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Pappenheim, Bertha u. a.: Zur Lage der jüdischen Bevölkerung in Galizien. Reise-Eindrücke und Vorschläge zur Besserung der Verhältnisse. Frankfurt (Main), 1904.

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sich dem Volke zu nähern. Die elementare Bedeutung der Abend- und Samstagsschule ist klar. In einem Lande wie Galizien, wo es so viele erwachsene Analphabeten gibt, sind solche Schulen ein wahrer Segen für das Volk. Die Baron Hirsch-Stiftung hat die Bedeutung dieser Schulen schon in den ersten Jahren ihres Bestehens eingesehen, indem sie an ihren meisten Schulen Abendklassen eingerichtet hat. Nach dem Berichte von 1901 unterhält die Baron Hirsch Stiftung 31 solcher Abendschulen, in welchen über 1600 Menschen aus dem Dunkel der Unwissenheit herausgerissen werden.

Die Abendschulen haben jedoch noch einen weiteren Wert. Sie entziehen den Mann der Schänke und die Frau der Straße; sie erwecken im Volke das Bedürfnis nach einer freundlichen und anregenden Geselligkeit und führen zur Erweiterung seines ganzen Gesichtskreises. Es muß mit Bedauern ausgesprochen werden, daß die Baron Hirsch Stiftung für die jüdischen Mädchen in dieser Richtung nichts getan hat.

Dabei haben es die Mädchen noch nötiger als die Männer, denn für sie existiert in Galizien gar keine Möglichkeit einer geistigen Geselligkeit: ihre ganze freie Zeit gehört der Straße, und jeden Abend sind sie neuen Versuchungen ausgesetzt.

Der genannte zionistische Mädchenverein in Stanislau hat eine Abend- und Samstagsschule für Mädchen eingerichtet, in der die Mitglieder des Vereines unentgeltlich unterrichten. Sonst haben wir von keiner einzigen Abendschule für Mädchen und Frauen in Galizien gehört - und dies in einem Lande, wo das jüdische Volk kaum die Umgangssprache beherrscht, wo ein großer Prozentsatz der Bevölkerung Analphabeten aufweist, wo die jüdischen Mädchen nirgends die Möglichkeit haben, auf gemütliche und angenehme Art zusammenzukommen, um etwas zu lernen oder zu hören.

Dabei ist die Errichtung von Abend- und Samstagsschulen ebenso billig wie die Einrichtung von Horten. Es gehört dazu ein Schulraum, den man in einer lokalen jüdischen Schule unentgeltlich oder gegen eine sehr kleine Entschädigung bekommen kann, und geeignete Lehrkräfte, die sich zum Teil ebenfalls unentgeltlich aus intelligenten Volksfreunden rekrutieren lassen. Dazu kämen noch die Kosten für Heizung und Beleuchtung. Es wäre den

sich dem Volke zu nähern. Die elementare Bedeutung der Abend- und Samstagsschule ist klar. In einem Lande wie Galizien, wo es so viele erwachsene Analphabeten gibt, sind solche Schulen ein wahrer Segen für das Volk. Die Baron Hirsch-Stiftung hat die Bedeutung dieser Schulen schon in den ersten Jahren ihres Bestehens eingesehen, indem sie an ihren meisten Schulen Abendklassen eingerichtet hat. Nach dem Berichte von 1901 unterhält die Baron Hirsch Stiftung 31 solcher Abendschulen, in welchen über 1600 Menschen aus dem Dunkel der Unwissenheit herausgerissen werden.

Die Abendschulen haben jedoch noch einen weiteren Wert. Sie entziehen den Mann der Schänke und die Frau der Straße; sie erwecken im Volke das Bedürfnis nach einer freundlichen und anregenden Geselligkeit und führen zur Erweiterung seines ganzen Gesichtskreises. Es muß mit Bedauern ausgesprochen werden, daß die Baron Hirsch Stiftung für die jüdischen Mädchen in dieser Richtung nichts getan hat.

Dabei haben es die Mädchen noch nötiger als die Männer, denn für sie existiert in Galizien gar keine Möglichkeit einer geistigen Geselligkeit: ihre ganze freie Zeit gehört der Straße, und jeden Abend sind sie neuen Versuchungen ausgesetzt.

Der genannte zionistische Mädchenverein in Stanislau hat eine Abend- und Samstagsschule für Mädchen eingerichtet, in der die Mitglieder des Vereines unentgeltlich unterrichten. Sonst haben wir von keiner einzigen Abendschule für Mädchen und Frauen in Galizien gehört – und dies in einem Lande, wo das jüdische Volk kaum die Umgangssprache beherrscht, wo ein großer Prozentsatz der Bevölkerung Analphabeten aufweist, wo die jüdischen Mädchen nirgends die Möglichkeit haben, auf gemütliche und angenehme Art zusammenzukommen, um etwas zu lernen oder zu hören.

Dabei ist die Errichtung von Abend- und Samstagsschulen ebenso billig wie die Einrichtung von Horten. Es gehört dazu ein Schulraum, den man in einer lokalen jüdischen Schule unentgeltlich oder gegen eine sehr kleine Entschädigung bekommen kann, und geeignete Lehrkräfte, die sich zum Teil ebenfalls unentgeltlich aus intelligenten Volksfreunden rekrutieren lassen. Dazu kämen noch die Kosten für Heizung und Beleuchtung. Es wäre den

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[92/0092] sich dem Volke zu nähern. Die elementare Bedeutung der Abend- und Samstagsschule ist klar. In einem Lande wie Galizien, wo es so viele erwachsene Analphabeten gibt, sind solche Schulen ein wahrer Segen für das Volk. Die Baron Hirsch-Stiftung hat die Bedeutung dieser Schulen schon in den ersten Jahren ihres Bestehens eingesehen, indem sie an ihren meisten Schulen Abendklassen eingerichtet hat. Nach dem Berichte von 1901 unterhält die Baron Hirsch Stiftung 31 solcher Abendschulen, in welchen über 1600 Menschen aus dem Dunkel der Unwissenheit herausgerissen werden. Die Abendschulen haben jedoch noch einen weiteren Wert. Sie entziehen den Mann der Schänke und die Frau der Straße; sie erwecken im Volke das Bedürfnis nach einer freundlichen und anregenden Geselligkeit und führen zur Erweiterung seines ganzen Gesichtskreises. Es muß mit Bedauern ausgesprochen werden, daß die Baron Hirsch Stiftung für die jüdischen Mädchen in dieser Richtung nichts getan hat. Dabei haben es die Mädchen noch nötiger als die Männer, denn für sie existiert in Galizien gar keine Möglichkeit einer geistigen Geselligkeit: ihre ganze freie Zeit gehört der Straße, und jeden Abend sind sie neuen Versuchungen ausgesetzt. Der genannte zionistische Mädchenverein in Stanislau hat eine Abend- und Samstagsschule für Mädchen eingerichtet, in der die Mitglieder des Vereines unentgeltlich unterrichten. Sonst haben wir von keiner einzigen Abendschule für Mädchen und Frauen in Galizien gehört – und dies in einem Lande, wo das jüdische Volk kaum die Umgangssprache beherrscht, wo ein großer Prozentsatz der Bevölkerung Analphabeten aufweist, wo die jüdischen Mädchen nirgends die Möglichkeit haben, auf gemütliche und angenehme Art zusammenzukommen, um etwas zu lernen oder zu hören. Dabei ist die Errichtung von Abend- und Samstagsschulen ebenso billig wie die Einrichtung von Horten. Es gehört dazu ein Schulraum, den man in einer lokalen jüdischen Schule unentgeltlich oder gegen eine sehr kleine Entschädigung bekommen kann, und geeignete Lehrkräfte, die sich zum Teil ebenfalls unentgeltlich aus intelligenten Volksfreunden rekrutieren lassen. Dazu kämen noch die Kosten für Heizung und Beleuchtung. Es wäre den

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Zitationshilfe: Pappenheim, Bertha u. a.: Zur Lage der jüdischen Bevölkerung in Galizien. Reise-Eindrücke und Vorschläge zur Besserung der Verhältnisse. Frankfurt (Main), 1904, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pappenheim_galizien_1904/92>, abgerufen am 21.11.2024.