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Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895.

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würde empfindlich zurükgestossen werden. Denn von einem Übertritt von Psichischem in den mechanischen Gehirn-Reflex wollen die konsequenten Materjalisten nichts wissen. Also auch hier dieselbe Zweideutigkeit und Unklarheit in unserem Denken, die wir schon oben gerügt haben. Auf der einen Seite soll die "unbewusste Vorstellung" etwas Geistiges an sich haben, denn sonst könnte sie ja in der psichischen Kausalreihe nicht figuriren, und den "Einfall", den "Zwangsgedanken", als bewusst herausgefallenes Glied aus der Assoziazions-Kette, nicht erklären. Auf der andern Seite aber soll die "unbewusste Vorstellung" wieder nichts Geistiges an sich haben, denn sonst fiele sie ja, als Geistiges, in unser Bewusstsein, wo sie eben nicht da ist, und wo ihr Fehlen erklärt werden soll. Also die Frage nach der Herkunft des assoziazionslosen Zwangs-Gedankens, des "Einfalls", in unserem Denken ist durch den Hinweis auf "unbewusste Vorstellungen" nicht beantwortet, sondern mittelst eines dualistisch angelegten, das Kausal-Gesez umgehenden, Begriffs-Kunststüks unter den Tisch geworfen.1)

§. 7.

Betrachten wir die Halluzinazion! - Es ist bekant, dass sie als solche ein durchaus in die Breite fisiologischer Gesundheit fallendes psichisches Ereignis ist. Wir haben also hier nicht nur eine psichiatrische Frage vor uns. Die Halluzinazion ist ein Einbruch in mein Denken, der nicht rein geistige Leistung bleibt, sondern - empirisch gesprochen - mit einer Projekzion in die Aussenwelt verknüpft

1) "Unbewusste Vorstellungen"! - Auf diesem Zwitterbegriff hat sich in unseren Tagen eine Filosofie breit machen wollen ("Philosophie des Unbewussten"), die mittelst des Studiums von Rükenmarks-Ganglien und Gehirn-Anatomie ein für das Denken gültige Anschauung zu gewinnen hofte; ein Versuch, den der konsequente Büchner mit Recht durch die dumbe Frage zurückwies: woher denn ihr Verfasser das Unbewusste wüsste? und die in der Geschichte der deutschen Filosofie wohl bald denjenigen Plaz einnehmen wird, der ihr gebührt: die tiefste Stelle.

würde empfindlich zurükgestossen werden. Denn von einem Übertritt von Psichischem in den mechanischen Gehirn-Reflex wollen die konsequenten Materjalisten nichts wissen. Also auch hier dieselbe Zweideutigkeit und Unklarheit in unserem Denken, die wir schon oben gerügt haben. Auf der einen Seite soll die „unbewusste Vorstellung“ etwas Geistiges an sich haben, denn sonst könnte sie ja in der psichischen Kausalreihe nicht figuriren, und den „Einfall“, den „Zwangsgedanken“, als bewusst herausgefallenes Glied aus der Assoziazions-Kette, nicht erklären. Auf der andern Seite aber soll die „unbewusste Vorstellung“ wieder nichts Geistiges an sich haben, denn sonst fiele sie ja, als Geistiges, in unser Bewusstsein, wo sie eben nicht da ist, und wo ihr Fehlen erklärt werden soll. Also die Frage nach der Herkunft des assoziazionslosen Zwangs-Gedankens, des „Einfalls“, in unserem Denken ist durch den Hinweis auf „unbewusste Vorstellungen“ nicht beantwortet, sondern mittelst eines dualistisch angelegten, das Kausal-Gesez umgehenden, Begriffs-Kunststüks unter den Tisch geworfen.1)

§. 7.

Betrachten wir die Halluzinazion! – Es ist bekant, dass sie als solche ein durchaus in die Breite fisiologischer Gesundheit fallendes psichisches Ereignis ist. Wir haben also hier nicht nur eine psichiatrische Frage vor uns. Die Halluzinazion ist ein Einbruch in mein Denken, der nicht rein geistige Leistung bleibt, sondern – empirisch gesprochen – mit einer Projekzion in die Aussenwelt verknüpft

1) „Unbewusste Vorstellungen“! – Auf diesem Zwitterbegriff hat sich in unseren Tagen eine Filosofie breit machen wollen („Philosophie des Unbewussten“), die mittelst des Studiums von Rükenmarks-Ganglien und Gehirn-Anatomie ein für das Denken gültige Anschauung zu gewinnen hofte; ein Versuch, den der konsequente Büchner mit Recht durch die dumbe Frage zurückwies: woher denn ihr Verfasser das Unbewusste wüsste? und die in der Geschichte der deutschen Filosofie wohl bald denjenigen Plaz einnehmen wird, der ihr gebührt: die tiefste Stelle.
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würde empfindlich zurükgestossen werden. Denn von einem Übertritt von Psichischem in den mechanischen Gehirn-Reflex wollen die konsequenten Materjalisten nichts wissen. Also auch hier dieselbe Zweideutigkeit und Unklarheit in unserem Denken, die wir schon oben gerügt haben. Auf der einen Seite soll die &#x201E;unbewusste Vorstellung&#x201C; etwas Geistiges an sich haben, denn sonst könnte sie ja in der psichischen Kausalreihe nicht figuriren, und den &#x201E;Einfall&#x201C;, den &#x201E;Zwangsgedanken&#x201C;, als bewusst herausgefallenes Glied aus der Assoziazions-Kette, nicht erklären. Auf der andern Seite aber soll die &#x201E;unbewusste Vorstellung&#x201C; wieder <hi rendition="#g">nichts</hi> Geistiges an sich haben, denn sonst fiele sie ja, als Geistiges, in unser Bewusstsein, wo sie eben nicht da ist, und wo ihr Fehlen erklärt werden soll. Also die Frage nach der Herkunft des assoziazionslosen Zwangs-Gedankens, des &#x201E;Einfalls&#x201C;, in unserem Denken ist durch den Hinweis auf &#x201E;unbewusste Vorstellungen&#x201C; nicht beantwortet, sondern mittelst eines dualistisch angelegten, das Kausal-Gesez umgehenden, Begriffs-Kunststüks unter den Tisch geworfen.<note place="foot" n="1)">&#x201E;Unbewusste Vorstellungen&#x201C;! &#x2013; Auf diesem Zwitterbegriff hat sich in unseren Tagen eine Filosofie breit machen wollen (&#x201E;Philosophie des Unbewussten&#x201C;), die mittelst des Studiums von Rükenmarks-Ganglien und Gehirn-Anatomie ein für das <hi rendition="#g">Denken</hi> gültige Anschauung zu gewinnen hofte; ein Versuch, den der konsequente <hi rendition="#g">Büchner</hi> mit Recht durch die dumbe Frage zurückwies: woher denn ihr Verfasser das <hi rendition="#g">Unbewusste wüsste</hi>? und die in der Geschichte der deutschen Filosofie wohl bald denjenigen Plaz einnehmen wird, der ihr gebührt: die tiefste Stelle.</note></p>
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[18/0019] würde empfindlich zurükgestossen werden. Denn von einem Übertritt von Psichischem in den mechanischen Gehirn-Reflex wollen die konsequenten Materjalisten nichts wissen. Also auch hier dieselbe Zweideutigkeit und Unklarheit in unserem Denken, die wir schon oben gerügt haben. Auf der einen Seite soll die „unbewusste Vorstellung“ etwas Geistiges an sich haben, denn sonst könnte sie ja in der psichischen Kausalreihe nicht figuriren, und den „Einfall“, den „Zwangsgedanken“, als bewusst herausgefallenes Glied aus der Assoziazions-Kette, nicht erklären. Auf der andern Seite aber soll die „unbewusste Vorstellung“ wieder nichts Geistiges an sich haben, denn sonst fiele sie ja, als Geistiges, in unser Bewusstsein, wo sie eben nicht da ist, und wo ihr Fehlen erklärt werden soll. Also die Frage nach der Herkunft des assoziazionslosen Zwangs-Gedankens, des „Einfalls“, in unserem Denken ist durch den Hinweis auf „unbewusste Vorstellungen“ nicht beantwortet, sondern mittelst eines dualistisch angelegten, das Kausal-Gesez umgehenden, Begriffs-Kunststüks unter den Tisch geworfen. 1) §. 7. Betrachten wir die Halluzinazion! – Es ist bekant, dass sie als solche ein durchaus in die Breite fisiologischer Gesundheit fallendes psichisches Ereignis ist. Wir haben also hier nicht nur eine psichiatrische Frage vor uns. Die Halluzinazion ist ein Einbruch in mein Denken, der nicht rein geistige Leistung bleibt, sondern – empirisch gesprochen – mit einer Projekzion in die Aussenwelt verknüpft 1) „Unbewusste Vorstellungen“! – Auf diesem Zwitterbegriff hat sich in unseren Tagen eine Filosofie breit machen wollen („Philosophie des Unbewussten“), die mittelst des Studiums von Rükenmarks-Ganglien und Gehirn-Anatomie ein für das Denken gültige Anschauung zu gewinnen hofte; ein Versuch, den der konsequente Büchner mit Recht durch die dumbe Frage zurückwies: woher denn ihr Verfasser das Unbewusste wüsste? und die in der Geschichte der deutschen Filosofie wohl bald denjenigen Plaz einnehmen wird, der ihr gebührt: die tiefste Stelle.

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Zitationshilfe: Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/panizza_illusionismus_1895/19>, abgerufen am 21.11.2024.