Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Hatte der herrliche, rasch vorüberrauschende Anblick der auflodernden Flamme uns erfreut, so war die Verwüstung desto widerwärtiger, die durch Nässe und Schmutz auf dem schöngetäfelten Fußboden entstand. So oft nachher bei uns das Weihnachtsfest im frohen Familienkreise gefeiert ward, so verging selten ein Jahr, wo jenes frühen Jugendereignisses nicht gedacht worden wäre, indem wir den Vater oder die Mutter mit sorglicher Stimme sagen hörten: daß nur keine Pyramide in Brand geräth! Von den Berliner Berühmtheiten, die ich bei der Herzogin gesehn, ist mir Iffland besonders erinnerlich, der durch meinen Vater dort eingeführt wurde. Als Schauspieler und fruchtbarer dramatischer Schriftsteller vielgenannt stand er damals an der Spitze des Berliner Nationaltheaters. Seine Stücke, von einem leicht faßlichen, kurzen Dialog getragen, waren durchaus für die Aufführung berechnet, sie ließen aber den Leser kalt wegen des Mangels an Erfindung und Gefühl, wegen der dürftigen Motive und der überaus prosaischen Gedanken. Die bändereichen Ifflandschen Werke standen in der Bibliothek des Grosvaters Nicolai nicht weit von den Kotzebueschen. Da zeigten denn die defekten Rücken und die abgeschabten Deckel der letzteren im Vergleich mit den schmucken Einbänden der ersten, daß wir weit häufiger nach Kotzebue als nach Iffland griffen. Als Theaterdirektor mußte Iffland den Vorwurf hören, daß er es unterlasse, jüngere bedeutende Talente heranzuziehn, weil er den Ehrgeiz habe, in einem untergeordneten Kreise desto mehr zu glänzen. Von seiner eminenten Gabe, die herzoglichen Abendzirkel durch die Darstellung der verschiedensten Karaktere zu beleben, hatte mein Vater Hatte der herrliche, rasch vorüberrauschende Anblick der auflodernden Flamme uns erfreut, so war die Verwüstung desto widerwärtiger, die durch Nässe und Schmutz auf dem schöngetäfelten Fußboden entstand. So oft nachher bei uns das Weihnachtsfest im frohen Familienkreise gefeiert ward, so verging selten ein Jahr, wo jenes frühen Jugendereignisses nicht gedacht worden wäre, indem wir den Vater oder die Mutter mit sorglicher Stimme sagen hörten: daß nur keine Pyramide in Brand geräth! Von den Berliner Berühmtheiten, die ich bei der Herzogin gesehn, ist mir Iffland besonders erinnerlich, der durch meinen Vater dort eingeführt wurde. Als Schauspieler und fruchtbarer dramatischer Schriftsteller vielgenannt stand er damals an der Spitze des Berliner Nationaltheaters. Seine Stücke, von einem leicht faßlichen, kurzen Dialog getragen, waren durchaus für die Aufführung berechnet, sie ließen aber den Leser kalt wegen des Mangels an Erfindung und Gefühl, wegen der dürftigen Motive und der überaus prosaischen Gedanken. Die bändereichen Ifflandschen Werke standen in der Bibliothek des Grosvaters Nicolai nicht weit von den Kotzebueschen. Da zeigten denn die defekten Rücken und die abgeschabten Deckel der letzteren im Vergleich mit den schmucken Einbänden der ersten, daß wir weit häufiger nach Kotzebue als nach Iffland griffen. Als Theaterdirektor mußte Iffland den Vorwurf hören, daß er es unterlasse, jüngere bedeutende Talente heranzuziehn, weil er den Ehrgeiz habe, in einem untergeordneten Kreise desto mehr zu glänzen. Von seiner eminenten Gabe, die herzoglichen Abendzirkel durch die Darstellung der verschiedensten Karaktere zu beleben, hatte mein Vater <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0113" n="101"/> Hatte der herrliche, rasch vorüberrauschende Anblick der auflodernden Flamme uns erfreut, so war die Verwüstung desto widerwärtiger, die durch Nässe und Schmutz auf dem schöngetäfelten Fußboden entstand. So oft nachher bei uns das Weihnachtsfest im frohen Familienkreise gefeiert ward, so verging selten ein Jahr, wo jenes frühen Jugendereignisses nicht gedacht worden wäre, indem wir den Vater oder die Mutter mit sorglicher Stimme sagen hörten: daß nur keine Pyramide in Brand geräth! </p><lb/> <p>Von den Berliner Berühmtheiten, die ich bei der Herzogin gesehn, ist mir <hi rendition="#b">Iffland</hi> besonders erinnerlich, der durch meinen Vater dort eingeführt wurde. Als Schauspieler und fruchtbarer dramatischer Schriftsteller vielgenannt stand er damals an der Spitze des Berliner Nationaltheaters. Seine Stücke, von einem leicht faßlichen, kurzen Dialog getragen, waren durchaus für die Aufführung berechnet, sie ließen aber den Leser kalt wegen des Mangels an Erfindung und Gefühl, wegen der dürftigen Motive und der überaus prosaischen Gedanken. Die bändereichen Ifflandschen Werke standen in der Bibliothek des Grosvaters Nicolai nicht weit von den Kotzebueschen. Da zeigten denn die defekten Rücken und die abgeschabten Deckel der letzteren im Vergleich mit den schmucken Einbänden der ersten, daß wir weit häufiger nach Kotzebue als nach Iffland griffen. </p><lb/> <p>Als Theaterdirektor mußte Iffland den Vorwurf hören, daß er es unterlasse, jüngere bedeutende Talente heranzuziehn, weil er den Ehrgeiz habe, in einem untergeordneten Kreise desto mehr zu glänzen. Von seiner eminenten Gabe, die herzoglichen Abendzirkel durch die Darstellung der verschiedensten Karaktere zu beleben, hatte mein Vater </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0113]
Hatte der herrliche, rasch vorüberrauschende Anblick der auflodernden Flamme uns erfreut, so war die Verwüstung desto widerwärtiger, die durch Nässe und Schmutz auf dem schöngetäfelten Fußboden entstand. So oft nachher bei uns das Weihnachtsfest im frohen Familienkreise gefeiert ward, so verging selten ein Jahr, wo jenes frühen Jugendereignisses nicht gedacht worden wäre, indem wir den Vater oder die Mutter mit sorglicher Stimme sagen hörten: daß nur keine Pyramide in Brand geräth!
Von den Berliner Berühmtheiten, die ich bei der Herzogin gesehn, ist mir Iffland besonders erinnerlich, der durch meinen Vater dort eingeführt wurde. Als Schauspieler und fruchtbarer dramatischer Schriftsteller vielgenannt stand er damals an der Spitze des Berliner Nationaltheaters. Seine Stücke, von einem leicht faßlichen, kurzen Dialog getragen, waren durchaus für die Aufführung berechnet, sie ließen aber den Leser kalt wegen des Mangels an Erfindung und Gefühl, wegen der dürftigen Motive und der überaus prosaischen Gedanken. Die bändereichen Ifflandschen Werke standen in der Bibliothek des Grosvaters Nicolai nicht weit von den Kotzebueschen. Da zeigten denn die defekten Rücken und die abgeschabten Deckel der letzteren im Vergleich mit den schmucken Einbänden der ersten, daß wir weit häufiger nach Kotzebue als nach Iffland griffen.
Als Theaterdirektor mußte Iffland den Vorwurf hören, daß er es unterlasse, jüngere bedeutende Talente heranzuziehn, weil er den Ehrgeiz habe, in einem untergeordneten Kreise desto mehr zu glänzen. Von seiner eminenten Gabe, die herzoglichen Abendzirkel durch die Darstellung der verschiedensten Karaktere zu beleben, hatte mein Vater
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |