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[Pahl, Johann Gottfried]: Leben und Thaten des ehrwürdigen Paters Simpertus. Madrit [i. e. Heilbronn], 1799.

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juris auch dem Chevalier zu gut kommen lassen. Ihm gebührt es um so mehr, da er sonst ein frommer, andächtiger und gottesfürchtiger junger Mann war, und die Aufklärung haßte, wie Gift und Pestilenz.

Die Frau von Frankenstein hatte ein Kammermädchen, das für die erste Schönheit der Stadt passierte. Ich habe es aus eigener Erfahrung, daß weder Laie noch Priester ihr begegnen konnte, ohne gegen das Gesetz Christi zu sündigen: "Wer ein Weib ansiehet, ihr zu begehren!" Alle jungen und alte Herren des Hofes und der Dikasterien, Präsidenten, Kämmerer, Räthe, Excellenzen, Gnaden und Hochwürden buhlten um die Gunst des schönen Kindes. Aber mit unbarmherziger Sprödigkeit wies sie alle ab. Sie liebte mit reiner, keuscher Liebe einen Sekretair bey der Kammer, einen jungen, aufgeklärten Laffen, der durch sie sein Glück zu machen hoffte. Denn sie war in dem Frankensteinischen Hause sehr wohl gelitten. Die gnädige Frau lebte mit ihr auf einen freundschaftlichen Fuß, und selbst die Fürstinn war eine Bewundererinn ihrer Schönheit, und - wie sie einfältig genug hinzusetzte -

juris auch dem Chevalier zu gut kommen lassen. Ihm gebührt es um so mehr, da er sonst ein frommer, andächtiger und gottesfürchtiger junger Mann war, und die Aufklärung haßte, wie Gift und Pestilenz.

Die Frau von Frankenstein hatte ein Kammermädchen, das für die erste Schönheit der Stadt passierte. Ich habe es aus eigener Erfahrung, daß weder Laie noch Priester ihr begegnen konnte, ohne gegen das Gesetz Christi zu sündigen: „Wer ein Weib ansiehet, ihr zu begehren!“ Alle jungen und alte Herren des Hofes und der Dikasterien, Präsidenten, Kämmerer, Räthe, Excellenzen, Gnaden und Hochwürden buhlten um die Gunst des schönen Kindes. Aber mit unbarmherziger Sprödigkeit wies sie alle ab. Sie liebte mit reiner, keuscher Liebe einen Sekretair bey der Kammer, einen jungen, aufgeklärten Laffen, der durch sie sein Glück zu machen hoffte. Denn sie war in dem Frankensteinischen Hause sehr wohl gelitten. Die gnädige Frau lebte mit ihr auf einen freundschaftlichen Fuß, und selbst die Fürstinn war eine Bewundererinn ihrer Schönheit, und – wie sie einfältig genug hinzusetzte –

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[64/0064] juris auch dem Chevalier zu gut kommen lassen. Ihm gebührt es um so mehr, da er sonst ein frommer, andächtiger und gottesfürchtiger junger Mann war, und die Aufklärung haßte, wie Gift und Pestilenz. Die Frau von Frankenstein hatte ein Kammermädchen, das für die erste Schönheit der Stadt passierte. Ich habe es aus eigener Erfahrung, daß weder Laie noch Priester ihr begegnen konnte, ohne gegen das Gesetz Christi zu sündigen: „Wer ein Weib ansiehet, ihr zu begehren!“ Alle jungen und alte Herren des Hofes und der Dikasterien, Präsidenten, Kämmerer, Räthe, Excellenzen, Gnaden und Hochwürden buhlten um die Gunst des schönen Kindes. Aber mit unbarmherziger Sprödigkeit wies sie alle ab. Sie liebte mit reiner, keuscher Liebe einen Sekretair bey der Kammer, einen jungen, aufgeklärten Laffen, der durch sie sein Glück zu machen hoffte. Denn sie war in dem Frankensteinischen Hause sehr wohl gelitten. Die gnädige Frau lebte mit ihr auf einen freundschaftlichen Fuß, und selbst die Fürstinn war eine Bewundererinn ihrer Schönheit, und – wie sie einfältig genug hinzusetzte –

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Zitationshilfe: [Pahl, Johann Gottfried]: Leben und Thaten des ehrwürdigen Paters Simpertus. Madrit [i. e. Heilbronn], 1799, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_simpertus_1799/64>, abgerufen am 21.11.2024.