Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].gesehn. Fritz rühmte sich noch oft, daß er ihm am letzten Abend zu Bette geleuchtet, und ich muß gestehn, daß dieser unbedeutende Umstand lange Zeit in meiner Seele einen kleinen Stachel zurücklief. Der alte Friedrich beunruhigte meine Einbildungskraft eine ganze Weile, indem er mich mit innerster Ueberzeugung und mit klagendem Tone versicherte, der Herr hätte noch viele Jahre leben können, aber auf einem kürzlich abgehaltnen Mittagessen bei einem vornehmen Freunde habe er zuviel von einer kalten Aalpastete zu sich genommen, und dies habe ihm den Dampf angethan. Es kamen auch, wie bei meiner Mutter Tode, viele Züge geheimer Wohlthätigkeit an den Tag; manche Handwerker, die für das Haus arbeiteten, und durch den Krieg ihren Erwerb fast eingebüßt, waren von ihm durch Unterstützungen und Darlehen der äußersten Noth entrissen worden. Noch viele Jahre nachher sah ich unter den Papieren meines Vaters eine ganze Mappe voll solcher inexigibler Schuldscheine, deren einige sogar bis in meine Zeit sich erhalten haben, und jetzt zu den Hausakten gelegt sind. Ganz vorzüglich hatte Nicolai die fleißigen kleinen Hausbesitzer unterstützt, deren Anzahl damals verhältnißmäßig weit größer war als jetzt. Da es in der Zeit vor dem Kriege beinahe keine andren preußischen Werthpapiere gab als Seehandlungsobligazionen, und Nicolai seine Ersparnisse nicht alle auf dieselbe Weise anlegen wollte, so that er größere und kleinere Kapitalien auf Häuser aus. War die Hypothek auch nicht immer ganz sicher, so kannte er den Hausbesitzer persönlich als einen redlichen, arbeitsamen Mann, gesehn. Fritz rühmte sich noch oft, daß er ihm am letzten Abend zu Bette geleuchtet, und ich muß gestehn, daß dieser unbedeutende Umstand lange Zeit in meiner Seele einen kleinen Stachel zurücklief. Der alte Friedrich beunruhigte meine Einbildungskraft eine ganze Weile, indem er mich mit innerster Ueberzeugung und mit klagendem Tone versicherte, der Herr hätte noch viele Jahre leben können, aber auf einem kürzlich abgehaltnen Mittagessen bei einem vornehmen Freunde habe er zuviel von einer kalten Aalpastete zu sich genommen, und dies habe ihm den Dampf angethan. Es kamen auch, wie bei meiner Mutter Tode, viele Züge geheimer Wohlthätigkeit an den Tag; manche Handwerker, die für das Haus arbeiteten, und durch den Krieg ihren Erwerb fast eingebüßt, waren von ihm durch Unterstützungen und Darlehen der äußersten Noth entrissen worden. Noch viele Jahre nachher sah ich unter den Papieren meines Vaters eine ganze Mappe voll solcher inexigibler Schuldscheine, deren einige sogar bis in meine Zeit sich erhalten haben, und jetzt zu den Hausakten gelegt sind. Ganz vorzüglich hatte Nicolai die fleißigen kleinen Hausbesitzer unterstützt, deren Anzahl damals verhältnißmäßig weit größer war als jetzt. Da es in der Zeit vor dem Kriege beinahe keine andren preußischen Werthpapiere gab als Seehandlungsobligazionen, und Nicolai seine Ersparnisse nicht alle auf dieselbe Weise anlegen wollte, so that er größere und kleinere Kapitalien auf Häuser aus. War die Hypothek auch nicht immer ganz sicher, so kannte er den Hausbesitzer persönlich als einen redlichen, arbeitsamen Mann, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0164" n="152"/> gesehn. Fritz rühmte sich noch oft, daß er ihm am letzten Abend zu Bette geleuchtet, und ich muß gestehn, daß dieser unbedeutende Umstand lange Zeit in meiner Seele einen kleinen Stachel zurücklief. Der alte Friedrich beunruhigte meine Einbildungskraft eine ganze Weile, indem er mich mit innerster Ueberzeugung und mit klagendem Tone versicherte, der Herr hätte noch viele Jahre leben können, aber auf einem kürzlich abgehaltnen Mittagessen bei einem vornehmen Freunde habe er zuviel von einer kalten Aalpastete zu sich genommen, und dies habe ihm den Dampf angethan. </p><lb/> <p>Es kamen auch, wie bei meiner Mutter Tode, viele Züge geheimer Wohlthätigkeit an den Tag; manche Handwerker, die für das Haus arbeiteten, und durch den Krieg ihren Erwerb fast eingebüßt, waren von ihm durch Unterstützungen und Darlehen der äußersten Noth entrissen worden. Noch viele Jahre nachher sah ich unter den Papieren meines Vaters eine ganze Mappe voll solcher inexigibler Schuldscheine, deren einige sogar bis in meine Zeit sich erhalten haben, und jetzt zu den Hausakten gelegt sind. </p><lb/> <p>Ganz vorzüglich hatte Nicolai die fleißigen kleinen Hausbesitzer unterstützt, deren Anzahl damals verhältnißmäßig weit größer war als jetzt. </p><lb/> <p>Da es in der Zeit vor dem Kriege beinahe keine andren preußischen Werthpapiere gab als Seehandlungsobligazionen, und Nicolai seine Ersparnisse nicht alle auf dieselbe Weise anlegen wollte, so that er größere und kleinere Kapitalien auf Häuser aus. War die Hypothek auch nicht immer ganz sicher, so kannte er den Hausbesitzer persönlich als einen redlichen, arbeitsamen Mann, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [152/0164]
gesehn. Fritz rühmte sich noch oft, daß er ihm am letzten Abend zu Bette geleuchtet, und ich muß gestehn, daß dieser unbedeutende Umstand lange Zeit in meiner Seele einen kleinen Stachel zurücklief. Der alte Friedrich beunruhigte meine Einbildungskraft eine ganze Weile, indem er mich mit innerster Ueberzeugung und mit klagendem Tone versicherte, der Herr hätte noch viele Jahre leben können, aber auf einem kürzlich abgehaltnen Mittagessen bei einem vornehmen Freunde habe er zuviel von einer kalten Aalpastete zu sich genommen, und dies habe ihm den Dampf angethan.
Es kamen auch, wie bei meiner Mutter Tode, viele Züge geheimer Wohlthätigkeit an den Tag; manche Handwerker, die für das Haus arbeiteten, und durch den Krieg ihren Erwerb fast eingebüßt, waren von ihm durch Unterstützungen und Darlehen der äußersten Noth entrissen worden. Noch viele Jahre nachher sah ich unter den Papieren meines Vaters eine ganze Mappe voll solcher inexigibler Schuldscheine, deren einige sogar bis in meine Zeit sich erhalten haben, und jetzt zu den Hausakten gelegt sind.
Ganz vorzüglich hatte Nicolai die fleißigen kleinen Hausbesitzer unterstützt, deren Anzahl damals verhältnißmäßig weit größer war als jetzt.
Da es in der Zeit vor dem Kriege beinahe keine andren preußischen Werthpapiere gab als Seehandlungsobligazionen, und Nicolai seine Ersparnisse nicht alle auf dieselbe Weise anlegen wollte, so that er größere und kleinere Kapitalien auf Häuser aus. War die Hypothek auch nicht immer ganz sicher, so kannte er den Hausbesitzer persönlich als einen redlichen, arbeitsamen Mann,
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