Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

uns der schwerfällige Vierspänner des Grosvaters. Tante Jettchen nickte uns freundlich aus dem Fenster zu, und Friedrichs altes Gesicht schaute grämlich vom Bocke herab. Da war nun an kein Weiterfahren zu denken. Wir kehrten um, und es ergab sich, daß der Grosvater auf den letzten Stationen unerwartet gute Wege getroffen, und deshalb einige Stunden früher angelangt war.

Zur Schadloshaltung für diese getäuschte Erwartung wurden wir bald darauf mit nach Schöneiche genommen, einem Dorfe ungefähr drei Meilen östlich von Berlin gelegen.

Hier wohnte der Prediger Dapp, von dem Nicolai mehrere theologische Schriften verlegt hatte. Beide Männer waren in genauer Freundschaft verbunden. Dapp kam öfter zum Besuche nach Berlin, und Nicolai pflegte einige Sommerwochen als Gast in der ruhigen Pfarrei zuzubringen.

Diese erste Fahrt über Land entsprach vollkommen den Erwartungen der kindlichen Phantasie in Betreff der Unendlichkeit des weitausgebreiteten flachen Horizontes und der Unabsehbarkeit des langen Weges, doch konnte sie keinen landschaftlichen Genuß gewähren, weil eben keine Landschaft vorhanden war. Das heitre Pfarrhaus in Schöneiche mit breiter steinerner Treppe und hohen wohnlichen Zimmern gewährte einen würdigen Anblick. Wir erfuhren nachher, daß Friedrich II. die Absicht gehabt, allen Landpfarrern neue stattliche Häuser zu bauen, um diesen Stand, den er doch selbst nicht liebte, aus der Verbauerung emporzuheben. Mit dem Pfarrhause in Schöneiche wurde der Anfang gemacht; allein die Kosten waren dem sparsamen Könige zu hoch, und so blieb es bei dieser einen Probe.

uns der schwerfällige Vierspänner des Grosvaters. Tante Jettchen nickte uns freundlich aus dem Fenster zu, und Friedrichs altes Gesicht schaute grämlich vom Bocke herab. Da war nun an kein Weiterfahren zu denken. Wir kehrten um, und es ergab sich, daß der Grosvater auf den letzten Stationen unerwartet gute Wege getroffen, und deshalb einige Stunden früher angelangt war.

Zur Schadloshaltung für diese getäuschte Erwartung wurden wir bald darauf mit nach Schöneiche genommen, einem Dorfe ungefähr drei Meilen östlich von Berlin gelegen.

Hier wohnte der Prediger Dapp, von dem Nicolai mehrere theologische Schriften verlegt hatte. Beide Männer waren in genauer Freundschaft verbunden. Dapp kam öfter zum Besuche nach Berlin, und Nicolai pflegte einige Sommerwochen als Gast in der ruhigen Pfarrei zuzubringen.

Diese erste Fahrt über Land entsprach vollkommen den Erwartungen der kindlichen Phantasie in Betreff der Unendlichkeit des weitausgebreiteten flachen Horizontes und der Unabsehbarkeit des langen Weges, doch konnte sie keinen landschaftlichen Genuß gewähren, weil eben keine Landschaft vorhanden war. Das heitre Pfarrhaus in Schöneiche mit breiter steinerner Treppe und hohen wohnlichen Zimmern gewährte einen würdigen Anblick. Wir erfuhren nachher, daß Friedrich II. die Absicht gehabt, allen Landpfarrern neue stattliche Häuser zu bauen, um diesen Stand, den er doch selbst nicht liebte, aus der Verbauerung emporzuheben. Mit dem Pfarrhause in Schöneiche wurde der Anfang gemacht; allein die Kosten waren dem sparsamen Könige zu hoch, und so blieb es bei dieser einen Probe.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0103" n="91"/>
uns der schwerfällige Vierspänner des Grosvaters. Tante Jettchen nickte uns freundlich aus dem Fenster zu, und Friedrichs altes Gesicht schaute grämlich vom Bocke herab. Da war nun an kein Weiterfahren zu denken. Wir kehrten um, und es ergab sich, daß der Grosvater auf den letzten Stationen unerwartet gute Wege getroffen, und deshalb einige Stunden früher angelangt war. </p><lb/>
          <p>Zur Schadloshaltung für diese getäuschte Erwartung wurden wir bald darauf mit nach Schöneiche genommen, einem Dorfe ungefähr drei Meilen östlich von Berlin gelegen. </p><lb/>
          <p>Hier wohnte der Prediger Dapp, von dem Nicolai mehrere theologische Schriften verlegt hatte. Beide Männer waren in genauer Freundschaft verbunden. Dapp kam öfter zum Besuche nach Berlin, und Nicolai pflegte einige Sommerwochen als Gast in der ruhigen Pfarrei zuzubringen. </p><lb/>
          <p>Diese erste Fahrt über Land entsprach vollkommen den Erwartungen der kindlichen Phantasie in Betreff der Unendlichkeit des weitausgebreiteten flachen Horizontes und der Unabsehbarkeit des langen Weges, doch konnte sie keinen landschaftlichen Genuß gewähren, weil eben keine Landschaft vorhanden war. Das heitre Pfarrhaus in Schöneiche mit breiter steinerner Treppe und hohen wohnlichen Zimmern gewährte einen würdigen Anblick. Wir erfuhren nachher, daß Friedrich II. die Absicht gehabt, allen Landpfarrern neue stattliche Häuser zu bauen, um diesen Stand, den er doch selbst nicht liebte, aus der Verbauerung emporzuheben. Mit dem Pfarrhause in Schöneiche wurde der Anfang gemacht; allein die Kosten waren dem sparsamen Könige zu hoch, und so blieb es bei dieser einen Probe.
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0103] uns der schwerfällige Vierspänner des Grosvaters. Tante Jettchen nickte uns freundlich aus dem Fenster zu, und Friedrichs altes Gesicht schaute grämlich vom Bocke herab. Da war nun an kein Weiterfahren zu denken. Wir kehrten um, und es ergab sich, daß der Grosvater auf den letzten Stationen unerwartet gute Wege getroffen, und deshalb einige Stunden früher angelangt war. Zur Schadloshaltung für diese getäuschte Erwartung wurden wir bald darauf mit nach Schöneiche genommen, einem Dorfe ungefähr drei Meilen östlich von Berlin gelegen. Hier wohnte der Prediger Dapp, von dem Nicolai mehrere theologische Schriften verlegt hatte. Beide Männer waren in genauer Freundschaft verbunden. Dapp kam öfter zum Besuche nach Berlin, und Nicolai pflegte einige Sommerwochen als Gast in der ruhigen Pfarrei zuzubringen. Diese erste Fahrt über Land entsprach vollkommen den Erwartungen der kindlichen Phantasie in Betreff der Unendlichkeit des weitausgebreiteten flachen Horizontes und der Unabsehbarkeit des langen Weges, doch konnte sie keinen landschaftlichen Genuß gewähren, weil eben keine Landschaft vorhanden war. Das heitre Pfarrhaus in Schöneiche mit breiter steinerner Treppe und hohen wohnlichen Zimmern gewährte einen würdigen Anblick. Wir erfuhren nachher, daß Friedrich II. die Absicht gehabt, allen Landpfarrern neue stattliche Häuser zu bauen, um diesen Stand, den er doch selbst nicht liebte, aus der Verbauerung emporzuheben. Mit dem Pfarrhause in Schöneiche wurde der Anfang gemacht; allein die Kosten waren dem sparsamen Könige zu hoch, und so blieb es bei dieser einen Probe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/103
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/103>, abgerufen am 21.11.2024.