Pappenheim, Bertha u. a.: Zur Lage der jüdischen Bevölkerung in Galizien. Reise-Eindrücke und Vorschläge zur Besserung der Verhältnisse. Frankfurt (Main), 1904.bewertet, auf gegenseitige Zuneigung aber und geistige Anteilnahme am Leben des Mannes kein Gewicht gelegt worden ist, so war für die Hingabe der Frau weder ein ehrlich sinnlicher noch ein feingeistiger Reiz vorhanden. Eine gewisse Abstumpfung der jüdischen Frauen in geschlechtlichen Dingen hat infolgedessen Platz gegriffen. Hierzu tritt, daß durch die Unbildung der Frauen ihrem Geiste und ihren oft lebhaften Empfindungen jede gesunde Nahrung abgeschnitten ist, so daß diesen außerhalb des körperlichen Ich kein Spielraum gegeben wird. So sieht man die Phantasie förmlich in Bahnen gezwungen, die auf verderblichen Boden führen. Als letzten, aber sicher allerwichtigsten Faktor zur Erklärung der aus religiösen, sowie sozialen Gründen nicht ausreichend begründeten Erscheinungen ist meines Erachtens die Langeweile anzuführen. Das Leben der Frauen und Mädchen in Galizien, die nicht aufs Verdienen in den drückendsten und beschämendsten Formen angewiesen sind, ist öde und entbehrt jeglicher Anregung, jeden Interesses. Das Aufgehen in großen und kleinen häuslichen Angelegenheiten, wie dies bei vielen deutschen Hausfrauen einst allgemein war und heute noch vielfach ist, fällt für einen polnischen Haushalt, christlich und jüdisch, weg; aber es treten auch keine anderen geschäftlichen, philanthropischen, wissenschaftlichen oder gar politischen Interessen an deren Stelle. Dieser Menge fauler und denkfauler Frauen, Haustiere im niedrigsten Sinne, diesen müßiggehenden Mädchen, die nur darauf warten, durch eine möglichst "gute Partie" ihrem Schicksal, der geschlechtlichen Verwertung, zu verfallen, steht in den Garnisonen, in der Beamtenschaft der kleinen Städte und in der talmudbeflissenen Jugend ebenfalls eine Menge von Müßiggängern gegenüber. Beiderseits braucht und sucht man Unterhaltung und Abwechslung und findet sie zum eigenen Schaden, sowie dem der Gesamtheit. Welchen Einfluß Schule und Arbeit im Gegensatz zu Unbildung und Müßigung auf einen ganzen Ort ausüben kann, davon ist Borislaw ein auffallendes Beispiel. Trotzdem es durch die lehmige Beschaffenheit seines Bodens, durch die Erdarbeit und die für die Röhrenleitungen des Naphtha beständig nötigen Aufgrabungen das schmutzigste Dorf war, das wir - freilich nach einem furchtbaren Platzregen - sahen, bewertet, auf gegenseitige Zuneigung aber und geistige Anteilnahme am Leben des Mannes kein Gewicht gelegt worden ist, so war für die Hingabe der Frau weder ein ehrlich sinnlicher noch ein feingeistiger Reiz vorhanden. Eine gewisse Abstumpfung der jüdischen Frauen in geschlechtlichen Dingen hat infolgedessen Platz gegriffen. Hierzu tritt, daß durch die Unbildung der Frauen ihrem Geiste und ihren oft lebhaften Empfindungen jede gesunde Nahrung abgeschnitten ist, so daß diesen außerhalb des körperlichen Ich kein Spielraum gegeben wird. So sieht man die Phantasie förmlich in Bahnen gezwungen, die auf verderblichen Boden führen. Als letzten, aber sicher allerwichtigsten Faktor zur Erklärung der aus religiösen, sowie sozialen Gründen nicht ausreichend begründeten Erscheinungen ist meines Erachtens die Langeweile anzuführen. Das Leben der Frauen und Mädchen in Galizien, die nicht aufs Verdienen in den drückendsten und beschämendsten Formen angewiesen sind, ist öde und entbehrt jeglicher Anregung, jeden Interesses. Das Aufgehen in großen und kleinen häuslichen Angelegenheiten, wie dies bei vielen deutschen Hausfrauen einst allgemein war und heute noch vielfach ist, fällt für einen polnischen Haushalt, christlich und jüdisch, weg; aber es treten auch keine anderen geschäftlichen, philanthropischen, wissenschaftlichen oder gar politischen Interessen an deren Stelle. Dieser Menge fauler und denkfauler Frauen, Haustiere im niedrigsten Sinne, diesen müßiggehenden Mädchen, die nur darauf warten, durch eine möglichst „gute Partie“ ihrem Schicksal, der geschlechtlichen Verwertung, zu verfallen, steht in den Garnisonen, in der Beamtenschaft der kleinen Städte und in der talmudbeflissenen Jugend ebenfalls eine Menge von Müßiggängern gegenüber. Beiderseits braucht und sucht man Unterhaltung und Abwechslung und findet sie zum eigenen Schaden, sowie dem der Gesamtheit. Welchen Einfluß Schule und Arbeit im Gegensatz zu Unbildung und Müßigung auf einen ganzen Ort ausüben kann, davon ist Borislaw ein auffallendes Beispiel. Trotzdem es durch die lehmige Beschaffenheit seines Bodens, durch die Erdarbeit und die für die Röhrenleitungen des Naphtha beständig nötigen Aufgrabungen das schmutzigste Dorf war, das wir – freilich nach einem furchtbaren Platzregen – sahen, <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0047" n="47"/> bewertet, auf gegenseitige Zuneigung aber und geistige Anteilnahme am Leben des Mannes kein Gewicht gelegt worden ist, so war für die Hingabe der Frau weder ein ehrlich sinnlicher noch ein feingeistiger Reiz vorhanden. 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Welchen Einfluß Schule und Arbeit im Gegensatz zu Unbildung und Müßigung auf einen ganzen Ort ausüben kann, davon ist Borislaw ein auffallendes Beispiel. Trotzdem es durch die lehmige Beschaffenheit seines Bodens, durch die Erdarbeit und die für die Röhrenleitungen des Naphtha beständig nötigen Aufgrabungen das schmutzigste Dorf war, das wir – freilich nach einem furchtbaren Platzregen – sahen, </p> </div> </body> </text> </TEI> [47/0047]
bewertet, auf gegenseitige Zuneigung aber und geistige Anteilnahme am Leben des Mannes kein Gewicht gelegt worden ist, so war für die Hingabe der Frau weder ein ehrlich sinnlicher noch ein feingeistiger Reiz vorhanden. Eine gewisse Abstumpfung der jüdischen Frauen in geschlechtlichen Dingen hat infolgedessen Platz gegriffen.
Hierzu tritt, daß durch die Unbildung der Frauen ihrem Geiste und ihren oft lebhaften Empfindungen jede gesunde Nahrung abgeschnitten ist, so daß diesen außerhalb des körperlichen Ich kein Spielraum gegeben wird. So sieht man die Phantasie förmlich in Bahnen gezwungen, die auf verderblichen Boden führen.
Als letzten, aber sicher allerwichtigsten Faktor zur Erklärung der aus religiösen, sowie sozialen Gründen nicht ausreichend begründeten Erscheinungen ist meines Erachtens die Langeweile anzuführen.
Das Leben der Frauen und Mädchen in Galizien, die nicht aufs Verdienen in den drückendsten und beschämendsten Formen angewiesen sind, ist öde und entbehrt jeglicher Anregung, jeden Interesses. Das Aufgehen in großen und kleinen häuslichen Angelegenheiten, wie dies bei vielen deutschen Hausfrauen einst allgemein war und heute noch vielfach ist, fällt für einen polnischen Haushalt, christlich und jüdisch, weg; aber es treten auch keine anderen geschäftlichen, philanthropischen, wissenschaftlichen oder gar politischen Interessen an deren Stelle. Dieser Menge fauler und denkfauler Frauen, Haustiere im niedrigsten Sinne, diesen müßiggehenden Mädchen, die nur darauf warten, durch eine möglichst „gute Partie“ ihrem Schicksal, der geschlechtlichen Verwertung, zu verfallen, steht in den Garnisonen, in der Beamtenschaft der kleinen Städte und in der talmudbeflissenen Jugend ebenfalls eine Menge von Müßiggängern gegenüber. Beiderseits braucht und sucht man Unterhaltung und Abwechslung und findet sie zum eigenen Schaden, sowie dem der Gesamtheit. Welchen Einfluß Schule und Arbeit im Gegensatz zu Unbildung und Müßigung auf einen ganzen Ort ausüben kann, davon ist Borislaw ein auffallendes Beispiel. Trotzdem es durch die lehmige Beschaffenheit seines Bodens, durch die Erdarbeit und die für die Röhrenleitungen des Naphtha beständig nötigen Aufgrabungen das schmutzigste Dorf war, das wir – freilich nach einem furchtbaren Platzregen – sahen,
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