer in unverschuldete Noth kam, so daß wir nicht nöthig hatten, uns unsere Arbeit von den Factoren vorausbezahlen zu lassen, büßten wir weniger an unserm Verdienst ein. Wir redeten ein vernünftiges Wort zusammen, sangen kräftige Lieder zu Trost und Erheiterung, lasen wohl auch hier und da ein nützliches Buch zusammen -- und so kam manches Gute. Das Alles ist nun hin! Wir dürfen nicht mehr in unsrer besondern Stube zusammenkommen, keine Lieder mehr singen -- Alles nicht mehr, was wir bisher gethan -- spielen und uns betrinken aber -- ja das dürfen wir!" Gustav bat erschrocken theilnehmend um weitere Erklärung. Franz wußte seine Worte durch weiter Nichts zu ergänzen, als durch den außerordentlichen, drohenden Befehl von diesem Morgen. Dann fuhr er fort: "Aber ist denn das etwa Alles? Unter diesem kleinen Haufen elender Arbeiter, von deren Dasein die Classe der bevorrechteten Menschen kaum mehr Notiz nimmt, als von einem Ameisenbau -- werden die seelenerschütterndsten Trauerspiele aufführend gedichtet. Es giebt auch bei uns nicht nur äußerliches Elend und körperliche Schmerzen -- wir haben all' die andern auch in fürchterlicher Größe. Ich bekam einst ein Schreiben von Ungenannten, das die Gleichheit aller Menschen predigte, von unsern Rechten sprach den wir aus einer gemeinschaftlichen Casse uns unterstützten, wenn Einer in unverschuldete Noth kam, so daß wir nicht nöthig hatten, uns unsere Arbeit von den Factoren vorausbezahlen zu lassen, büßten wir weniger an unserm Verdienst ein. Wir redeten ein vernünftiges Wort zusammen, sangen kräftige Lieder zu Trost und Erheiterung, lasen wohl auch hier und da ein nützliches Buch zusammen — und so kam manches Gute. Das Alles ist nun hin! Wir dürfen nicht mehr in unsrer besondern Stube zusammenkommen, keine Lieder mehr singen — Alles nicht mehr, was wir bisher gethan — spielen und uns betrinken aber — ja das dürfen wir!“ Gustav bat erschrocken theilnehmend um weitere Erklärung. Franz wußte seine Worte durch weiter Nichts zu ergänzen, als durch den außerordentlichen, drohenden Befehl von diesem Morgen. Dann fuhr er fort: „Aber ist denn das etwa Alles? Unter diesem kleinen Haufen elender Arbeiter, von deren Dasein die Classe der bevorrechteten Menschen kaum mehr Notiz nimmt, als von einem Ameisenbau — werden die seelenerschütterndsten Trauerspiele aufführend gedichtet. Es giebt auch bei uns nicht nur äußerliches Elend und körperliche Schmerzen — wir haben all’ die andern auch in fürchterlicher Größe. Ich bekam einst ein Schreiben von Ungenannten, das die Gleichheit aller Menschen predigte, von unsern Rechten sprach den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0038" n="34"/> wir aus einer gemeinschaftlichen Casse uns unterstützten, wenn Einer in unverschuldete Noth kam, so daß wir nicht nöthig hatten, uns unsere Arbeit von den Factoren vorausbezahlen zu lassen, büßten wir weniger an unserm Verdienst ein. Wir redeten ein vernünftiges Wort zusammen, sangen kräftige Lieder zu Trost und Erheiterung, lasen wohl auch hier und da ein nützliches Buch zusammen — und so kam manches Gute. Das Alles ist nun hin! Wir dürfen nicht mehr in unsrer besondern Stube zusammenkommen, keine Lieder mehr singen — Alles nicht mehr, was wir bisher gethan — spielen und uns betrinken aber — ja das dürfen wir!“</p> <p>Gustav bat erschrocken theilnehmend um weitere Erklärung. Franz wußte seine Worte durch weiter Nichts zu ergänzen, als durch den außerordentlichen, drohenden Befehl von diesem Morgen. Dann fuhr er fort:</p> <p>„Aber ist denn das etwa Alles? Unter diesem kleinen Haufen elender Arbeiter, von deren Dasein die Classe der bevorrechteten Menschen kaum mehr Notiz nimmt, als von einem Ameisenbau — werden die seelenerschütterndsten Trauerspiele aufführend gedichtet. Es giebt auch bei uns nicht nur äußerliches Elend und körperliche Schmerzen — wir haben all’ die andern auch in fürchterlicher Größe. Ich bekam einst ein Schreiben von Ungenannten, das die Gleichheit aller Menschen predigte, von unsern Rechten sprach den </p> </div> </body> </text> </TEI> [34/0038]
wir aus einer gemeinschaftlichen Casse uns unterstützten, wenn Einer in unverschuldete Noth kam, so daß wir nicht nöthig hatten, uns unsere Arbeit von den Factoren vorausbezahlen zu lassen, büßten wir weniger an unserm Verdienst ein. Wir redeten ein vernünftiges Wort zusammen, sangen kräftige Lieder zu Trost und Erheiterung, lasen wohl auch hier und da ein nützliches Buch zusammen — und so kam manches Gute. Das Alles ist nun hin! Wir dürfen nicht mehr in unsrer besondern Stube zusammenkommen, keine Lieder mehr singen — Alles nicht mehr, was wir bisher gethan — spielen und uns betrinken aber — ja das dürfen wir!“
Gustav bat erschrocken theilnehmend um weitere Erklärung. Franz wußte seine Worte durch weiter Nichts zu ergänzen, als durch den außerordentlichen, drohenden Befehl von diesem Morgen. Dann fuhr er fort:
„Aber ist denn das etwa Alles? Unter diesem kleinen Haufen elender Arbeiter, von deren Dasein die Classe der bevorrechteten Menschen kaum mehr Notiz nimmt, als von einem Ameisenbau — werden die seelenerschütterndsten Trauerspiele aufführend gedichtet. Es giebt auch bei uns nicht nur äußerliches Elend und körperliche Schmerzen — wir haben all’ die andern auch in fürchterlicher Größe. Ich bekam einst ein Schreiben von Ungenannten, das die Gleichheit aller Menschen predigte, von unsern Rechten sprach den
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