Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895.§. 6. Einen Vorteil hätte dieser Modus immerhin. Denn während der den Menschen als "Mechanismus" begreifen wollende Materjalist auf die ihm (und seinem Begreifen) unterschiedene Aussenwelt angewiesen ist, wäre der Spiritualist, der das Denken vom Denken aus untersuchen will, bereits mitten in seiner Materje drin. - Was wird nun dasjenige im Denken sein, welches mich bei meiner Untersuchung, wie den Leser bei dieser Schilderung, am intensivsten von der Omnipotenz dieses merkwürdigen, inneren Erlebnisses überzeugen wird? - Der Leser erwarte nicht, dass ich hier im Stile der älteren Psichologen ein vollständiges Inventar unseres Geistes nach Vorstellungen, Empfindungen, Gefühlen ihm vorführe, oder nach Art unserer modernen Hipnotisten die reizvollen Untersuchungen über das Verhalten unserer Psiche bei jeweilig empirisch geänderten Bedingungen hier schildere. Das Alles könte mich nicht fördern; noch mich von der ausschlaggebenden Wichtigkeit, von dem Primat, meines Denkens überzeugen. Wer die gesamte Welt vom Denken aus konstruiren will, muss es von seinem Denken aus tun. Und wer es von seinem Denken aus unternehmen will, muss es von einem persönlichen Erlebnis in seinem Denken aus tun. Und erst die Übereinstimmung im Denken des Lesers mit dem Denken des Verfassers (soweit die Sprache es zulässt) unterscheidet über die Tüchtigkeit eines Sistems. - Was ist nun dasjenige persönliche Erlebnis in uns, welches uns am entschiedensten, am direktesten, oft in erschreckender Weise, den Gedanken von der Genuität, von der Ursprünglichkeit des Denkens nahelegt? - Der Zwangs-Gedanke. Die Inspirazion. Die Halluzinazion. - Woher der plözlich, wie aus heiterem Himmel, mitten in unsere alltäglichen Vorstellungen hineinplazende Gedanke, der nichts ähnliches vor sich noch nach sich hat, wie ein erratischer Block mitten in unserem Denken liegt, nicht weichen noch wanken will, und uns unwillkürlich den Schritt hemmen heisst? Woher §. 6. Einen Vorteil hätte dieser Modus immerhin. Denn während der den Menschen als „Mechanismus“ begreifen wollende Materjalist auf die ihm (und seinem Begreifen) unterschiedene Aussenwelt angewiesen ist, wäre der Spiritualist, der das Denken vom Denken aus untersuchen will, bereits mitten in seiner Materje drin. – Was wird nun dasjenige im Denken sein, welches mich bei meiner Untersuchung, wie den Leser bei dieser Schilderung, am intensivsten von der Omnipotenz dieses merkwürdigen, inneren Erlebnisses überzeugen wird? – Der Leser erwarte nicht, dass ich hier im Stile der älteren Psichologen ein vollständiges Inventar unseres Geistes nach Vorstellungen, Empfindungen, Gefühlen ihm vorführe, oder nach Art unserer modernen Hipnotisten die reizvollen Untersuchungen über das Verhalten unserer Psiche bei jeweilig empirisch geänderten Bedingungen hier schildere. Das Alles könte mich nicht fördern; noch mich von der ausschlaggebenden Wichtigkeit, von dem Primat, meines Denkens überzeugen. Wer die gesamte Welt vom Denken aus konstruiren will, muss es von seinem Denken aus tun. Und wer es von seinem Denken aus unternehmen will, muss es von einem persönlichen Erlebnis in seinem Denken aus tun. Und erst die Übereinstimmung im Denken des Lesers mit dem Denken des Verfassers (soweit die Sprache es zulässt) unterscheidet über die Tüchtigkeit eines Sistems. – Was ist nun dasjenige persönliche Erlebnis in uns, welches uns am entschiedensten, am direktesten, oft in erschreckender Weise, den Gedanken von der Genuität, von der Ursprünglichkeit des Denkens nahelegt? – Der Zwangs-Gedanke. Die Inspirazion. Die Halluzinazion. – Woher der plözlich, wie aus heiterem Himmel, mitten in unsere alltäglichen Vorstellungen hineinplazende Gedanke, der nichts ähnliches vor sich noch nach sich hat, wie ein erratischer Block mitten in unserem Denken liegt, nicht weichen noch wanken will, und uns unwillkürlich den Schritt hemmen heisst? 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Das Alles könte mich nicht fördern; noch mich von der ausschlaggebenden Wichtigkeit, von dem Primat, meines Denkens überzeugen. Wer die gesamte Welt vom Denken aus konstruiren will, muss es von <hi rendition="#g">seinem</hi> Denken aus tun. Und wer es von seinem Denken aus unternehmen will, muss es von einem <hi rendition="#g">persönlichen Erlebnis</hi> in seinem Denken aus tun. 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§. 6.
Einen Vorteil hätte dieser Modus immerhin. Denn während der den Menschen als „Mechanismus“ begreifen wollende Materjalist auf die ihm (und seinem Begreifen) unterschiedene Aussenwelt angewiesen ist, wäre der Spiritualist, der das Denken vom Denken aus untersuchen will, bereits mitten in seiner Materje drin. – Was wird nun dasjenige im Denken sein, welches mich bei meiner Untersuchung, wie den Leser bei dieser Schilderung, am intensivsten von der Omnipotenz dieses merkwürdigen, inneren Erlebnisses überzeugen wird? – Der Leser erwarte nicht, dass ich hier im Stile der älteren Psichologen ein vollständiges Inventar unseres Geistes nach Vorstellungen, Empfindungen, Gefühlen ihm vorführe, oder nach Art unserer modernen Hipnotisten die reizvollen Untersuchungen über das Verhalten unserer Psiche bei jeweilig empirisch geänderten Bedingungen hier schildere. Das Alles könte mich nicht fördern; noch mich von der ausschlaggebenden Wichtigkeit, von dem Primat, meines Denkens überzeugen. Wer die gesamte Welt vom Denken aus konstruiren will, muss es von seinem Denken aus tun. Und wer es von seinem Denken aus unternehmen will, muss es von einem persönlichen Erlebnis in seinem Denken aus tun. Und erst die Übereinstimmung im Denken des Lesers mit dem Denken des Verfassers (soweit die Sprache es zulässt) unterscheidet über die Tüchtigkeit eines Sistems. – Was ist nun dasjenige persönliche Erlebnis in uns, welches uns am entschiedensten, am direktesten, oft in erschreckender Weise, den Gedanken von der Genuität, von der Ursprünglichkeit des Denkens nahelegt? – Der Zwangs-Gedanke. Die Inspirazion. Die Halluzinazion. – Woher der plözlich, wie aus heiterem Himmel, mitten in unsere alltäglichen Vorstellungen hineinplazende Gedanke, der nichts ähnliches vor sich noch nach sich hat, wie ein erratischer Block mitten in unserem Denken liegt, nicht weichen noch wanken will, und uns unwillkürlich den Schritt hemmen heisst? Woher
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