Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].seine straffe Persönlichkeit und seine Löwenstimme ihm trefflich zu Statten kamen. Manches einzelne aus diesen Kämpfen theilte er uns in seinen Tischgesprächen mit, wenn er ganz erhitzt vom Rathhause kam; es ist mir aber wenig sicheres davon gegenwärtig geblieben; nur eine Erzählung hat sich um so lebhafter und schmerzlicher eingeprägt, weil dabei das Unrecht auf deutscher Seite war. Ein junger Berliner Kaufmann übernahm große Heulieferungen für die französische Armee. In dem dazu bestimmten Magazin in der Münzstraße hatte er zu ebner Erde sein Comptoir und daneben eine wohnliche Stube eingerichtet, wohin er die französischen Kommissäre einlud, und mit Lachs, Kaviar, feinen Weinen u. s. w. auf das glänzendste bewirthete. Die von ihm gelieferten, in den Thorweg einpassirenden Heuwagen wurden aus den Fenstern des Comptoirs registrirt; wenn aber die Beamten beim Frühstück saßen, so kam es vor, daß mancher Wagen registrirt wurde, der nur vor dem Thorwege stillhielt, dann aber daneben vorbei um das Haus herumfuhr, und sich nach gewechseltem Fuhrmanne als ein neuer präsentirte. Durch diesen Betrug wurden die Heurationen der Kavallerie bedeutend geschmälert, allein alle Klagen darüber von den Kommissären schnöde abgewiesen. Der Berliner Lieferant erwarb auf diese Weise ein bedeutendes Vermögen, legte später eine Färberei an, machte zu großen Aufwand, ward landflüchtig und starb zuletzt im Elende. - Er hat es nicht anders haben wollen! sagte der Grosvater. Trotz solcher einzelnen Durchstechereien wurden die Lieferungen mit Strenge eingetrieben. Der Ingrimm über die unerhörten Bedrückungen fraß dem Grosvater das seine straffe Persönlichkeit und seine Löwenstimme ihm trefflich zu Statten kamen. Manches einzelne aus diesen Kämpfen theilte er uns in seinen Tischgesprächen mit, wenn er ganz erhitzt vom Rathhause kam; es ist mir aber wenig sicheres davon gegenwärtig geblieben; nur eine Erzählung hat sich um so lebhafter und schmerzlicher eingeprägt, weil dabei das Unrecht auf deutscher Seite war. Ein junger Berliner Kaufmann übernahm große Heulieferungen für die französische Armee. In dem dazu bestimmten Magazin in der Münzstraße hatte er zu ebner Erde sein Comptoir und daneben eine wohnliche Stube eingerichtet, wohin er die französischen Kommissäre einlud, und mit Lachs, Kaviar, feinen Weinen u. s. w. auf das glänzendste bewirthete. Die von ihm gelieferten, in den Thorweg einpassirenden Heuwagen wurden aus den Fenstern des Comptoirs registrirt; wenn aber die Beamten beim Frühstück saßen, so kam es vor, daß mancher Wagen registrirt wurde, der nur vor dem Thorwege stillhielt, dann aber daneben vorbei um das Haus herumfuhr, und sich nach gewechseltem Fuhrmanne als ein neuer präsentirte. Durch diesen Betrug wurden die Heurationen der Kavallerie bedeutend geschmälert, allein alle Klagen darüber von den Kommissären schnöde abgewiesen. Der Berliner Lieferant erwarb auf diese Weise ein bedeutendes Vermögen, legte später eine Färberei an, machte zu großen Aufwand, ward landflüchtig und starb zuletzt im Elende. – Er hat es nicht anders haben wollen! sagte der Grosvater. Trotz solcher einzelnen Durchstechereien wurden die Lieferungen mit Strenge eingetrieben. Der Ingrimm über die unerhörten Bedrückungen fraß dem Grosvater das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0231" n="219"/> seine straffe Persönlichkeit und seine Löwenstimme ihm trefflich zu Statten kamen. </p><lb/> <p>Manches einzelne aus diesen Kämpfen theilte er uns in seinen Tischgesprächen mit, wenn er ganz erhitzt vom Rathhause kam; es ist mir aber wenig sicheres davon gegenwärtig geblieben; nur eine Erzählung hat sich um so lebhafter und schmerzlicher eingeprägt, weil dabei das Unrecht auf deutscher Seite war. </p><lb/> <p>Ein junger Berliner Kaufmann übernahm große Heulieferungen für die französische Armee. In dem dazu bestimmten Magazin in der Münzstraße hatte er zu ebner Erde sein Comptoir und daneben eine wohnliche Stube eingerichtet, wohin er die französischen Kommissäre einlud, und mit Lachs, Kaviar, feinen Weinen u. s. w. auf das glänzendste bewirthete. Die von ihm gelieferten, in den Thorweg einpassirenden Heuwagen wurden aus den Fenstern des Comptoirs registrirt; wenn aber die Beamten beim Frühstück saßen, so kam es vor, daß mancher Wagen registrirt wurde, der nur vor dem Thorwege stillhielt, dann aber daneben vorbei um das Haus herumfuhr, und sich nach gewechseltem Fuhrmanne als ein neuer präsentirte. Durch diesen Betrug wurden die Heurationen der Kavallerie bedeutend geschmälert, allein alle Klagen darüber von den Kommissären schnöde abgewiesen. Der Berliner Lieferant erwarb auf diese Weise ein bedeutendes Vermögen, legte später eine Färberei an, machte zu großen Aufwand, ward landflüchtig und starb zuletzt im Elende. – Er hat es nicht anders haben wollen! sagte der Grosvater. </p><lb/> <p>Trotz solcher einzelnen Durchstechereien wurden die Lieferungen mit Strenge eingetrieben. Der Ingrimm über die unerhörten Bedrückungen fraß dem Grosvater das </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [219/0231]
seine straffe Persönlichkeit und seine Löwenstimme ihm trefflich zu Statten kamen.
Manches einzelne aus diesen Kämpfen theilte er uns in seinen Tischgesprächen mit, wenn er ganz erhitzt vom Rathhause kam; es ist mir aber wenig sicheres davon gegenwärtig geblieben; nur eine Erzählung hat sich um so lebhafter und schmerzlicher eingeprägt, weil dabei das Unrecht auf deutscher Seite war.
Ein junger Berliner Kaufmann übernahm große Heulieferungen für die französische Armee. In dem dazu bestimmten Magazin in der Münzstraße hatte er zu ebner Erde sein Comptoir und daneben eine wohnliche Stube eingerichtet, wohin er die französischen Kommissäre einlud, und mit Lachs, Kaviar, feinen Weinen u. s. w. auf das glänzendste bewirthete. Die von ihm gelieferten, in den Thorweg einpassirenden Heuwagen wurden aus den Fenstern des Comptoirs registrirt; wenn aber die Beamten beim Frühstück saßen, so kam es vor, daß mancher Wagen registrirt wurde, der nur vor dem Thorwege stillhielt, dann aber daneben vorbei um das Haus herumfuhr, und sich nach gewechseltem Fuhrmanne als ein neuer präsentirte. Durch diesen Betrug wurden die Heurationen der Kavallerie bedeutend geschmälert, allein alle Klagen darüber von den Kommissären schnöde abgewiesen. Der Berliner Lieferant erwarb auf diese Weise ein bedeutendes Vermögen, legte später eine Färberei an, machte zu großen Aufwand, ward landflüchtig und starb zuletzt im Elende. – Er hat es nicht anders haben wollen! sagte der Grosvater.
Trotz solcher einzelnen Durchstechereien wurden die Lieferungen mit Strenge eingetrieben. Der Ingrimm über die unerhörten Bedrückungen fraß dem Grosvater das
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |