Pappenheim, Bertha u. a.: Zur Lage der jüdischen Bevölkerung in Galizien. Reise-Eindrücke und Vorschläge zur Besserung der Verhältnisse. Frankfurt (Main), 1904.Bericht an den Israelitischen Hilfsverein über die von mir eingezogenen Informationen bezüglich der Bekämpfung des Mädchenhandels unter den galizischen Juden. Die Reise, auf der ich mich mit Fräulein Pappenheim vom 28. April bis zum 1. Juni 1903 in Galizien befand, hatte zum Zwecke, Informationen über den jüdischen Mädchenhandel und dessen Bekämpfung einzuziehen. Wir haben uns aber bald davon überzeugt, daß man diese Frage ohne Berücksichtigung der allgemeinen Lage der Juden in Galizien nicht behandeln kann und haben daher unsere Aufmerksamkeit der Betrachtung der allgemeinen Zustände zugewendet. In den Städten und Orten, die ich aufgesucht habe (Tarnow, Dombrowa, Zabno, Rzeszow, Dukla, Lemberg, Jariczow, Brody, Sassow, Zloczow, Tarnapol, Czortkow, Stanislau, Czerniejow, Kolomea, Slobotka lesnia, Obertin, Zaleszczyky, Sadagora und Borislaw), habe ich mir daher Mühe gegeben, jene Kreise der jüdischen Bevölkerung kennen zu lernen, in denen ich das Charakteristische des wirtschaftlichen, sozialen und geistigen Niveaus der galizischen Juden finden zu können glaubte. Durch die Beobachtungen habe ich die festeste Überzeugung gewonnen, daß der Mädchenhandel in Galizien keinesfalls als eine isolierte Erscheinung behandelt werden darf. Vielmehr wurzelt seine Ursache in der allgemeinen wirtschaftlichen und geistigen Armut auf der einen Seite und in der Unsicherheit der Existenz, die zu einer fortwährenden Fluktuation der jüdischen Bevölkerung von Ort zu Ort und von Staat zu Staat führt, auf der anderen Seite. Daher richten sich die praktischen Vorschläge, die ich an den "Israelitischen Hilfsverein" zum Zwecke der Bekämpfung des Mädchenhandels zu machen habe, einerseits auf die Abhilfe der wirtschaftlichen und geistigen Not der Juden, andererseits auf die Regulierung der jüdischen Emigration aus Galizien. Bericht an den Israelitischen Hilfsverein über die von mir eingezogenen Informationen bezüglich der Bekämpfung des Mädchenhandels unter den galizischen Juden. Die Reise, auf der ich mich mit Fräulein Pappenheim vom 28. April bis zum 1. Juni 1903 in Galizien befand, hatte zum Zwecke, Informationen über den jüdischen Mädchenhandel und dessen Bekämpfung einzuziehen. Wir haben uns aber bald davon überzeugt, daß man diese Frage ohne Berücksichtigung der allgemeinen Lage der Juden in Galizien nicht behandeln kann und haben daher unsere Aufmerksamkeit der Betrachtung der allgemeinen Zustände zugewendet. In den Städten und Orten, die ich aufgesucht habe (Tarnow, Dombrowa, Zabno, Rzeszow, Dukla, Lemberg, Jariczow, Brody, Sassow, Zloczow, Tarnapol, Czortkow, Stanislau, Czerniejow, Kolomea, Slobotka lesnia, Obertin, Zaleszczyky, Sadagora und Borislaw), habe ich mir daher Mühe gegeben, jene Kreise der jüdischen Bevölkerung kennen zu lernen, in denen ich das Charakteristische des wirtschaftlichen, sozialen und geistigen Niveaus der galizischen Juden finden zu können glaubte. Durch die Beobachtungen habe ich die festeste Überzeugung gewonnen, daß der Mädchenhandel in Galizien keinesfalls als eine isolierte Erscheinung behandelt werden darf. Vielmehr wurzelt seine Ursache in der allgemeinen wirtschaftlichen und geistigen Armut auf der einen Seite und in der Unsicherheit der Existenz, die zu einer fortwährenden Fluktuation der jüdischen Bevölkerung von Ort zu Ort und von Staat zu Staat führt, auf der anderen Seite. Daher richten sich die praktischen Vorschläge, die ich an den „Israelitischen Hilfsverein“ zum Zwecke der Bekämpfung des Mädchenhandels zu machen habe, einerseits auf die Abhilfe der wirtschaftlichen und geistigen Not der Juden, andererseits auf die Regulierung der jüdischen Emigration aus Galizien. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0066" n="66"/> <div n="1"> <head>Bericht an den Israelitischen Hilfsverein<lb/><hi rendition="#g">über die von mir eingezogenen Informationen bezüglich der Bekämpfung des Mädchenhandels unter den galizischen Juden.</hi></head> <p>Die Reise, auf der ich mich mit Fräulein Pappenheim vom 28. April bis zum 1. Juni 1903 in Galizien befand, hatte zum Zwecke, Informationen über den jüdischen Mädchenhandel und dessen Bekämpfung einzuziehen. Wir haben uns aber bald davon überzeugt, daß man diese Frage ohne Berücksichtigung der allgemeinen Lage der Juden in Galizien nicht behandeln kann und haben daher unsere Aufmerksamkeit der Betrachtung der <choice><sic>allgegemeinen</sic><corr>allgemeinen</corr></choice> Zustände zugewendet. In den Städten und Orten, die ich aufgesucht habe (Tarnow, Dombrowa, Zabno, Rzeszow, Dukla, Lemberg, Jariczow, Brody, Sassow, Zloczow, Tarnapol, Czortkow, Stanislau, Czerniejow, Kolomea, Slobotka <choice><sic>Lesnia</sic><corr>lesnia</corr></choice>, Obertin, Zaleszczyky, Sadagora und Borislaw), habe ich mir daher Mühe gegeben, jene Kreise der jüdischen Bevölkerung kennen zu lernen, in denen ich das Charakteristische des wirtschaftlichen, sozialen und geistigen Niveaus der galizischen Juden finden zu können glaubte.</p> <p>Durch die Beobachtungen habe ich die festeste Überzeugung gewonnen, daß der Mädchenhandel in Galizien keinesfalls als eine isolierte Erscheinung behandelt werden darf. Vielmehr wurzelt seine Ursache in der allgemeinen wirtschaftlichen und geistigen Armut auf der einen Seite und in der Unsicherheit der Existenz, die zu einer fortwährenden Fluktuation der jüdischen Bevölkerung von Ort zu Ort und von Staat zu Staat führt, auf der anderen Seite.</p> <p>Daher richten sich die praktischen Vorschläge, die ich an den „Israelitischen Hilfsverein“ zum Zwecke der Bekämpfung des Mädchenhandels zu machen habe, einerseits auf die Abhilfe der wirtschaftlichen und geistigen Not der Juden, andererseits auf die Regulierung der jüdischen Emigration aus Galizien.</p> </div> </body> </text> </TEI> [66/0066]
Bericht an den Israelitischen Hilfsverein
über die von mir eingezogenen Informationen bezüglich der Bekämpfung des Mädchenhandels unter den galizischen Juden. Die Reise, auf der ich mich mit Fräulein Pappenheim vom 28. April bis zum 1. Juni 1903 in Galizien befand, hatte zum Zwecke, Informationen über den jüdischen Mädchenhandel und dessen Bekämpfung einzuziehen. Wir haben uns aber bald davon überzeugt, daß man diese Frage ohne Berücksichtigung der allgemeinen Lage der Juden in Galizien nicht behandeln kann und haben daher unsere Aufmerksamkeit der Betrachtung der allgemeinen Zustände zugewendet. In den Städten und Orten, die ich aufgesucht habe (Tarnow, Dombrowa, Zabno, Rzeszow, Dukla, Lemberg, Jariczow, Brody, Sassow, Zloczow, Tarnapol, Czortkow, Stanislau, Czerniejow, Kolomea, Slobotka lesnia, Obertin, Zaleszczyky, Sadagora und Borislaw), habe ich mir daher Mühe gegeben, jene Kreise der jüdischen Bevölkerung kennen zu lernen, in denen ich das Charakteristische des wirtschaftlichen, sozialen und geistigen Niveaus der galizischen Juden finden zu können glaubte.
Durch die Beobachtungen habe ich die festeste Überzeugung gewonnen, daß der Mädchenhandel in Galizien keinesfalls als eine isolierte Erscheinung behandelt werden darf. Vielmehr wurzelt seine Ursache in der allgemeinen wirtschaftlichen und geistigen Armut auf der einen Seite und in der Unsicherheit der Existenz, die zu einer fortwährenden Fluktuation der jüdischen Bevölkerung von Ort zu Ort und von Staat zu Staat führt, auf der anderen Seite.
Daher richten sich die praktischen Vorschläge, die ich an den „Israelitischen Hilfsverein“ zum Zwecke der Bekämpfung des Mädchenhandels zu machen habe, einerseits auf die Abhilfe der wirtschaftlichen und geistigen Not der Juden, andererseits auf die Regulierung der jüdischen Emigration aus Galizien.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |