Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Münze besuchten, und Kleinsteuber uns die Einrichtung der wunderbaren Maschine erklärte. Sie hatte nicht nur den Vortheil, daß sie mit einem Zuge des Schwengels beide Seiten des Thalers und den Rand ausprägte, sondern auch eine Vorrichtung, welche den Schrötling, ohne Zuthun der Hand, in die richtige Lage brachte, und nach vollendeter Prägung den fertigen Thaler bei Seite schob. Daß hiezu ein sehr komplizirter Mechanismus gehöre, konnten wir uns leicht denken; aber wie sehr erstaunten wir, als Kleinsteuber die Maschine still stehen ließ, und nun die Decke des aus mehreren Hundert stählerner Hebel und Haken bestehenden Apparates weghob. Der Gedanke, daß alle diese Stücke auf das genauste gearbeitet, daß ihr Ineinandergreifen auf das schärfste berechnet sein müsse, hatte etwas sinnverwirrendes. Mehrere Jahre später hörten wir mit großem Schmerze, daß eine solche Verwirrung bei dem Erfinder selbst eingetreten, und daß der treffliche Kleinsteuber in einem Zustande von Geistesstörung seinem Leben ein Ende gemacht. Beuth, später Geheimerath und Schöpfer des Gewerbe-Institutes, verkehrte als junger Assessor viel in des Grosvaters Hause; er ergötzte die Kinder aufs höchste, wenn er mit seiner hellen Diskantstimme allerlei komische Lieder zur Guitarre sang. Von seinen gewerblichen Tischgesprächen mit dem Grosvater, bei denen es oft sehr warm herging, verstand ich freilich nicht viel, doch erinnre ich mich, daß der Grosvater, als Beuth fort war, einmal sagte: "ein ganz gescheuter Mann, der auch etwas gelernt hat, allein alle unsre jungen Leute wollen die Welt reformiren, und haben nicht das Zeug dazu." Unvergeßlich ist es mir, daß Beuth uns einstmals Münze besuchten, und Kleinsteuber uns die Einrichtung der wunderbaren Maschine erklärte. Sie hatte nicht nur den Vortheil, daß sie mit einem Zuge des Schwengels beide Seiten des Thalers und den Rand ausprägte, sondern auch eine Vorrichtung, welche den Schrötling, ohne Zuthun der Hand, in die richtige Lage brachte, und nach vollendeter Prägung den fertigen Thaler bei Seite schob. Daß hiezu ein sehr komplizirter Mechanismus gehöre, konnten wir uns leicht denken; aber wie sehr erstaunten wir, als Kleinsteuber die Maschine still stehen ließ, und nun die Decke des aus mehreren Hundert stählerner Hebel und Haken bestehenden Apparates weghob. Der Gedanke, daß alle diese Stücke auf das genauste gearbeitet, daß ihr Ineinandergreifen auf das schärfste berechnet sein müsse, hatte etwas sinnverwirrendes. Mehrere Jahre später hörten wir mit großem Schmerze, daß eine solche Verwirrung bei dem Erfinder selbst eingetreten, und daß der treffliche Kleinsteuber in einem Zustande von Geistesstörung seinem Leben ein Ende gemacht. Beuth, später Geheimerath und Schöpfer des Gewerbe-Institutes, verkehrte als junger Assessor viel in des Grosvaters Hause; er ergötzte die Kinder aufs höchste, wenn er mit seiner hellen Diskantstimme allerlei komische Lieder zur Guitarre sang. Von seinen gewerblichen Tischgesprächen mit dem Grosvater, bei denen es oft sehr warm herging, verstand ich freilich nicht viel, doch erinnre ich mich, daß der Grosvater, als Beuth fort war, einmal sagte: „ein ganz gescheuter Mann, der auch etwas gelernt hat, allein alle unsre jungen Leute wollen die Welt reformiren, und haben nicht das Zeug dazu.“ Unvergeßlich ist es mir, daß Beuth uns einstmals <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0234" n="222"/> Münze besuchten, und Kleinsteuber uns die Einrichtung der wunderbaren Maschine erklärte. Sie hatte nicht nur den Vortheil, daß sie mit einem Zuge des Schwengels beide Seiten des Thalers und den Rand ausprägte, sondern auch eine Vorrichtung, welche den Schrötling, ohne Zuthun der Hand, in die richtige Lage brachte, und nach vollendeter Prägung den fertigen Thaler bei Seite schob. Daß hiezu ein sehr komplizirter Mechanismus gehöre, konnten wir uns leicht denken; aber wie sehr erstaunten wir, als Kleinsteuber die Maschine still stehen ließ, und nun die Decke des aus mehreren Hundert stählerner Hebel und Haken bestehenden Apparates weghob. Der Gedanke, daß alle diese Stücke auf das genauste gearbeitet, daß ihr Ineinandergreifen auf das schärfste berechnet sein müsse, hatte etwas sinnverwirrendes. Mehrere Jahre später hörten wir mit großem Schmerze, daß eine solche Verwirrung bei dem Erfinder selbst eingetreten, und daß der treffliche Kleinsteuber in einem Zustande von Geistesstörung seinem Leben ein Ende gemacht. </p><lb/> <p>Beuth, später Geheimerath und Schöpfer des Gewerbe-Institutes, verkehrte als junger Assessor viel in des Grosvaters Hause; er ergötzte die Kinder aufs höchste, wenn er mit seiner hellen Diskantstimme allerlei komische Lieder zur Guitarre sang. Von seinen gewerblichen Tischgesprächen mit dem Grosvater, bei denen es oft sehr warm herging, verstand ich freilich nicht viel, doch erinnre ich mich, daß der Grosvater, als Beuth fort war, einmal sagte: „ein ganz gescheuter Mann, der auch etwas gelernt hat, allein alle unsre jungen Leute wollen die Welt reformiren, und haben nicht das Zeug dazu.“ </p><lb/> <p>Unvergeßlich ist es mir, daß Beuth uns einstmals </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [222/0234]
Münze besuchten, und Kleinsteuber uns die Einrichtung der wunderbaren Maschine erklärte. Sie hatte nicht nur den Vortheil, daß sie mit einem Zuge des Schwengels beide Seiten des Thalers und den Rand ausprägte, sondern auch eine Vorrichtung, welche den Schrötling, ohne Zuthun der Hand, in die richtige Lage brachte, und nach vollendeter Prägung den fertigen Thaler bei Seite schob. Daß hiezu ein sehr komplizirter Mechanismus gehöre, konnten wir uns leicht denken; aber wie sehr erstaunten wir, als Kleinsteuber die Maschine still stehen ließ, und nun die Decke des aus mehreren Hundert stählerner Hebel und Haken bestehenden Apparates weghob. Der Gedanke, daß alle diese Stücke auf das genauste gearbeitet, daß ihr Ineinandergreifen auf das schärfste berechnet sein müsse, hatte etwas sinnverwirrendes. Mehrere Jahre später hörten wir mit großem Schmerze, daß eine solche Verwirrung bei dem Erfinder selbst eingetreten, und daß der treffliche Kleinsteuber in einem Zustande von Geistesstörung seinem Leben ein Ende gemacht.
Beuth, später Geheimerath und Schöpfer des Gewerbe-Institutes, verkehrte als junger Assessor viel in des Grosvaters Hause; er ergötzte die Kinder aufs höchste, wenn er mit seiner hellen Diskantstimme allerlei komische Lieder zur Guitarre sang. Von seinen gewerblichen Tischgesprächen mit dem Grosvater, bei denen es oft sehr warm herging, verstand ich freilich nicht viel, doch erinnre ich mich, daß der Grosvater, als Beuth fort war, einmal sagte: „ein ganz gescheuter Mann, der auch etwas gelernt hat, allein alle unsre jungen Leute wollen die Welt reformiren, und haben nicht das Zeug dazu.“
Unvergeßlich ist es mir, daß Beuth uns einstmals
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |