Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Freudiges Hahnengeschrei dem starrenden Weib' und den Kindern. Nimm zum Geschenke den Hahn, Hensler-Asklepios froh! In der bösen Franzosenzeit hatte der Magistrat von Berlin, um die fast unerschwinglichen Lasten zu tragen, die Bürgerschaft in mehrere Klassen getheilt, die nach Maasgabe ihres Vermögens zugezogen wurden. Aus der reichsten Klasse ward noch eine Anzahl "Rückbürgen" ernannt, die in den schlimmsten Fällen vor den Riß zu treten hatten, und zu denen auch Nicolai gehörte. Er verlor als solcher einen großen Theil seines Vermögens ohne irgend eine Aussicht auf Ersatz. Wer konnte damals, nachdem auch Oestreich i. J. 1809 noch einmal besiegt war, an einer langen Dauer der napoleonischen Herrschaft zweifeln? Im Jahre 1810 mußte Berlin wieder eine Rate der ausgeschriebnen Kriegsteuer zahlen, zu der auch die Rückbürgen beitragen sollten. Durch irgend ein Versehn war Nicolai dabei übergangen worden. Als er dies erfuhr, schickte er meinen Vater auf das Rathhaus, und ließ dem Magistrate seine letzten 20,000 Rthlr. in Seehandlungsobligazionen übergeben. Daß Nicolai, der im Sonnenglanze der Regierung Friedrichs II. gewandelt, die Jahre der Erniedrigung 1806 bis 1811 durchleben mußte, kann man wohl zu den schwersten äußeren Prüfungen rechnen. In seinem Testamente hatte Nicolai außer sehr bedeutenden Legaten an Verwandte, Freunde und Dienerschaft auch mehreren öffentlichen Anstalten werthvolle Vermächtnisse hinterlassen. Die Akademie der Wissenschaften erhielt die kolossale Gypsbüste von Leibnitz, die noch heute Freudiges Hahnengeschrei dem starrenden Weib’ und den Kindern. Nimm zum Geschenke den Hahn, Hensler-Asklepios froh! In der bösen Franzosenzeit hatte der Magistrat von Berlin, um die fast unerschwinglichen Lasten zu tragen, die Bürgerschaft in mehrere Klassen getheilt, die nach Maasgabe ihres Vermögens zugezogen wurden. Aus der reichsten Klasse ward noch eine Anzahl „Rückbürgen“ ernannt, die in den schlimmsten Fällen vor den Riß zu treten hatten, und zu denen auch Nicolai gehörte. Er verlor als solcher einen großen Theil seines Vermögens ohne irgend eine Aussicht auf Ersatz. Wer konnte damals, nachdem auch Oestreich i. J. 1809 noch einmal besiegt war, an einer langen Dauer der napoleonischen Herrschaft zweifeln? Im Jahre 1810 mußte Berlin wieder eine Rate der ausgeschriebnen Kriegsteuer zahlen, zu der auch die Rückbürgen beitragen sollten. Durch irgend ein Versehn war Nicolai dabei übergangen worden. Als er dies erfuhr, schickte er meinen Vater auf das Rathhaus, und ließ dem Magistrate seine letzten 20,000 Rthlr. in Seehandlungsobligazionen übergeben. Daß Nicolai, der im Sonnenglanze der Regierung Friedrichs II. gewandelt, die Jahre der Erniedrigung 1806 bis 1811 durchleben mußte, kann man wohl zu den schwersten äußeren Prüfungen rechnen. In seinem Testamente hatte Nicolai außer sehr bedeutenden Legaten an Verwandte, Freunde und Dienerschaft auch mehreren öffentlichen Anstalten werthvolle Vermächtnisse hinterlassen. Die Akademie der Wissenschaften erhielt die kolossale Gypsbüste von Leibnitz, die noch heute <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p rendition="#c"> <pb facs="#f0167" n="155"/> </p><lb/> <p rendition="#c">Freudiges Hahnengeschrei dem starrenden Weib’ und den Kindern. </p><lb/> <p rendition="#c">Nimm zum Geschenke den Hahn, Hensler-Asklepios froh!</p><lb/> <p>In der bösen Franzosenzeit hatte der Magistrat von Berlin, um die fast unerschwinglichen Lasten zu tragen, die Bürgerschaft in mehrere Klassen getheilt, die nach Maasgabe ihres Vermögens zugezogen wurden. Aus der reichsten Klasse ward noch eine Anzahl „Rückbürgen“ ernannt, die in den schlimmsten Fällen vor den Riß zu treten hatten, und zu denen auch Nicolai gehörte. Er verlor als solcher einen großen Theil seines Vermögens ohne irgend eine Aussicht auf Ersatz. Wer konnte damals, nachdem auch Oestreich i. J. 1809 noch einmal besiegt war, an einer langen Dauer der napoleonischen Herrschaft zweifeln? Im Jahre 1810 mußte Berlin wieder eine Rate der ausgeschriebnen Kriegsteuer zahlen, zu der auch die Rückbürgen beitragen sollten. Durch irgend ein Versehn war Nicolai dabei übergangen worden. Als er dies erfuhr, schickte er meinen Vater auf das Rathhaus, und ließ dem Magistrate seine letzten 20,000 Rthlr. in Seehandlungsobligazionen übergeben. </p><lb/> <p>Daß Nicolai, der im Sonnenglanze der Regierung Friedrichs II. gewandelt, die Jahre der Erniedrigung 1806 bis 1811 durchleben mußte, kann man wohl zu den schwersten äußeren Prüfungen rechnen. </p><lb/> <p>In seinem Testamente hatte Nicolai außer sehr bedeutenden Legaten an Verwandte, Freunde und Dienerschaft auch mehreren öffentlichen Anstalten werthvolle Vermächtnisse hinterlassen. Die Akademie der Wissenschaften erhielt die kolossale Gypsbüste von Leibnitz, die noch heute </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [155/0167]
Freudiges Hahnengeschrei dem starrenden Weib’ und den Kindern.
Nimm zum Geschenke den Hahn, Hensler-Asklepios froh!
In der bösen Franzosenzeit hatte der Magistrat von Berlin, um die fast unerschwinglichen Lasten zu tragen, die Bürgerschaft in mehrere Klassen getheilt, die nach Maasgabe ihres Vermögens zugezogen wurden. Aus der reichsten Klasse ward noch eine Anzahl „Rückbürgen“ ernannt, die in den schlimmsten Fällen vor den Riß zu treten hatten, und zu denen auch Nicolai gehörte. Er verlor als solcher einen großen Theil seines Vermögens ohne irgend eine Aussicht auf Ersatz. Wer konnte damals, nachdem auch Oestreich i. J. 1809 noch einmal besiegt war, an einer langen Dauer der napoleonischen Herrschaft zweifeln? Im Jahre 1810 mußte Berlin wieder eine Rate der ausgeschriebnen Kriegsteuer zahlen, zu der auch die Rückbürgen beitragen sollten. Durch irgend ein Versehn war Nicolai dabei übergangen worden. Als er dies erfuhr, schickte er meinen Vater auf das Rathhaus, und ließ dem Magistrate seine letzten 20,000 Rthlr. in Seehandlungsobligazionen übergeben.
Daß Nicolai, der im Sonnenglanze der Regierung Friedrichs II. gewandelt, die Jahre der Erniedrigung 1806 bis 1811 durchleben mußte, kann man wohl zu den schwersten äußeren Prüfungen rechnen.
In seinem Testamente hatte Nicolai außer sehr bedeutenden Legaten an Verwandte, Freunde und Dienerschaft auch mehreren öffentlichen Anstalten werthvolle Vermächtnisse hinterlassen. Die Akademie der Wissenschaften erhielt die kolossale Gypsbüste von Leibnitz, die noch heute
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