Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Als wir in der hintersten Ecke die Kupfer abnahmen, sah man in der grünen Tapete eine verborgene Thür, die von den dicht hängenden Bildnissen vollständig verdeckt gewesen war. Mein Vater holte den Schlüssel, und es zeigte sich ein Versteck in der Dicke der Mauer von ungefähr 6 Fuß Breite und Höhe auf 4 Fuß Tiefe. Auf einem Regal lagen vielerlei Papiere. Mein Vater belehrte uns, daß vermuthlich der frühere Besitzer des Hauses während des siebenjährigen Krieges in dieser Wandhöhlung, die übrigens durch ein schmales Fenster vollkommen erleuchtet ward, seine Gelder und Werthsachen verborgen habe. Wir dachten damals nicht, daß wir im Jahre 1813 von diesem Schlupfwinkel wiedenum Gebrauch machen würden. Der Grosvater kam zur festgesetzten Zeit, und wir erwarteten irgend ein Wort des Beifalls über die Verschönerung, aber vergebens. Nach mehreren Tagen konnte mein Vater es nicht unterlassen, ihn zu fragen, ob er mit der Aenderung unzufrieden sei? "Ihren guten Willen erkenne ich an", war die Antwort, "aber Sie hätten die frühere Ordnung nicht stören sollen; unter den Bildnissen habe ich so manchen alten vorangegangenen Freund, den ich nun an dem gewohnten Platze vergebens suche." Die Richtigkeit dieser Bemerkung war so einleuchtend, daß sie mir für immer als Warnung gedient hat, an althergebrachten Einrichtungen ohne dringende Noth zu rütteln. Als wir in der hintersten Ecke die Kupfer abnahmen, sah man in der grünen Tapete eine verborgene Thür, die von den dicht hängenden Bildnissen vollständig verdeckt gewesen war. Mein Vater holte den Schlüssel, und es zeigte sich ein Versteck in der Dicke der Mauer von ungefähr 6 Fuß Breite und Höhe auf 4 Fuß Tiefe. Auf einem Regal lagen vielerlei Papiere. Mein Vater belehrte uns, daß vermuthlich der frühere Besitzer des Hauses während des siebenjährigen Krieges in dieser Wandhöhlung, die übrigens durch ein schmales Fenster vollkommen erleuchtet ward, seine Gelder und Werthsachen verborgen habe. Wir dachten damals nicht, daß wir im Jahre 1813 von diesem Schlupfwinkel wiedenum Gebrauch machen würden. Der Grosvater kam zur festgesetzten Zeit, und wir erwarteten irgend ein Wort des Beifalls über die Verschönerung, aber vergebens. Nach mehreren Tagen konnte mein Vater es nicht unterlassen, ihn zu fragen, ob er mit der Aenderung unzufrieden sei? „Ihren guten Willen erkenne ich an“, war die Antwort, „aber Sie hätten die frühere Ordnung nicht stören sollen; unter den Bildnissen habe ich so manchen alten vorangegangenen Freund, den ich nun an dem gewohnten Platze vergebens suche.“ Die Richtigkeit dieser Bemerkung war so einleuchtend, daß sie mir für immer als Warnung gedient hat, an althergebrachten Einrichtungen ohne dringende Noth zu rütteln. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0106" n="94"/> </p><lb/> <p>Als wir in der hintersten Ecke die Kupfer abnahmen, sah man in der grünen Tapete eine verborgene Thür, die von den dicht hängenden Bildnissen vollständig verdeckt gewesen war. Mein Vater holte den Schlüssel, und es zeigte sich ein Versteck in der Dicke der Mauer von ungefähr 6 Fuß Breite und Höhe auf 4 Fuß Tiefe. Auf einem Regal lagen vielerlei Papiere. Mein Vater belehrte uns, daß vermuthlich der frühere Besitzer des Hauses während des siebenjährigen Krieges in dieser Wandhöhlung, die übrigens durch ein schmales Fenster vollkommen erleuchtet ward, seine Gelder und Werthsachen verborgen habe. Wir dachten damals nicht, daß wir im Jahre 1813 von diesem Schlupfwinkel wiedenum Gebrauch machen würden. </p><lb/> <p>Der Grosvater kam zur festgesetzten Zeit, und wir erwarteten irgend ein Wort des Beifalls über die Verschönerung, aber vergebens. Nach mehreren Tagen konnte mein Vater es nicht unterlassen, ihn zu fragen, ob er mit der Aenderung unzufrieden sei? „Ihren guten Willen erkenne ich an“, war die Antwort, „aber Sie hätten die frühere Ordnung nicht stören sollen; unter den Bildnissen habe ich so manchen alten vorangegangenen Freund, den ich nun an dem gewohnten Platze vergebens suche.“ </p><lb/> <p>Die Richtigkeit dieser Bemerkung war so einleuchtend, daß sie mir für immer als Warnung gedient hat, an althergebrachten Einrichtungen ohne dringende Noth zu rütteln.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0106]
Als wir in der hintersten Ecke die Kupfer abnahmen, sah man in der grünen Tapete eine verborgene Thür, die von den dicht hängenden Bildnissen vollständig verdeckt gewesen war. Mein Vater holte den Schlüssel, und es zeigte sich ein Versteck in der Dicke der Mauer von ungefähr 6 Fuß Breite und Höhe auf 4 Fuß Tiefe. Auf einem Regal lagen vielerlei Papiere. Mein Vater belehrte uns, daß vermuthlich der frühere Besitzer des Hauses während des siebenjährigen Krieges in dieser Wandhöhlung, die übrigens durch ein schmales Fenster vollkommen erleuchtet ward, seine Gelder und Werthsachen verborgen habe. Wir dachten damals nicht, daß wir im Jahre 1813 von diesem Schlupfwinkel wiedenum Gebrauch machen würden.
Der Grosvater kam zur festgesetzten Zeit, und wir erwarteten irgend ein Wort des Beifalls über die Verschönerung, aber vergebens. Nach mehreren Tagen konnte mein Vater es nicht unterlassen, ihn zu fragen, ob er mit der Aenderung unzufrieden sei? „Ihren guten Willen erkenne ich an“, war die Antwort, „aber Sie hätten die frühere Ordnung nicht stören sollen; unter den Bildnissen habe ich so manchen alten vorangegangenen Freund, den ich nun an dem gewohnten Platze vergebens suche.“
Die Richtigkeit dieser Bemerkung war so einleuchtend, daß sie mir für immer als Warnung gedient hat, an althergebrachten Einrichtungen ohne dringende Noth zu rütteln.
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/106>, abgerufen am 16.02.2025. |