Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].aber auf das äußerste, ja bis zu Thränen: denn er wollte das Gedicht eben ganz ernsthaft und mit dem gehörigen Nachdruck hersagen; er versicherte, gar nicht sprechen zu können, wenn Lotte ihn immer auslache. Beim Examen trat er ganz wohlgemuth auf, doch sein Blick verfinsterte sich, als er seine Schwester in der ersten Reihe der Zuhörer sitzen sah. Im Anfange ging alles gut, allein er war erst bei den "geschwänzten Gästen" angelangt, als er plötzlich weinend ausrief: Lotte, du lachst schon wieder! Er entfernte sich schluchzend, und war nicht zur Vollendung der Deklamation zu bewegen. -------- Auch in der schlimmen Franzosenzeit machte Nicolai mehrere Badereisen nach Pyrmont, das er im Ganzen 17 Mal besucht hat. Früher begleitete ihn dahin seine Tochter Lottchen, und als diese kränklich wurde, die Tante Jettchen. Als Vorbereitung wurde der grün ausgeschlagene Reisewagen in den Hof unter die Gallerie gestellt und gehörig gereinigt. Wir versäumten nicht das geräumige, in Riemen hangende Gehäuse zu besuchen, und Fritz hatte gar bald gefunden, daß man sich darin herrlich schaukeln könne. Dies wurde denn auch so lange geübt, bis Friedrich aus einem Galleriefenster drohend herabrief: Nun werden die Riemen bald zerrissen sein! Dann lagen in des Grosvaters Stube die einzupackenden Sachen mehrere Tage lang herum, und Friedrich ordnete mit gewohnter Sorgfalt die Kleider. Große Anziehungskraft hatte für die Kinder ein flaches, grünes Kästchen mit Fächern, worin allerhand nützliche Kleinigkeiten steckten: Hammer, Zange und Nägel, Stiefelhaken, aber auf das äußerste, ja bis zu Thränen: denn er wollte das Gedicht eben ganz ernsthaft und mit dem gehörigen Nachdruck hersagen; er versicherte, gar nicht sprechen zu können, wenn Lotte ihn immer auslache. Beim Examen trat er ganz wohlgemuth auf, doch sein Blick verfinsterte sich, als er seine Schwester in der ersten Reihe der Zuhörer sitzen sah. Im Anfange ging alles gut, allein er war erst bei den „geschwänzten Gästen“ angelangt, als er plötzlich weinend ausrief: Lotte, du lachst schon wieder! Er entfernte sich schluchzend, und war nicht zur Vollendung der Deklamation zu bewegen. ———— Auch in der schlimmen Franzosenzeit machte Nicolai mehrere Badereisen nach Pyrmont, das er im Ganzen 17 Mal besucht hat. Früher begleitete ihn dahin seine Tochter Lottchen, und als diese kränklich wurde, die Tante Jettchen. Als Vorbereitung wurde der grün ausgeschlagene Reisewagen in den Hof unter die Gallerie gestellt und gehörig gereinigt. Wir versäumten nicht das geräumige, in Riemen hangende Gehäuse zu besuchen, und Fritz hatte gar bald gefunden, daß man sich darin herrlich schaukeln könne. Dies wurde denn auch so lange geübt, bis Friedrich aus einem Galleriefenster drohend herabrief: Nun werden die Riemen bald zerrissen sein! Dann lagen in des Grosvaters Stube die einzupackenden Sachen mehrere Tage lang herum, und Friedrich ordnete mit gewohnter Sorgfalt die Kleider. Große Anziehungskraft hatte für die Kinder ein flaches, grünes Kästchen mit Fächern, worin allerhand nützliche Kleinigkeiten steckten: Hammer, Zange und Nägel, Stiefelhaken, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0101" n="89"/> aber auf das äußerste, ja bis zu Thränen: denn er wollte das Gedicht eben ganz ernsthaft und mit dem gehörigen Nachdruck hersagen; er versicherte, gar nicht sprechen zu können, wenn Lotte ihn immer auslache. Beim Examen trat er ganz wohlgemuth auf, doch sein Blick verfinsterte sich, als er seine Schwester in der ersten Reihe der Zuhörer sitzen sah. Im Anfange ging alles gut, allein er war erst bei den „geschwänzten Gästen“ angelangt, als er plötzlich weinend ausrief: Lotte, du lachst schon wieder! Er entfernte sich schluchzend, und war nicht zur Vollendung der Deklamation zu bewegen. </p><lb/> <p rendition="#c">————</p><lb/> <p>Auch in der schlimmen Franzosenzeit machte Nicolai mehrere Badereisen nach Pyrmont, das er im Ganzen 17 Mal besucht hat. Früher begleitete ihn dahin seine Tochter Lottchen, und als diese kränklich wurde, die Tante Jettchen. Als Vorbereitung wurde der grün ausgeschlagene Reisewagen in den Hof unter die Gallerie gestellt und gehörig gereinigt. Wir versäumten nicht das geräumige, in Riemen hangende Gehäuse zu besuchen, und Fritz hatte gar bald gefunden, daß man sich darin herrlich schaukeln könne. Dies wurde denn auch so lange geübt, bis Friedrich aus einem Galleriefenster drohend herabrief: Nun werden die Riemen bald zerrissen sein! </p><lb/> <p>Dann lagen in des Grosvaters Stube die einzupackenden Sachen mehrere Tage lang herum, und Friedrich ordnete mit gewohnter Sorgfalt die Kleider. Große Anziehungskraft hatte für die Kinder ein flaches, grünes Kästchen mit Fächern, worin allerhand nützliche Kleinigkeiten steckten: Hammer, Zange und Nägel, Stiefelhaken, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0101]
aber auf das äußerste, ja bis zu Thränen: denn er wollte das Gedicht eben ganz ernsthaft und mit dem gehörigen Nachdruck hersagen; er versicherte, gar nicht sprechen zu können, wenn Lotte ihn immer auslache. Beim Examen trat er ganz wohlgemuth auf, doch sein Blick verfinsterte sich, als er seine Schwester in der ersten Reihe der Zuhörer sitzen sah. Im Anfange ging alles gut, allein er war erst bei den „geschwänzten Gästen“ angelangt, als er plötzlich weinend ausrief: Lotte, du lachst schon wieder! Er entfernte sich schluchzend, und war nicht zur Vollendung der Deklamation zu bewegen.
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Auch in der schlimmen Franzosenzeit machte Nicolai mehrere Badereisen nach Pyrmont, das er im Ganzen 17 Mal besucht hat. Früher begleitete ihn dahin seine Tochter Lottchen, und als diese kränklich wurde, die Tante Jettchen. Als Vorbereitung wurde der grün ausgeschlagene Reisewagen in den Hof unter die Gallerie gestellt und gehörig gereinigt. Wir versäumten nicht das geräumige, in Riemen hangende Gehäuse zu besuchen, und Fritz hatte gar bald gefunden, daß man sich darin herrlich schaukeln könne. Dies wurde denn auch so lange geübt, bis Friedrich aus einem Galleriefenster drohend herabrief: Nun werden die Riemen bald zerrissen sein!
Dann lagen in des Grosvaters Stube die einzupackenden Sachen mehrere Tage lang herum, und Friedrich ordnete mit gewohnter Sorgfalt die Kleider. Große Anziehungskraft hatte für die Kinder ein flaches, grünes Kästchen mit Fächern, worin allerhand nützliche Kleinigkeiten steckten: Hammer, Zange und Nägel, Stiefelhaken,
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