Pahl, Johann Gottfried: Wohlgemeyntes, in Vernunft und Schrift bestgegründetes, jedoch unmaaßgebliches Gutachten, über die Wahlfähigkeit eines Landtagsdeputirten in Wirtemberg. 1797.Wir haben neue biblische Summarien und ein neues Gesangbuch eingeführt; wir lassen unsre Professoren Kollegia über Kant lesen; wir haben das compendium classicum auf unsrer Universität reformirt; wir haben das Predigen während des Essens im theologischen Stift in Tübingen abgeschaft; wir haben das Format unsrer Kinderlehre geändert - und nach allen diesen Neuerungen verwundern wir uns noch über den obigen Verfall? Ein weiser Mann ist überall für's Alte. Der Gang der ganzen Natur verdammt alle Neuerungen. So wie die Sonne vor zwey tausend Jahren am Himmel wandelte, so wandelt sie noch, und der Farre in Ganslosen besprengt die Kühe noch immer nach demselben methodus, wie sein Urgroßvater in der Arche Noäh. - Und wir flatterhafte, unbeständige, wetterwendische Wirtemberger wollen alles umschaffen, alles verwandeln, alles metamorphosiren, und oben drein sind wir noch verblendet genug, in dieser unnatürlichen Thorheit den Charakter der Weisheit aufzusuchen." Wir haben neue biblische Summarien und ein neues Gesangbuch eingeführt; wir lassen unsre Professoren Kollegia über Kant lesen; wir haben das compendium classicum auf unsrer Universität reformirt; wir haben das Predigen während des Essens im theologischen Stift in Tübingen abgeschaft; wir haben das Format unsrer Kinderlehre geändert – und nach allen diesen Neuerungen verwundern wir uns noch über den obigen Verfall? Ein weiser Mann ist überall für’s Alte. Der Gang der ganzen Natur verdammt alle Neuerungen. So wie die Sonne vor zwey tausend Jahren am Himmel wandelte, so wandelt sie noch, und der Farre in Ganslosen besprengt die Kühe noch immer nach demselben methodus, wie sein Urgroßvater in der Arche Noäh. – Und wir flatterhafte, unbeständige, wetterwendische Wirtemberger wollen alles umschaffen, alles verwandeln, alles metamorphosiren, und oben drein sind wir noch verblendet genug, in dieser unnatürlichen Thorheit den Charakter der Weisheit aufzusuchen.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0046" n="46"/> Wir haben neue biblische Summarien und ein neues Gesangbuch eingeführt; wir lassen unsre Professoren Kollegia über <hi rendition="#g">Kant</hi> lesen; wir haben das <hi rendition="#aq">compendium classicum</hi> auf unsrer Universität reformirt; wir haben das Predigen während des Essens im theologischen Stift in <hi rendition="#g">Tübingen</hi> abgeschaft; wir haben das Format unsrer Kinderlehre geändert – und nach allen diesen Neuerungen verwundern wir uns noch über den obigen Verfall? Ein weiser Mann ist überall für’s Alte. Der Gang der ganzen Natur verdammt alle Neuerungen. So wie die Sonne vor zwey tausend Jahren am Himmel wandelte, so wandelt sie noch, und der Farre in <hi rendition="#g">Ganslosen</hi> besprengt die Kühe noch immer nach demselben <hi rendition="#aq">methodus</hi>, wie sein Urgroßvater in der Arche <hi rendition="#g">Noäh</hi>. – Und wir flatterhafte, unbeständige, wetterwendische <hi rendition="#g">Wirtemberger</hi> wollen alles umschaffen, alles verwandeln, alles metamorphosiren, und oben drein sind wir noch verblendet genug, in dieser unnatürlichen Thorheit den Charakter der Weisheit aufzusuchen.“</p> </div> </body> </text> </TEI> [46/0046]
Wir haben neue biblische Summarien und ein neues Gesangbuch eingeführt; wir lassen unsre Professoren Kollegia über Kant lesen; wir haben das compendium classicum auf unsrer Universität reformirt; wir haben das Predigen während des Essens im theologischen Stift in Tübingen abgeschaft; wir haben das Format unsrer Kinderlehre geändert – und nach allen diesen Neuerungen verwundern wir uns noch über den obigen Verfall? Ein weiser Mann ist überall für’s Alte. Der Gang der ganzen Natur verdammt alle Neuerungen. So wie die Sonne vor zwey tausend Jahren am Himmel wandelte, so wandelt sie noch, und der Farre in Ganslosen besprengt die Kühe noch immer nach demselben methodus, wie sein Urgroßvater in der Arche Noäh. – Und wir flatterhafte, unbeständige, wetterwendische Wirtemberger wollen alles umschaffen, alles verwandeln, alles metamorphosiren, und oben drein sind wir noch verblendet genug, in dieser unnatürlichen Thorheit den Charakter der Weisheit aufzusuchen.“
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