Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

Indem ich schreibe, kommt der Knecht, der mir dein Briefchen überbringt. Ich dank' dir für deinen Trost, Mechthilde! und für deine Liebe, und für die Thränen, die du um meinetwillen weinest. Gott vergelte dir alles Gute, deß du mich werth hälst. Du bist der einzige Mensch, der meines Kummers Ursache kennt, und der einzige, der mit mir weint. Aber wie konntest du mir sagen: ich soll Kunzen vergessen? Das, Mechthilde! das ist eben soviel, als wenn du einem Todten ins Grab rufen würdest, er soll auferstehen. So wenig er dieses vermag, so wenig vermag ich jenes.

Heute Vormittag kam mein Herz wieder in eine große Unruhe, und ward von Angst und Furcht bestürmt, wie das Herz eines Missethäters, den man dem Rabenstein entgegenführt. Ich trat von Ungefähr ins Fenster, und sieh'! Kraft von Schmidelfeld kam den Hügel herangeritten. Ich sank halb unmächtig auf den Stuhl zurük. Nun dacht' ich, wird Kunz durch ihn sein Wort erfüllen, und um mich werben; nun wird meines

Indem ich schreibe, kommt der Knecht, der mir dein Briefchen überbringt. Ich dank’ dir für deinen Trost, Mechthilde! und für deine Liebe, und für die Thränen, die du um meinetwillen weinest. Gott vergelte dir alles Gute, deß du mich werth hälst. Du bist der einzige Mensch, der meines Kummers Ursache kennt, und der einzige, der mit mir weint. Aber wie konntest du mir sagen: ich soll Kunzen vergessen? Das, Mechthilde! das ist eben soviel, als wenn du einem Todten ins Grab rufen würdest, er soll auferstehen. So wenig er dieses vermag, so wenig vermag ich jenes.

Heute Vormittag kam mein Herz wieder in eine große Unruhe, und ward von Angst und Furcht bestürmt, wie das Herz eines Missethäters, den man dem Rabenstein entgegenführt. Ich trat von Ungefähr ins Fenster, und sieh’! Kraft von Schmidelfeld kam den Hügel herangeritten. Ich sank halb unmächtig auf den Stuhl zurük. Nun dacht’ ich, wird Kunz durch ihn sein Wort erfüllen, und um mich werben; nun wird meines

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0060" n="56"/>
          <p> Indem ich schreibe, kommt der Knecht, der mir dein Briefchen überbringt. Ich dank&#x2019; dir für deinen Trost, <hi rendition="#g">Mechthilde</hi>! und für deine Liebe, und für die Thränen, die du um meinetwillen weinest. Gott vergelte dir alles Gute, deß du mich werth hälst. Du bist der einzige Mensch, der meines Kummers Ursache kennt, und der einzige, der mit mir weint. Aber wie konntest du mir sagen: <hi rendition="#g">ich soll Kunzen vergessen</hi>? Das, <hi rendition="#g">Mechthilde</hi>! das ist eben soviel, als wenn du einem Todten ins Grab rufen würdest, er soll auferstehen. So wenig er dieses vermag, so wenig vermag ich jenes.</p>
          <p>Heute Vormittag kam mein Herz wieder in eine große Unruhe, und ward von Angst und Furcht bestürmt, wie das Herz eines Missethäters, den man dem Rabenstein entgegenführt. Ich trat von Ungefähr ins Fenster, und sieh&#x2019;! <hi rendition="#g">Kraft von Schmidelfeld</hi> kam den Hügel herangeritten. Ich sank halb unmächtig auf den Stuhl zurük. Nun dacht&#x2019; ich, wird <hi rendition="#g">Kunz</hi> durch ihn sein Wort erfüllen, und um mich werben; nun wird meines
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0060] Indem ich schreibe, kommt der Knecht, der mir dein Briefchen überbringt. Ich dank’ dir für deinen Trost, Mechthilde! und für deine Liebe, und für die Thränen, die du um meinetwillen weinest. Gott vergelte dir alles Gute, deß du mich werth hälst. Du bist der einzige Mensch, der meines Kummers Ursache kennt, und der einzige, der mit mir weint. Aber wie konntest du mir sagen: ich soll Kunzen vergessen? Das, Mechthilde! das ist eben soviel, als wenn du einem Todten ins Grab rufen würdest, er soll auferstehen. So wenig er dieses vermag, so wenig vermag ich jenes. Heute Vormittag kam mein Herz wieder in eine große Unruhe, und ward von Angst und Furcht bestürmt, wie das Herz eines Missethäters, den man dem Rabenstein entgegenführt. Ich trat von Ungefähr ins Fenster, und sieh’! Kraft von Schmidelfeld kam den Hügel herangeritten. Ich sank halb unmächtig auf den Stuhl zurük. Nun dacht’ ich, wird Kunz durch ihn sein Wort erfüllen, und um mich werben; nun wird meines

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/60
Zitationshilfe: Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/60>, abgerufen am 22.12.2024.