Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

steht er neben mir am Tische, und wundert sich hoch darüber, daß ich schreiben kann. Nun besitz ich den Schatz; - die Leiden, die ich seinethalben geduldet habe, wären ein geringer Preis um ihn, aber freilich werden sie noch nicht alle vorüber seyn. O, Mechthilde! es bangt mir schreklich, so sehr er mir auch Trost einspricht. Doch bin ich glüklich, daß ich ihn habe. Entrissen kann er mir nun kaum mehr werden, und an seiner Hand trotz' ich jedem Sturm. Er trägt das Schwerdt; mag er nun für mich kämpfen.

Unter vielen Thränen und mit gepreßtem Herzen zogen wir, als die Sonne den ersten Strahl hinter dem Berge hervor schoß, von Wöllstein weg. Ich saß auf dem Wagen, auf dem sie meine Haabe führten, und Anna neben mir. Hirnheim ritt voraus, und zween seiner Knappen gelaiteten uns. Wir - ich und Anna - beteten beständig, und es schien mir durch das Gebet der Abzug leichter zu werden, als ich zuvor geglaubt hatte. Da wir aber die Anhöhe erreicht hatten, wo man weit ins Kocherthal

steht er neben mir am Tische, und wundert sich hoch darüber, daß ich schreiben kann. Nun besitz ich den Schatz; – die Leiden, die ich seinethalben geduldet habe, wären ein geringer Preis um ihn, aber freilich werden sie noch nicht alle vorüber seyn. O, Mechthilde! es bangt mir schreklich, so sehr er mir auch Trost einspricht. Doch bin ich glüklich, daß ich ihn habe. Entrissen kann er mir nun kaum mehr werden, und an seiner Hand trotz’ ich jedem Sturm. Er trägt das Schwerdt; mag er nun für mich kämpfen.

Unter vielen Thränen und mit gepreßtem Herzen zogen wir, als die Sonne den ersten Strahl hinter dem Berge hervor schoß, von Wöllstein weg. Ich saß auf dem Wagen, auf dem sie meine Haabe führten, und Anna neben mir. Hirnheim ritt voraus, und zween seiner Knappen gelaiteten uns. Wir – ich und Anna – beteten beständig, und es schien mir durch das Gebet der Abzug leichter zu werden, als ich zuvor geglaubt hatte. Da wir aber die Anhöhe erreicht hatten, wo man weit ins Kocherthal

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0067" n="63"/>
steht er neben mir am Tische, und wundert sich hoch darüber, daß ich schreiben kann. Nun besitz ich den Schatz; &#x2013; die Leiden, die ich seinethalben geduldet habe, wären ein geringer Preis um ihn, aber freilich werden sie noch nicht alle vorüber seyn. O, <hi rendition="#g">Mechthilde</hi>! es bangt mir schreklich, so sehr er mir auch Trost einspricht. Doch bin ich glüklich, daß ich ihn habe. Entrissen kann er mir nun kaum mehr werden, und an seiner Hand trotz&#x2019; ich jedem Sturm. Er trägt das Schwerdt; mag er nun für mich kämpfen.</p>
          <p>Unter vielen Thränen und mit gepreßtem Herzen zogen wir, als die Sonne den ersten Strahl hinter dem Berge hervor schoß, von <hi rendition="#g">Wöllstein</hi> weg. Ich saß auf dem Wagen, auf dem sie meine Haabe führten, und <hi rendition="#g">Anna</hi> neben mir. <hi rendition="#g">Hirnheim</hi> ritt voraus, und zween seiner Knappen gelaiteten uns. Wir &#x2013; ich und <hi rendition="#g">Anna</hi> &#x2013; beteten beständig, und es schien mir durch das Gebet der Abzug leichter zu werden, als ich zuvor geglaubt hatte. Da wir aber die Anhöhe erreicht hatten, wo man weit ins <hi rendition="#g">Kocherthal</hi> </p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0067] steht er neben mir am Tische, und wundert sich hoch darüber, daß ich schreiben kann. Nun besitz ich den Schatz; – die Leiden, die ich seinethalben geduldet habe, wären ein geringer Preis um ihn, aber freilich werden sie noch nicht alle vorüber seyn. O, Mechthilde! es bangt mir schreklich, so sehr er mir auch Trost einspricht. Doch bin ich glüklich, daß ich ihn habe. Entrissen kann er mir nun kaum mehr werden, und an seiner Hand trotz’ ich jedem Sturm. Er trägt das Schwerdt; mag er nun für mich kämpfen. Unter vielen Thränen und mit gepreßtem Herzen zogen wir, als die Sonne den ersten Strahl hinter dem Berge hervor schoß, von Wöllstein weg. Ich saß auf dem Wagen, auf dem sie meine Haabe führten, und Anna neben mir. Hirnheim ritt voraus, und zween seiner Knappen gelaiteten uns. Wir – ich und Anna – beteten beständig, und es schien mir durch das Gebet der Abzug leichter zu werden, als ich zuvor geglaubt hatte. Da wir aber die Anhöhe erreicht hatten, wo man weit ins Kocherthal

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/67
Zitationshilfe: Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/67>, abgerufen am 22.12.2024.