Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

Vaters Sinn, wegen des Gelübdes vernommen hatte, wird ers für unräthlich gehalten haben, Kunzens Willen zu erklären, aus Schonung gegen mich und ihn.

Aber, sieh! Mechthilde! wie mich das bängen muß; morgen soll ich ins Kloster, und heute war der Werber da, der mich zur Frau erbitten wollte für den Mann, an dem meine ganze Seele hängt. Noch diese Probe von Treue sollte von Kunzen mir gegeben werden, um auch fester an ihn zu fesseln, damit der Riß von ihm, desto gewaltsamer und heftiger seyn mußte. - Ja ich bin wohl eine arme Bertha, die alles Mitleiden verdient! Gott! wie ist mein Gang in die Zelle so bitter! Ach stürb' ich doch auf dem Wege! - Keine Zelle ist so finster und so klein, daß sich darinn nicht stets seine Gestalt vor meinen Augen abbilden könnte. Laß mich weinen, Mechthilde! - laß mich weinen! -

Später.

Nun ist es Nacht, Mechthilde! - Noch eine kleine Weile, und ich sitze in meiner

Vaters Sinn, wegen des Gelübdes vernommen hatte, wird ers für unräthlich gehalten haben, Kunzens Willen zu erklären, aus Schonung gegen mich und ihn.

Aber, sieh! Mechthilde! wie mich das bängen muß; morgen soll ich ins Kloster, und heute war der Werber da, der mich zur Frau erbitten wollte für den Mann, an dem meine ganze Seele hängt. Noch diese Probe von Treue sollte von Kunzen mir gegeben werden, um auch fester an ihn zu fesseln, damit der Riß von ihm, desto gewaltsamer und heftiger seyn mußte. – Ja ich bin wohl eine arme Bertha, die alles Mitleiden verdient! Gott! wie ist mein Gang in die Zelle so bitter! Ach stürb’ ich doch auf dem Wege! – Keine Zelle ist so finster und so klein, daß sich darinn nicht stets seine Gestalt vor meinen Augen abbilden könnte. Laß mich weinen, Mechthilde! – laß mich weinen! –

Später.

Nun ist es Nacht, Mechthilde! – Noch eine kleine Weile, und ich sitze in meiner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0063" n="59"/>
Vaters Sinn, wegen des Gelübdes vernommen hatte, wird ers für unräthlich gehalten haben, <hi rendition="#g">Kunzens</hi> Willen zu erklären, aus Schonung gegen mich und ihn.</p>
          <p>Aber, sieh! <hi rendition="#g">Mechthilde</hi>! wie mich das bängen muß; morgen soll ich ins Kloster, und heute war der Werber da, der mich zur Frau erbitten wollte für den Mann, an dem meine ganze Seele hängt. Noch diese Probe von Treue sollte von <hi rendition="#g">Kunzen</hi> mir gegeben werden, um auch fester an ihn zu fesseln, damit der Riß von ihm, desto gewaltsamer und heftiger seyn mußte. &#x2013; Ja ich bin wohl eine arme <hi rendition="#g">Bertha</hi>, die alles Mitleiden verdient! Gott! wie ist mein Gang in die Zelle so bitter! Ach stürb&#x2019; ich doch auf dem Wege! &#x2013; Keine Zelle ist so finster und so klein, daß sich darinn nicht stets seine Gestalt vor meinen Augen abbilden könnte. Laß mich weinen, <hi rendition="#g">Mechthilde</hi>! &#x2013; laß mich weinen! &#x2013;</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Später.</head>
          <p>Nun ist es Nacht, <hi rendition="#g">Mechthilde</hi>! &#x2013; Noch eine kleine Weile, und ich sitze in meiner
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0063] Vaters Sinn, wegen des Gelübdes vernommen hatte, wird ers für unräthlich gehalten haben, Kunzens Willen zu erklären, aus Schonung gegen mich und ihn. Aber, sieh! Mechthilde! wie mich das bängen muß; morgen soll ich ins Kloster, und heute war der Werber da, der mich zur Frau erbitten wollte für den Mann, an dem meine ganze Seele hängt. Noch diese Probe von Treue sollte von Kunzen mir gegeben werden, um auch fester an ihn zu fesseln, damit der Riß von ihm, desto gewaltsamer und heftiger seyn mußte. – Ja ich bin wohl eine arme Bertha, die alles Mitleiden verdient! Gott! wie ist mein Gang in die Zelle so bitter! Ach stürb’ ich doch auf dem Wege! – Keine Zelle ist so finster und so klein, daß sich darinn nicht stets seine Gestalt vor meinen Augen abbilden könnte. Laß mich weinen, Mechthilde! – laß mich weinen! – Später. Nun ist es Nacht, Mechthilde! – Noch eine kleine Weile, und ich sitze in meiner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/63
Zitationshilfe: Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/63>, abgerufen am 22.12.2024.