Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Aegidi, war der Sohn eines Auditeurs aus Danzig. Sein Vater besaß in der Nähe der Stadt ein kleines Landgut, der französische Krieg ruinirte ihn, er starb 1811 und hinterließ eine Wittwe mit 6 Kindern in sehr bedrängten Umständen. August war an meinen Vater empfohlen worden, der sich seiner auf alle Weise annahm; wir saßen zusammen in Grostertia des Grauen Klosters, und hatten so die beste Gelegenheit, recht bekannt zu werden. Er war herzensgut, aufrichtig und treu, in allen Dingen ordentlich und gewissenhaft. Da er einige Jahre mehr hatte, als Fritz und ich, so machte er bei unsern gemeinschaftlichen Ausflügen den erfahrenen Mentor, und wußte besonders Fritzens gutmüthige Teufeleien in den gehörigen Schranken zu halten. In Gemeinschaft mit einem andern Danziger Schüler, der aber gar nicht in unsern Kreis kam, hatte August sich ein sehr bescheidenes Stübchen bei einer Handwerkerfamilie in der Jüdenstraße für einen geringen Preis gemiethet. Als ich ihn dort zum ersten Male besuchte, fiel die große Dürftigkeit der Einrichtung mir schwer aufs Herz, indem ich sie mit meiner eignen günstigen Lage verglich. Außer den allernöthigsten Möbeln befand sich gar nichts in den vier kahlen Wänden. Da August den grösten Theil des Tages in der Klasse zubrachte, so hielt er es für eine unnützige Ausgabe, noch am Abende heizen zu lassen, und arbeitete in der Kälte, bis ihm die Finger erklammten. Dies hatte ich nicht sobald bemerkt, als ich ihn einlud, in unsrer warmen, behaglichen Stube zu arbeiten, was er freudig annahm. Unbeschreiblich rührend war es, wenn er uns von seinen früheren glücklichen Verhältnissen erzählte, wie er auf dem Gute seines Vaters ein eignes kleines Reitpferd besessen, Aegidi, war der Sohn eines Auditeurs aus Danzig. Sein Vater besaß in der Nähe der Stadt ein kleines Landgut, der französische Krieg ruinirte ihn, er starb 1811 und hinterließ eine Wittwe mit 6 Kindern in sehr bedrängten Umständen. August war an meinen Vater empfohlen worden, der sich seiner auf alle Weise annahm; wir saßen zusammen in Grostertia des Grauen Klosters, und hatten so die beste Gelegenheit, recht bekannt zu werden. Er war herzensgut, aufrichtig und treu, in allen Dingen ordentlich und gewissenhaft. Da er einige Jahre mehr hatte, als Fritz und ich, so machte er bei unsern gemeinschaftlichen Ausflügen den erfahrenen Mentor, und wußte besonders Fritzens gutmüthige Teufeleien in den gehörigen Schranken zu halten. In Gemeinschaft mit einem andern Danziger Schüler, der aber gar nicht in unsern Kreis kam, hatte August sich ein sehr bescheidenes Stübchen bei einer Handwerkerfamilie in der Jüdenstraße für einen geringen Preis gemiethet. Als ich ihn dort zum ersten Male besuchte, fiel die große Dürftigkeit der Einrichtung mir schwer aufs Herz, indem ich sie mit meiner eignen günstigen Lage verglich. Außer den allernöthigsten Möbeln befand sich gar nichts in den vier kahlen Wänden. Da August den grösten Theil des Tages in der Klasse zubrachte, so hielt er es für eine unnützige Ausgabe, noch am Abende heizen zu lassen, und arbeitete in der Kälte, bis ihm die Finger erklammten. Dies hatte ich nicht sobald bemerkt, als ich ihn einlud, in unsrer warmen, behaglichen Stube zu arbeiten, was er freudig annahm. Unbeschreiblich rührend war es, wenn er uns von seinen früheren glücklichen Verhältnissen erzählte, wie er auf dem Gute seines Vaters ein eignes kleines Reitpferd besessen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0202" n="190"/> Aegidi, war der Sohn eines Auditeurs aus Danzig. Sein Vater besaß in der Nähe der Stadt ein kleines Landgut, der französische Krieg ruinirte ihn, er starb 1811 und hinterließ eine Wittwe mit 6 Kindern in sehr bedrängten Umständen. August war an meinen Vater empfohlen worden, der sich seiner auf alle Weise annahm; wir saßen zusammen in Grostertia des Grauen Klosters, und hatten so die beste Gelegenheit, recht bekannt zu werden. Er war herzensgut, aufrichtig und treu, in allen Dingen ordentlich und gewissenhaft. Da er einige Jahre mehr hatte, als Fritz und ich, so machte er bei unsern gemeinschaftlichen Ausflügen den erfahrenen Mentor, und wußte besonders Fritzens gutmüthige Teufeleien in den gehörigen Schranken zu halten. In Gemeinschaft mit einem andern Danziger Schüler, der aber gar nicht in unsern Kreis kam, hatte August sich ein sehr bescheidenes Stübchen bei einer Handwerkerfamilie in der Jüdenstraße für einen geringen Preis gemiethet. Als ich ihn dort zum ersten Male besuchte, fiel die große Dürftigkeit der Einrichtung mir schwer aufs Herz, indem ich sie mit meiner eignen günstigen Lage verglich. Außer den allernöthigsten Möbeln befand sich gar nichts in den vier kahlen Wänden. </p><lb/> <p>Da August den grösten Theil des Tages in der Klasse zubrachte, so hielt er es für eine unnützige Ausgabe, noch am Abende heizen zu lassen, und arbeitete in der Kälte, bis ihm die Finger erklammten. Dies hatte ich nicht sobald bemerkt, als ich ihn einlud, in unsrer warmen, behaglichen Stube zu arbeiten, was er freudig annahm. Unbeschreiblich rührend war es, wenn er uns von seinen früheren glücklichen Verhältnissen erzählte, wie er auf dem Gute seines Vaters ein eignes kleines Reitpferd besessen, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [190/0202]
Aegidi, war der Sohn eines Auditeurs aus Danzig. Sein Vater besaß in der Nähe der Stadt ein kleines Landgut, der französische Krieg ruinirte ihn, er starb 1811 und hinterließ eine Wittwe mit 6 Kindern in sehr bedrängten Umständen. August war an meinen Vater empfohlen worden, der sich seiner auf alle Weise annahm; wir saßen zusammen in Grostertia des Grauen Klosters, und hatten so die beste Gelegenheit, recht bekannt zu werden. Er war herzensgut, aufrichtig und treu, in allen Dingen ordentlich und gewissenhaft. Da er einige Jahre mehr hatte, als Fritz und ich, so machte er bei unsern gemeinschaftlichen Ausflügen den erfahrenen Mentor, und wußte besonders Fritzens gutmüthige Teufeleien in den gehörigen Schranken zu halten. In Gemeinschaft mit einem andern Danziger Schüler, der aber gar nicht in unsern Kreis kam, hatte August sich ein sehr bescheidenes Stübchen bei einer Handwerkerfamilie in der Jüdenstraße für einen geringen Preis gemiethet. Als ich ihn dort zum ersten Male besuchte, fiel die große Dürftigkeit der Einrichtung mir schwer aufs Herz, indem ich sie mit meiner eignen günstigen Lage verglich. Außer den allernöthigsten Möbeln befand sich gar nichts in den vier kahlen Wänden.
Da August den grösten Theil des Tages in der Klasse zubrachte, so hielt er es für eine unnützige Ausgabe, noch am Abende heizen zu lassen, und arbeitete in der Kälte, bis ihm die Finger erklammten. Dies hatte ich nicht sobald bemerkt, als ich ihn einlud, in unsrer warmen, behaglichen Stube zu arbeiten, was er freudig annahm. Unbeschreiblich rührend war es, wenn er uns von seinen früheren glücklichen Verhältnissen erzählte, wie er auf dem Gute seines Vaters ein eignes kleines Reitpferd besessen,
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/202>, abgerufen am 26.06.2024. |