Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].ein großes spanisches Rohr in der Hand, durch die Brüderstraße, und sah einen Glasermeister ruhig vor seiner Thür stehn. "Warum arbeitet er nicht?" fuhr ihn der König an. - Majestät, ich habe gerade nichts zu thun. - "Ich will ihm was zu thun geben." - Und sofort schlug er mit dem spanischen Rohre in den nächsten Parterrefenstem eine große Anzahl Scheiben ein. - "Da hat er was zu thun, und morgen schick' er mir die Rechnung!" Von einem alten Bürger vernahmen wir folgende etwas bedenkliche Geschichte, die zur Karakteristik der damaligen Zeit dienen kann. Friedrich Wilhelm I. war bekanntlich sehr ernsten Sinnes und für gewöhnlich nicht zu Späßen auflegt. Wenn er aber dergleichen ausführte, so waren sie von sehr derber Natur. Während des Karnevals gab er im großen Redoutensaale des Schlosses einige Maskenbälle, auf denen es sehr lustig herging. Der Hof saß auf einer erhöhten Balustrade, und an allen Eingängen standen Grenadire, um jeden Exceß niederzuhalten. Einstmals hatte der König sich einen papiernen Domino machen lassen, der von oben bis unten mit kleinen runden Aniskuchen beklebt war, deren jeder eine sehr starke Laxanz enthielt. Damit mischte er sich wohlmaskirt unter das Publikum. Es dauerte gar nicht lange, bis eine vorwitzige Maske einen Kuchen abriß und verzehrte; andre folgten nach, und bald war der Domino leer. Der König schickte nun an alle Schildwachen den gemessenen Befehl, binnen einer Stunde keinen Menschen aus dem Saale zu lassen, zog sich in seine Loge zurück, und wartete die Wirkung dieses königlichen Spaßes ab. Dergleichen Anekdoten wurden begierig aufgefaßt, ein großes spanisches Rohr in der Hand, durch die Brüderstraße, und sah einen Glasermeister ruhig vor seiner Thür stehn. „Warum arbeitet er nicht?“ fuhr ihn der König an. – Majestät, ich habe gerade nichts zu thun. – „Ich will ihm was zu thun geben.“ – Und sofort schlug er mit dem spanischen Rohre in den nächsten Parterrefenstem eine große Anzahl Scheiben ein. – „Da hat er was zu thun, und morgen schick’ er mir die Rechnung!“ Von einem alten Bürger vernahmen wir folgende etwas bedenkliche Geschichte, die zur Karakteristik der damaligen Zeit dienen kann. Friedrich Wilhelm I. war bekanntlich sehr ernsten Sinnes und für gewöhnlich nicht zu Späßen auflegt. Wenn er aber dergleichen ausführte, so waren sie von sehr derber Natur. Während des Karnevals gab er im großen Redoutensaale des Schlosses einige Maskenbälle, auf denen es sehr lustig herging. Der Hof saß auf einer erhöhten Balustrade, und an allen Eingängen standen Grenadire, um jeden Exceß niederzuhalten. Einstmals hatte der König sich einen papiernen Domino machen lassen, der von oben bis unten mit kleinen runden Aniskuchen beklebt war, deren jeder eine sehr starke Laxanz enthielt. Damit mischte er sich wohlmaskirt unter das Publikum. Es dauerte gar nicht lange, bis eine vorwitzige Maske einen Kuchen abriß und verzehrte; andre folgten nach, und bald war der Domino leer. Der König schickte nun an alle Schildwachen den gemessenen Befehl, binnen einer Stunde keinen Menschen aus dem Saale zu lassen, zog sich in seine Loge zurück, und wartete die Wirkung dieses königlichen Spaßes ab. 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Der Hof saß auf einer erhöhten Balustrade, und an allen Eingängen standen Grenadire, um jeden Exceß niederzuhalten. Einstmals hatte der König sich einen papiernen Domino machen lassen, der von oben bis unten mit kleinen runden Aniskuchen beklebt war, deren jeder eine sehr starke Laxanz enthielt. Damit mischte er sich wohlmaskirt unter das Publikum. Es dauerte gar nicht lange, bis eine vorwitzige Maske einen Kuchen abriß und verzehrte; andre folgten nach, und bald war der Domino leer. Der König schickte nun an alle Schildwachen den gemessenen Befehl, binnen einer Stunde keinen Menschen aus dem Saale zu lassen, zog sich in seine Loge zurück, und wartete die Wirkung dieses königlichen Spaßes ab. </p><lb/> <p>Dergleichen Anekdoten wurden begierig aufgefaßt, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [145/0157]
ein großes spanisches Rohr in der Hand, durch die Brüderstraße, und sah einen Glasermeister ruhig vor seiner Thür stehn. „Warum arbeitet er nicht?“ fuhr ihn der König an. – Majestät, ich habe gerade nichts zu thun. – „Ich will ihm was zu thun geben.“ – Und sofort schlug er mit dem spanischen Rohre in den nächsten Parterrefenstem eine große Anzahl Scheiben ein. – „Da hat er was zu thun, und morgen schick’ er mir die Rechnung!“
Von einem alten Bürger vernahmen wir folgende etwas bedenkliche Geschichte, die zur Karakteristik der damaligen Zeit dienen kann. Friedrich Wilhelm I. war bekanntlich sehr ernsten Sinnes und für gewöhnlich nicht zu Späßen auflegt. Wenn er aber dergleichen ausführte, so waren sie von sehr derber Natur. Während des Karnevals gab er im großen Redoutensaale des Schlosses einige Maskenbälle, auf denen es sehr lustig herging. Der Hof saß auf einer erhöhten Balustrade, und an allen Eingängen standen Grenadire, um jeden Exceß niederzuhalten. Einstmals hatte der König sich einen papiernen Domino machen lassen, der von oben bis unten mit kleinen runden Aniskuchen beklebt war, deren jeder eine sehr starke Laxanz enthielt. Damit mischte er sich wohlmaskirt unter das Publikum. Es dauerte gar nicht lange, bis eine vorwitzige Maske einen Kuchen abriß und verzehrte; andre folgten nach, und bald war der Domino leer. Der König schickte nun an alle Schildwachen den gemessenen Befehl, binnen einer Stunde keinen Menschen aus dem Saale zu lassen, zog sich in seine Loge zurück, und wartete die Wirkung dieses königlichen Spaßes ab.
Dergleichen Anekdoten wurden begierig aufgefaßt,
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