Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].rath lebte, so zeigte er doch bei jeder Gelegenheit, wo es etwas zu schenken oder beizutragen gab, eine wahrhaft königliche Freigebigkeit. Mein Vater nannte ihn deshalb scherzweise den Saladin. Bei der Ausrüstung der Freiwilligen im Jahre 1813 sendete Göckingk die reichlichsten Spenden; er wollte aber nicht, daß viel Geschrei davon gemacht werde, und ließ alles durch meinen Vater besorgen. Er selbst hatte einen Sohn beim Heere, mit dem er jedoch gänzlich auseinander gekommen war. Die Gründe dieser Trennung habe ich nie erfahren, sie müssen wohl sehr ernster Natur gewesen sein: denn in Göckingks Gegenwart durfte dieses Sohnes nie erwähnt werden. Seine Tochter Wilhelmine, eine Jugendfreundin meiner beiden Mütter und der Tante Jettchen, lebte in der glücklichsten Ehe mit Herrn von Wurmb, der als Forstmeister der jüngsten kurländischen Prinzessin Dorothea in Deutsch-Wartenberg in Schlesien wohnte. Göckingks litterarische Thfttigkeit hatte, als ich ihn kennen lernte, längst aufgehört. Er füllte die Muße seines Alters mit Lektüre und Briefschreiben. In seiner kleinen ausgesuchten Bibliothek sah ich nicht ohne Neid eine ganze Anzahl Prachtausgaben der besten englischen und französischen Schriftsteller, die in Nicolais Sammlung meist in sehr unscheinbarem Gewande erschienen. Von den vielen Geschichten, welche Göckingk erzählte, ist mir nur eine wegen ihres drastischen Schlusses im Gedächtnisse geblieben. Er aß einmal zusammen mit dem Minister von der Schulenburg an der königlichen Tafel Friedrich Wilhelms II., der damals schon die Zähne verloren hatte, und so undeutlich sprach, daß die Gäste in der Entfernung gar nichts verstehn konnten. Beim Schlusse rath lebte, so zeigte er doch bei jeder Gelegenheit, wo es etwas zu schenken oder beizutragen gab, eine wahrhaft königliche Freigebigkeit. Mein Vater nannte ihn deshalb scherzweise den Saladin. Bei der Ausrüstung der Freiwilligen im Jahre 1813 sendete Göckingk die reichlichsten Spenden; er wollte aber nicht, daß viel Geschrei davon gemacht werde, und ließ alles durch meinen Vater besorgen. Er selbst hatte einen Sohn beim Heere, mit dem er jedoch gänzlich auseinander gekommen war. Die Gründe dieser Trennung habe ich nie erfahren, sie müssen wohl sehr ernster Natur gewesen sein: denn in Göckingks Gegenwart durfte dieses Sohnes nie erwähnt werden. Seine Tochter Wilhelmine, eine Jugendfreundin meiner beiden Mütter und der Tante Jettchen, lebte in der glücklichsten Ehe mit Herrn von Wurmb, der als Forstmeister der jüngsten kurländischen Prinzessin Dorothea in Deutsch-Wartenberg in Schlesien wohnte. Göckingks litterarische Thfttigkeit hatte, als ich ihn kennen lernte, längst aufgehört. Er füllte die Muße seines Alters mit Lektüre und Briefschreiben. In seiner kleinen ausgesuchten Bibliothek sah ich nicht ohne Neid eine ganze Anzahl Prachtausgaben der besten englischen und französischen Schriftsteller, die in Nicolais Sammlung meist in sehr unscheinbarem Gewande erschienen. Von den vielen Geschichten, welche Göckingk erzählte, ist mir nur eine wegen ihres drastischen Schlusses im Gedächtnisse geblieben. Er aß einmal zusammen mit dem Minister von der Schulenburg an der königlichen Tafel Friedrich Wilhelms II., der damals schon die Zähne verloren hatte, und so undeutlich sprach, daß die Gäste in der Entfernung gar nichts verstehn konnten. Beim Schlusse <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0221" n="209"/> rath lebte, so zeigte er doch bei jeder Gelegenheit, wo es etwas zu schenken oder beizutragen gab, eine wahrhaft königliche Freigebigkeit. Mein Vater nannte ihn deshalb scherzweise den Saladin. Bei der Ausrüstung der Freiwilligen im Jahre 1813 sendete Göckingk die reichlichsten Spenden; er wollte aber nicht, daß viel Geschrei davon gemacht werde, und ließ alles durch meinen Vater besorgen. Er selbst hatte einen Sohn beim Heere, mit dem er jedoch gänzlich auseinander gekommen war. Die Gründe dieser Trennung habe ich nie erfahren, sie müssen wohl sehr ernster Natur gewesen sein: denn in Göckingks Gegenwart durfte dieses Sohnes nie erwähnt werden. Seine Tochter Wilhelmine, eine Jugendfreundin meiner beiden Mütter und der Tante Jettchen, lebte in der glücklichsten Ehe mit Herrn von Wurmb, der als Forstmeister der jüngsten kurländischen Prinzessin Dorothea in Deutsch-Wartenberg in Schlesien wohnte. </p><lb/> <p>Göckingks litterarische Thfttigkeit hatte, als ich ihn kennen lernte, längst aufgehört. Er füllte die Muße seines Alters mit Lektüre und Briefschreiben. In seiner kleinen ausgesuchten Bibliothek sah ich nicht ohne Neid eine ganze Anzahl Prachtausgaben der besten englischen und französischen Schriftsteller, die in Nicolais Sammlung meist in sehr unscheinbarem Gewande erschienen. </p><lb/> <p>Von den vielen Geschichten, welche Göckingk erzählte, ist mir nur eine wegen ihres drastischen Schlusses im Gedächtnisse geblieben. Er aß einmal zusammen mit dem Minister von der Schulenburg an der königlichen Tafel Friedrich Wilhelms II., der damals schon die Zähne verloren hatte, und so undeutlich sprach, daß die Gäste in der Entfernung gar nichts verstehn konnten. Beim Schlusse </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [209/0221]
rath lebte, so zeigte er doch bei jeder Gelegenheit, wo es etwas zu schenken oder beizutragen gab, eine wahrhaft königliche Freigebigkeit. Mein Vater nannte ihn deshalb scherzweise den Saladin. Bei der Ausrüstung der Freiwilligen im Jahre 1813 sendete Göckingk die reichlichsten Spenden; er wollte aber nicht, daß viel Geschrei davon gemacht werde, und ließ alles durch meinen Vater besorgen. Er selbst hatte einen Sohn beim Heere, mit dem er jedoch gänzlich auseinander gekommen war. Die Gründe dieser Trennung habe ich nie erfahren, sie müssen wohl sehr ernster Natur gewesen sein: denn in Göckingks Gegenwart durfte dieses Sohnes nie erwähnt werden. Seine Tochter Wilhelmine, eine Jugendfreundin meiner beiden Mütter und der Tante Jettchen, lebte in der glücklichsten Ehe mit Herrn von Wurmb, der als Forstmeister der jüngsten kurländischen Prinzessin Dorothea in Deutsch-Wartenberg in Schlesien wohnte.
Göckingks litterarische Thfttigkeit hatte, als ich ihn kennen lernte, längst aufgehört. Er füllte die Muße seines Alters mit Lektüre und Briefschreiben. In seiner kleinen ausgesuchten Bibliothek sah ich nicht ohne Neid eine ganze Anzahl Prachtausgaben der besten englischen und französischen Schriftsteller, die in Nicolais Sammlung meist in sehr unscheinbarem Gewande erschienen.
Von den vielen Geschichten, welche Göckingk erzählte, ist mir nur eine wegen ihres drastischen Schlusses im Gedächtnisse geblieben. Er aß einmal zusammen mit dem Minister von der Schulenburg an der königlichen Tafel Friedrich Wilhelms II., der damals schon die Zähne verloren hatte, und so undeutlich sprach, daß die Gäste in der Entfernung gar nichts verstehn konnten. Beim Schlusse
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