Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].eine leicht erregbare Natur, bebte vor Angst, und sah in seinem weißen flanellenen Schlafröckchen recht bemitleidenswerth aus; wir beide, meine Schwester und ich, waren ruhiger, und sorgten uns nur um den Vater, den Grosvater und Tante Jettchen. Der zum Sturm herangewachsene Westwind trug immer mehr Funken durch die Luft, und bald fielen glühende Kohlen auf das Dach. Der Gärtner ward mit einem Eimer Wasser hinaufgeschickt und löschte; der Gartenknecht, welcher nicht im Hause wohnte, aber aus alter Anhänglichkeit herbeigekommen war, postirte sich auf dem Heuboden. Sowohl das Haus als auch die Stallungen trugen Ziegeldächer; es war also bei einiger Aufmerksamkeit nichts zu besorgen. Endlich ward der Feuerschein geringer, und der Kohlenregen hörte auf. Beide Thürme, so lauteten die Nachrichten der aus der Stadt Zurückkehrenden, seien eingestürzt. Damit war die Gefahr für uns vorüber. Gegen Morgen brachte die Mutter uns wieder zu Bette, und in glücklicher Jugend holten wir den verlornen Schlaf nach. Unterdessen hatte mein Vater die Brüderstraße nicht so schnell erreicht, als er hoffte. Die Behörden hatten sehr viel Militär requirirt, und einen großen Bogen um die brennende Petnkirche, und später um die Waisenkirche absperren lassen. Diese Sperre mochte nöthig sein, aber sie wurde mit so rücksichtsloser und unnöthiger Strenge gehandhabt, daß oft die nächsten Nachbarn nicht zu einander kommen konnten, um sich Hülfe zu leisten. Mein Vater versuchte an mehreren Punkten durchzudringen, allein immer vergebens; er machte mehrere große Um- eine leicht erregbare Natur, bebte vor Angst, und sah in seinem weißen flanellenen Schlafröckchen recht bemitleidenswerth aus; wir beide, meine Schwester und ich, waren ruhiger, und sorgten uns nur um den Vater, den Grosvater und Tante Jettchen. Der zum Sturm herangewachsene Westwind trug immer mehr Funken durch die Luft, und bald fielen glühende Kohlen auf das Dach. Der Gärtner ward mit einem Eimer Wasser hinaufgeschickt und löschte; der Gartenknecht, welcher nicht im Hause wohnte, aber aus alter Anhänglichkeit herbeigekommen war, postirte sich auf dem Heuboden. Sowohl das Haus als auch die Stallungen trugen Ziegeldächer; es war also bei einiger Aufmerksamkeit nichts zu besorgen. Endlich ward der Feuerschein geringer, und der Kohlenregen hörte auf. Beide Thürme, so lauteten die Nachrichten der aus der Stadt Zurückkehrenden, seien eingestürzt. Damit war die Gefahr für uns vorüber. Gegen Morgen brachte die Mutter uns wieder zu Bette, und in glücklicher Jugend holten wir den verlornen Schlaf nach. Unterdessen hatte mein Vater die Brüderstraße nicht so schnell erreicht, als er hoffte. Die Behörden hatten sehr viel Militär requirirt, und einen großen Bogen um die brennende Petnkirche, und später um die Waisenkirche absperren lassen. Diese Sperre mochte nöthig sein, aber sie wurde mit so rücksichtsloser und unnöthiger Strenge gehandhabt, daß oft die nächsten Nachbarn nicht zu einander kommen konnten, um sich Hülfe zu leisten. Mein Vater versuchte an mehreren Punkten durchzudringen, allein immer vergebens; er machte mehrere große Um- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0152" n="140"/> eine leicht erregbare Natur, bebte vor Angst, und sah in seinem weißen flanellenen Schlafröckchen recht bemitleidenswerth aus; wir beide, meine Schwester und ich, waren ruhiger, und sorgten uns nur um den Vater, den Grosvater und Tante Jettchen. </p><lb/> <p>Der zum Sturm herangewachsene Westwind trug immer mehr Funken durch die Luft, und bald fielen glühende Kohlen auf das Dach. Der Gärtner ward mit einem Eimer Wasser hinaufgeschickt und löschte; der Gartenknecht, welcher nicht im Hause wohnte, aber aus alter Anhänglichkeit herbeigekommen war, postirte sich auf dem Heuboden. Sowohl das Haus als auch die Stallungen trugen Ziegeldächer; es war also bei einiger Aufmerksamkeit nichts zu besorgen. </p><lb/> <p>Endlich ward der Feuerschein geringer, und der Kohlenregen hörte auf. Beide Thürme, so lauteten die Nachrichten der aus der Stadt Zurückkehrenden, seien eingestürzt. Damit war die Gefahr für uns vorüber. Gegen Morgen brachte die Mutter uns wieder zu Bette, und in glücklicher Jugend holten wir den verlornen Schlaf nach. </p><lb/> <p>Unterdessen hatte mein Vater die Brüderstraße nicht so schnell erreicht, als er hoffte. Die Behörden hatten sehr viel Militär requirirt, und einen großen Bogen um die brennende Petnkirche, und später um die Waisenkirche absperren lassen. Diese Sperre mochte nöthig sein, aber sie wurde mit so rücksichtsloser und unnöthiger Strenge gehandhabt, daß oft die nächsten Nachbarn nicht zu einander kommen konnten, um sich Hülfe zu leisten. Mein Vater versuchte an mehreren Punkten durchzudringen, allein immer vergebens; er machte mehrere große Um- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [140/0152]
eine leicht erregbare Natur, bebte vor Angst, und sah in seinem weißen flanellenen Schlafröckchen recht bemitleidenswerth aus; wir beide, meine Schwester und ich, waren ruhiger, und sorgten uns nur um den Vater, den Grosvater und Tante Jettchen.
Der zum Sturm herangewachsene Westwind trug immer mehr Funken durch die Luft, und bald fielen glühende Kohlen auf das Dach. Der Gärtner ward mit einem Eimer Wasser hinaufgeschickt und löschte; der Gartenknecht, welcher nicht im Hause wohnte, aber aus alter Anhänglichkeit herbeigekommen war, postirte sich auf dem Heuboden. Sowohl das Haus als auch die Stallungen trugen Ziegeldächer; es war also bei einiger Aufmerksamkeit nichts zu besorgen.
Endlich ward der Feuerschein geringer, und der Kohlenregen hörte auf. Beide Thürme, so lauteten die Nachrichten der aus der Stadt Zurückkehrenden, seien eingestürzt. Damit war die Gefahr für uns vorüber. Gegen Morgen brachte die Mutter uns wieder zu Bette, und in glücklicher Jugend holten wir den verlornen Schlaf nach.
Unterdessen hatte mein Vater die Brüderstraße nicht so schnell erreicht, als er hoffte. Die Behörden hatten sehr viel Militär requirirt, und einen großen Bogen um die brennende Petnkirche, und später um die Waisenkirche absperren lassen. Diese Sperre mochte nöthig sein, aber sie wurde mit so rücksichtsloser und unnöthiger Strenge gehandhabt, daß oft die nächsten Nachbarn nicht zu einander kommen konnten, um sich Hülfe zu leisten. Mein Vater versuchte an mehreren Punkten durchzudringen, allein immer vergebens; er machte mehrere große Um-
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